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Musiktheater
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Robert le Diable
(Robert der Teufel)

Oper in fünf Akten
Text von Eugène Scribe und Germain Delavigne
Musik von Giacomo Meyerbeer


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Erfurt am 16. September 2011
(rezensierte Aufführung: 01.10.2011)


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Theater Erfurt
(Homepage)

Held ohne Heldentum

Von Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff


Betrachtet man, welche Komponisten das Musiktheater des 19. Jahrhunderts beherrscht haben, lässt sich die Zeit ganz grob in drei Abschnitte unterteilen, wobei die prägenden Komponisten von zwei dieser drei Abschnitte heute durchaus noch ihren festen Platz im Repertoire haben. Damit sind Rossini für das erste Drittel und Verdi und Wagner für das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts gemeint. Der Komponist, der das zweite Drittel des vorletzten Jahrhunderts als seine Ära beanspruchen kann, ist jedoch heutzutage größtenteils von den Opernbühnen verschwunden, auch wenn es hie und da immer wieder Versuche gibt, ihn wieder in das Bewusstsein des Publikums zurückzuholen: Giacomo Meyerbeer. Seine Grand Opéra beherrschte ab 1831 nicht nur die Pariser Opernbühne, sondern gehörte von da an auch rund 100 Jahre zum festen Repertoire in ganz Europa. Dass er in Vergessenheit geriet, ist zum einen der harschen Kritik Wagners geschuldet, der Meyerbeers Musik als Wirkung ohne Ursache kritisierte, ein Vorwurf, der von späteren Musikkritikern immer wieder aufgegriffen wurde. Zum anderen tat das Aufführungsverbot der Opern Meyerbeers unter den Nationalsozialisten ab 1933 sein Übriges, die Werke des Wahlfranzosen für viele Jahr von den Spielplänen zu verbannen. Nun unternimmt das Theater Erfurt in einer Koproduktion mit der Opéra de Monte Carlo den Versuch, eine Meyerbeer-Renaissance anzustoßen. Bedenkt man, dass in dieser Spielzeit auch in Würzburg L'Africaine und in Strasbourg Les Huguenots zu erleben sind, könnte dieser Versuch vielleicht von Erfolg gekrönt sein.

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Alice (Ilia Papandreou) kämpft um Roberts (Erik Fenton) Seele.

Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass Meyerbeers Werke einerseits musikalisch sehr hohe Anforderungen an die Sänger stellen, die besonders kleinere Häuser von Aufführungen Abstand nehmen lassen, andererseits aber auch dramaturgische Schwierigkeiten für die Inszenierung aufweisen, die für einen Regisseur den einen oder anderen Stolperstein beinhalten. So stellt sich bei Robert le Diable beispielsweise die Frage, wie man die aus einer Volkssage des Mittelalters stammende Geschichte um den Herzog Robert, der seinen Eltern nur geschenkt wurde, weil sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, und um dessen Seele nun nach dem Tod der Mutter sein von ihm unerkannter Vater Bertram auf der einen Seite und die schwesterliche Freundin Alice auf der anderen Seite kämpfen, überhaupt inszenieren soll, ohne dabei in völligen Kitsch abzudriften. Das Regieteam um Jean-Louis Grinda hat sich dazu überlegt, die Geschichte in einem Hospital der Wahnsinnigen im 19. Jahrhundert spielen zu lassen, das mit einem tief nach hinten führenden Raum in Backsteingotik (Bühnenbild: Hank Irwin Kittel) an die Schauerromantik des besagten Jahrhunderts erinnert. Bertram und Alice treten in diesem Hospital als Ärzte in weißen Kitteln auf. Die übrigen Figuren des Stückes scheinen Patienten der Anstalt zu sein, die sich mit Plastikschwertern als Ritter fühlen, wie beispielsweise Robert und Alberti, oder Puppen und Schmusedecken liebkosen.

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Isabelle (Claudia Sorokina, links) im Behandlungsstuhl (rechts: Susann Vent als Isabelles Begleiterin).

