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Der Trank der Unsterblichkeit

Romantische Oper in vier Akten (Uraufführung)
Text von Julius von Soden (1806), herausgegeben von Peter P. Pachl
Musik von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
(komponiert 1808)

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Erfurt am 28. April 2012


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Theater Erfurt
(Homepage)

High Score mit Perserkatzen

Von Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff


Im Rahmen des Uraufführungszyklus am Theater Erfurt rechnet man wohl weder mit einer Komposition aus dem Jahr 1808 noch mit E. T. A. Hoffmann als Komponisten, da dieser in Deutschland vorrangig als Schriftsteller bekannt ist. Dass er neben seinen literarischen Werken auch Opern komponiert hat, wird hierzulande eher vernachlässigt. Doch während Hoffmann seine anderen musikalischen Werke zumindest zur Uraufführung brachte, verschwand Der Trank der Unsterblichkeit kurz nach der Komposition in den Archiven, in denen Peter P. Pachl das Stück nun ausfindig gemacht hat. Interessant ist dabei die Entstehungsgeschichte der Oper. Als Hoffmann sich auf eine Stellenanzeige als Musikdirektor für das 1802 von Julius von Soden gegründete Bamberger Theater bewarb, schickte von Soden ihm das 1806 selbst verfasste Libretto als Kompositionsauftrag. In fünf Wochen komponierte Hoffmann darauf eine Oper, die von Soden veranlasste, Hoffmann die Stelle als Musikdirektor anzutragen. Zu einer Aufführung des Werkes kam es indes nicht, vielleicht, weil von Soden kurz darauf an das Würzburger Theater wechselte und sein Nachfolger Franz von Holbein kein Interesse daran hatte, Vertonungen seines Vorgängers zu präsentieren, da er selbst als Librettist tätig war und seine eigenen Werke realisiert sehen wollte - so zum Beispiel Hoffmanns 1812 uraufgeführte heroische Oper Aurora. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass Der Trank der Unsterblichkeit von Soden zwar von Hoffmanns kompositorischen Fähigkeiten, für eine Aufführung jedoch nicht überzeugte.

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Namarand (Uwe Stickert, rechts) befragt den Iman (Dario Süß, links) und die Oberpriester (Chor) nach der Unsterblichkeit.

Die Geschichte geht zurück auf eine Erzählung der irischen Dichterin und Dramatikerin Frances Sheridan, The History of Nourjahad, die 1767 posthum veröffentlicht wurde. Namarand, der Sohn des wohlhabenden Nourjahad, ist auf der Suche nach der Unsterblichkeit und begibt sich zu einem Einsiedler, der ihm rät, eine Priesterversammlung aufzusuchen. Den Hinweis, dass nur die Tugend unsterblich sei, versteht Namarand nicht und geht in seinem Streben nach Unsterblichkeit so weit, das Angebot des Schahs Schemzaddin auszuschlagen, der ihn zum Großwesir ernennen will. Daraufhin wird Namarands Lieblingsfrau Mirza in das Serail des Schahs entführt. Während Namarand noch in Trauer verharrt, erscheint ihm ein Genius, der ihm scheinbar den heiß ersehnten Trank präsentiert. Namarand versinkt in einen Schlaf und hat eine Vision von einer Zukunft, in der alle Menschen, die ihm lieb und teuer sind, gestorben oder gealtert sind und nur er sich nicht verändert hat. Des Weiteren ist sein Traum von ewigem Reichtum, der mit ewigem Leben einhergehen soll, zerplatzt, da der neue Schah ihn als Bedrohung für das System betrachtet und ihn deshalb inhaftieren lässt. Voller Schrecken erwacht Namarand aus diesem Alptraum, erkennt, dass sein Streben nach Unsterblichkeit falsch war, und ist bereit, sich mit den Geschenken der Gegenwart abzufinden. So nimmt er das Angebot des Schahs an, wird Großwesir und erhält Mirza zurück.

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Namarand (Uwe Stickert, links) schlägt das Angebot des Schahs (Sebastian Pilgrim, rechts) aus. (im Hintergrund: Statistinnen)

Regisseur Peter P. Pachl hat das Spiel mit den verschiedenen Zeitebenen noch erweitert, indem er dem Stück eine Rahmenhandlung gibt. Namarand taucht während der Ouvertüre als Mensch der heutigen Zeit über den "Club of Persia" in eine längst vergangene orientalische Märchenwelt ein. Dazu treten verführerische Damen durch eine Drehtür aus dem Club, um zunächst Namarand aller seiner Reichtümer zu berauben und ihn dann für die Zeitreise umzuziehen. Wieso Namarand jedoch in seinem neuen Kostüm zunächst eher wie Old Shatterhand aus einem Karl-May-Film wirkt, bleibt genauso unverständlich wie die Idee, den Genius als einen weiß verhüllten Indianerhäuptling auftreten zu lassen oder den Einsiedler und die Oberpriester in der Wüste wie afrikanische Eingeborene mit bunten Regenschirmen auszustaffieren. Vielleicht erschließen sich diese Ideen, wenn man sich mit Video-Spielen auskennt, da die Handlung der Oper wohl zahlreiche Elemente und Strukturen des Videospiels The Prince of Persia aufweisen soll. Der Unkundige erkennt diese Assoziation schon eher in den Videoeinspielungen von Robert Pflanz, die diesbezüglich nachvollziehbarer sind.

