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High Score mit PerserkatzenVon Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff
Namarand (Uwe Stickert, rechts) befragt den Iman (Dario Süß, links) und die Oberpriester (Chor) nach der Unsterblichkeit. Die Geschichte geht zurück auf eine Erzählung der irischen Dichterin und Dramatikerin Frances Sheridan, The History of Nourjahad, die 1767 posthum veröffentlicht wurde. Namarand, der Sohn des wohlhabenden Nourjahad, ist auf der Suche nach der Unsterblichkeit und begibt sich zu einem Einsiedler, der ihm rät, eine Priesterversammlung aufzusuchen. Den Hinweis, dass nur die Tugend unsterblich sei, versteht Namarand nicht und geht in seinem Streben nach Unsterblichkeit so weit, das Angebot des Schahs Schemzaddin auszuschlagen, der ihn zum Großwesir ernennen will. Daraufhin wird Namarands Lieblingsfrau Mirza in das Serail des Schahs entführt. Während Namarand noch in Trauer verharrt, erscheint ihm ein Genius, der ihm scheinbar den heiß ersehnten Trank präsentiert. Namarand versinkt in einen Schlaf und hat eine Vision von einer Zukunft, in der alle Menschen, die ihm lieb und teuer sind, gestorben oder gealtert sind und nur er sich nicht verändert hat. Des Weiteren ist sein Traum von ewigem Reichtum, der mit ewigem Leben einhergehen soll, zerplatzt, da der neue Schah ihn als Bedrohung für das System betrachtet und ihn deshalb inhaftieren lässt. Voller Schrecken erwacht Namarand aus diesem Alptraum, erkennt, dass sein Streben nach Unsterblichkeit falsch war, und ist bereit, sich mit den Geschenken der Gegenwart abzufinden. So nimmt er das Angebot des Schahs an, wird Großwesir und erhält Mirza zurück. Namarand (Uwe Stickert, links) schlägt das Angebot des Schahs (Sebastian Pilgrim, rechts) aus. (im Hintergrund: Statistinnen) Regisseur Peter P. Pachl hat das Spiel mit den verschiedenen Zeitebenen noch erweitert, indem er dem Stück eine Rahmenhandlung gibt. Namarand taucht während der Ouvertüre als Mensch der heutigen Zeit über den "Club of Persia" in eine längst vergangene orientalische Märchenwelt ein. Dazu treten verführerische Damen durch eine Drehtür aus dem Club, um zunächst Namarand aller seiner Reichtümer zu berauben und ihn dann für die Zeitreise umzuziehen. Wieso Namarand jedoch in seinem neuen Kostüm zunächst eher wie Old Shatterhand aus einem Karl-May-Film wirkt, bleibt genauso unverständlich wie die Idee, den Genius als einen weiß verhüllten Indianerhäuptling auftreten zu lassen oder den Einsiedler und die Oberpriester in der Wüste wie afrikanische Eingeborene mit bunten Regenschirmen auszustaffieren. Vielleicht erschließen sich diese Ideen, wenn man sich mit Video-Spielen auskennt, da die Handlung der Oper wohl zahlreiche Elemente und Strukturen des Videospiels The Prince of Persia aufweisen soll. Der Unkundige erkennt diese Assoziation schon eher in den Videoeinspielungen von Robert Pflanz, die diesbezüglich nachvollziehbarer sind. Namarand (Uwe Stickert) liebt Mirza (Marisca Mulder). Auch Pachls Versuch, Bezüge zur Gegenwart herzustellen, indem er zwei Perserkatzen mit einer Riesenzange aus einem Kirmes-Automaten herausholen lässt, die sich dann mit dem unsterblichen Namarand einen an Computerspiele erinnernden Kampf auf Leben und Tod liefern, wirkt bei allem Respekt vor der Beweglichkeit der beiden Katzendarsteller Michél Meyer und Kai Siegel doch ein wenig aufgesetzt. Nicht nachvollziehbar bleibt auch, wieso Namarands Diener Hassem seinem Herrn die Haare auf einer Seite abrasieren muss und ihn durch diesen einseitigen Irokesenschnitt regelrecht entstellt. Dabei hat Robert Pflanz ein fantasievolles und wandelbares Bühnenbild entworfen, das mit zahlreichen Würfelelementen in arabischem Design und goldenen Drehtüren durchaus orientalisches Flair vermittelt. Auch die Kostüme des Schahs, des Dieners und der Frauen sind recht orientalisch gehalten. Da hätte es eines Labors mit obendrein störenden Geräuschen, in dem sich Hassem und Zamgrad über Namarands Absichten austauschen gewiss nicht bedurft. Ein Genius (Marisca Mulder) reicht Namarand (Uwe Stickert) den Trank der Unsterblichkeit. (im Hintergrund: Chor) Da es sich um eine Uraufführung handelt, scheint Pachl den Text nahezu unverändert gelassen zu haben, was dazu führt, dass das Stück zahlreiche Längen hat. Die gesprochenen Passagen zwischen den musikalischen Nummern wirken oft ermüdend und zäh. Überhaupt hat man das Gefühl, dass es sich eher um ein Schauspiel mit Musik handelt. Die relativ kurzen Arien, wenn denn mal welche kommen, erinnern stark an Mozart, so dass man auch musikalisch nicht das Gefühl hat, etwas Neues zu entdecken. Vielleicht erklärt diese Enttäuschung auch das heftige Buh-Gewitter, das sich über Pachl am Ende der Aufführung ergießt und wahrscheinlich ein bisschen übertrieben ist, da Pachl, auch wenn nicht jeder Regieeinfall als gelungen betrachtet werden kann, im Großen und Ganzen die Geschichte doch nachvollziehbar erzählt. Vielleicht nimmt ihm das Publikum aber weniger die Regie als vielmehr die Tatsache übel, dass er dieses Werk überhaupt aus der Versenkung gezogen hat. Jedenfalls reagiert Pachl prompt auf den Unmut der Zuschauer, indem er die nächste Aufführung am 2. Mai in einer gekürzten Fassung auf die Bühne bringen will, in der rund 20 Minuten der Dialoge gestrichen werden sollen. Im Gegensatz zum Regisseur werden die Sänger vom Publikum bejubelt. Warum ein einzelner Zuschauer immer wieder lautstark seinen Missmut über das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Samuel Bächli äußern musste, bleibt unverständlich. Schließlich liefert es eine solide Leistung ohne Misstöne ab. Der Chor unter der Leitung von Andreas Ketelhut präsentiert sich homogen und spielfreudig. Vor allem die Damen zeigen komödiantisches Talent, wenn sie mit Gehhilfen in Namarands Vision erscheinen und ihm attestieren, dass er verrückt geworden sei. Reinhard Friedrich gestaltet den Höfling Zamgrad als unberechenbaren Günstling, dem nicht zu trauen ist. Jörg Rathmann stattet Namarands Diener darstellerisch als Mischung aus Pedrillo und Papageno mit beweglichem Spieltenor aus. Sebastian Pilgrim gefällt als Schah Schemzaddin mit kräftigem Bass. Marisca Mulder und Julia Neumann überzeugen als die beiden Lieblingsfrauen Namarands, Mirza und Mandane, mit schönem Sopran, wobei Neumanns Textverständlichkeit ein wenig besser sein könnte und Mulder in den Höhen noch ein bisschen sicherer werden sollte. Uwe Stickert begeistert als Namarand mit höhensicherem Tenor, der für die Partie keine Wünsche offen lässt.
FAZIT Nicht alles, was in den Archiven schlummert, muss unbedingt hervorgeholt werden. Hoffmanns Trank der Unsterblichkeit wird sicherlich keine Unsterblichkeit im Opernrepertoire erlangen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Ausstattung / Video
Chor
Dramaturgie
Statisterie des Theaters Erfurt Solisten
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