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Namarand (Uwe Stickert) liebt Mirza (Marisca Mulder).

Auch Pachls Versuch, Bezüge zur Gegenwart herzustellen, indem er zwei Perserkatzen mit einer Riesenzange aus einem Kirmes-Automaten herausholen lässt, die sich dann mit dem unsterblichen Namarand einen an Computerspiele erinnernden Kampf auf Leben und Tod liefern, wirkt bei allem Respekt vor der Beweglichkeit der beiden Katzendarsteller Michél Meyer und Kai Siegel doch ein wenig aufgesetzt. Nicht nachvollziehbar bleibt auch, wieso Namarands Diener Hassem seinem Herrn die Haare auf einer Seite abrasieren muss und ihn durch diesen einseitigen Irokesenschnitt regelrecht entstellt. Dabei hat Robert Pflanz ein fantasievolles und wandelbares Bühnenbild entworfen, das mit zahlreichen Würfelelementen in arabischem Design und goldenen Drehtüren durchaus orientalisches Flair vermittelt. Auch die Kostüme des Schahs, des Dieners und der Frauen sind recht orientalisch gehalten. Da hätte es eines Labors mit obendrein störenden Geräuschen, in dem sich Hassem und Zamgrad über Namarands Absichten austauschen gewiss nicht bedurft.

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Ein Genius (Marisca Mulder) reicht Namarand (Uwe Stickert) den Trank der Unsterblichkeit. (im Hintergrund: Chor)

Da es sich um eine Uraufführung handelt, scheint Pachl den Text nahezu unverändert gelassen zu haben, was dazu führt, dass das Stück zahlreiche Längen hat. Die gesprochenen Passagen zwischen den musikalischen Nummern wirken oft ermüdend und zäh. Überhaupt hat man das Gefühl, dass es sich eher um ein Schauspiel mit Musik handelt. Die relativ kurzen Arien, wenn denn mal welche kommen, erinnern stark an Mozart, so dass man auch musikalisch nicht das Gefühl hat, etwas Neues zu entdecken. Vielleicht erklärt diese Enttäuschung auch das heftige Buh-Gewitter, das sich über Pachl am Ende der Aufführung ergießt und wahrscheinlich ein bisschen übertrieben ist, da Pachl, auch wenn nicht jeder Regieeinfall als gelungen betrachtet werden kann, im Großen und Ganzen die Geschichte doch nachvollziehbar erzählt. Vielleicht nimmt ihm das Publikum aber weniger die Regie als vielmehr die Tatsache übel, dass er dieses Werk überhaupt aus der Versenkung gezogen hat. Jedenfalls reagiert Pachl prompt auf den Unmut der Zuschauer, indem er die nächste Aufführung am 2. Mai in einer gekürzten Fassung auf die Bühne bringen will, in der rund 20 Minuten der Dialoge gestrichen werden sollen.

Im Gegensatz zum Regisseur werden die Sänger vom Publikum bejubelt. Warum ein einzelner Zuschauer immer wieder lautstark seinen Missmut über das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Samuel Bächli äußern musste, bleibt unverständlich. Schließlich liefert es eine solide Leistung ohne Misstöne ab. Der Chor unter der Leitung von Andreas Ketelhut präsentiert sich homogen und spielfreudig. Vor allem die Damen zeigen komödiantisches Talent, wenn sie mit Gehhilfen in Namarands Vision erscheinen und ihm attestieren, dass er verrückt geworden sei. Reinhard Friedrich gestaltet den Höfling Zamgrad als unberechenbaren Günstling, dem nicht zu trauen ist. Jörg Rathmann stattet Namarands Diener darstellerisch als Mischung aus Pedrillo und Papageno mit beweglichem Spieltenor aus. Sebastian Pilgrim gefällt als Schah Schemzaddin mit kräftigem Bass. Marisca Mulder und Julia Neumann überzeugen als die beiden Lieblingsfrauen Namarands, Mirza und Mandane, mit schönem Sopran, wobei Neumanns Textverständlichkeit ein wenig besser sein könnte und Mulder in den Höhen noch ein bisschen sicherer werden sollte. Uwe Stickert begeistert als Namarand mit höhensicherem Tenor, der für die Partie keine Wünsche offen lässt.

FAZIT

Nicht alles, was in den Archiven schlummert, muss unbedingt hervorgeholt werden. Hoffmanns Trank der Unsterblichkeit wird sicherlich keine Unsterblichkeit im Opernrepertoire erlangen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Samuel Bächli

Inszenierung
Peter P. Pachl

Ausstattung / Video
Robert Pflanz

Chor
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Arne Langer


Opernchor des Theaters Erfurt

Statisterie des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt


Solisten

*Besetzung der Premiere

Namarand
Uwe Stickert

Schemzaddin, Schah von Persien
Sebastian Pilgrim

Hassem, Namarands Diener
Jörg Rathmann

Mirza / Genius
Marisca Mulder

Mandane
Julia Neumann

Zamgrad, Höfling des Schahs
Reinhard Friedrich

Ein Einsiedler
Christian Schlegel

Iman / Offizier der Leibwache
Dario Süß

Oberpriester
*Wieland Lemke /
Gonzalo Simonetti

Fatime
Nicole Enßle

Theone
Sylvia Wiryadi

Zaide
Antje Koark

Perserkatzen
Michél Meyer
Kai Siegel


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