Schon während der Ouvertüre inszeniert Grinda die Vorgeschichte. Roberts Mutter sitzt gefesselt in einem Behandlungsstuhl, während Bertram die Fesseln an den Handgelenken noch strammer anzieht und ihr anschließend die Beine auseinanderdrückt, bevor sich der Vorhang wieder schließt und den restlichen gewaltsamen Zeugungsakt Roberts der Phantasie des Publikums überlässt. Interessant ist bei diesem Interpretationsansatz, dass Roberts Mutter als Opfer betrachtet wird, also nicht aus freien Stücken den Pakt mit dem Teufel für den Erhalt eines Sohnes eingegangen ist, sondern Bertram die alleinige dämonische Macht in diesem Spiel ist, was gemäß Libretto durchaus stimmig ist, da es ja letztendlich auch der Brief der Mutter ist, der Alice im Kampf um Roberts Seele gegen die Macht des Bösen siegen lässt. Diskutabler hingegen ist es, Roberts Geliebte Isabelle ebenfalls in diesen Behandlungsstuhl zu setzen. Während sie im ersten Bild in ihrem hellen geblümten Kleid eher etwas unmotiviert unter den Patienten wandelt, die sich am Ritterspiel erfreuen, wird sie im zweiten Bild von ihrer Begleiterin, die zum Pflegepersonal zu gehören scheint, gemahnt, in dem Behandlungsstuhl zu verweilen und ihre Medizin zu nehmen. Soll Isabelle in diesem Stuhl den gleichen Ritus mit Robert vollziehen wie einst Roberts Mutter? Dagegen spricht das Libretto und die Inszenierung, da Robert ja immer wieder von seiner Angebeteten fortgeführt wird. Genauso unklar bleibt der Einsatz eines kleinen roten Büchleins, in dem Robert häufig liest und Notizen macht. Ist er selbst auf der Suche nach der eigenen Identität? Schließlich weiß er (noch) nicht, dass Bertram sein Vater ist. Er kennt nur seine Mutter und die Geschichte, die Raimbaut im ersten Bild von Robert dem Teufel erzählt.

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Bertram (Vazgen Ghazaryan) unter Zugzwang: Er schuldet dem Teufel Roberts Seele.

Die größte Herausforderung für jeden Regisseur dürfte die Umsetzung des berühmten Nonnenballetts sein, in dem bei der Uraufführung dem Publikum zum ersten Mal der Spitzentanz in der Oper präsentiert wurde. Bertram beschwört die Geister der gefallenen Nonnen, Robert dazu zu verführen, vom Grab der heiligen Rosalie einen immergrünen magischen Zweig zu stehlen, mit dem Robert der bösen Macht auf ewig verfallen wäre. Die verstorbenen Nonnen befinden sich in Grindas Inszenierung zunächst in einer Kühlkammer eines Leichenschauhauses. Unter großen Lichteffekten öffnen sich die Kammern und geben den Blick auf drei in Plastik verhüllte Körper frei. Langsam schälen sich die drei Gestalten aus dem Plastiküberzug und krabbeln in geschmeidigen Bewegungen aus den Kammern. Dabei sehen sie aus wie Mumien mit leicht verfilzten Haaren und einem schwachen Kreuz auf der Brust, was wie eingebrannt wirkt. Ihr Verführungstanz ist vom Spitzentanz weit entfernt, hält aber gerade durch die modernen Bewegungen die schaurige Atmosphäre der Situation. So üben sie mit ihrem surrealen Spiel eine Faszination auf Robert aus, die ihn dazu verleitet, den magischen Zweig wirklich an sich zu nehmen. Wenn er den Zweig im nächsten Bild einsetzt, um Isabelles Vermählung mit dem Prinzen von Granada zu verhindern, treten die drei Geisternonnen wieder auf und verschwinden erst, als Isabelles Flehen Robert dazu bringt, den magischen Zweig zu zerbrechen und damit den Zauber zu lösen.

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Die gefallenen Nonnen (Nadja Dagis, Corinna Horvath und Sandra Lommerzheim) verführen Robert, den magischen Zweig zu stehlen.

Besonders gelungen ist der Showdown im letzten Bild. Bertram führt Robert in eine gotische Kapelle, in der das Kreuz und der Altar ebenso mit Plastik überzogen sind wie die Nonnen in der Leichenkammer des vierten Bildes. Hier gibt sich Bertram als Roberts Vater zu erkennen, und es kommt in sehr intensivem Spiel zum Kampf zwischen Alice und Bertram um Roberts Seele. Als sich Robert schließlich für den Brief der Mutter und damit für die gute Seite entscheidet, sticht er Bertram nieder. Sofort stürmen die ganzen Insassen des Hospitals die Bühne und nehmen ebenfalls Rache an dem Arzt Bertram. Die Pflegerin, die Isabelle die ganze Zeit beaufsichtigt hat, legt ihren weißen Kittel ab und solidarisiert sich mit den Patienten. Robert hat sich vom Teufel befreit wie die Insassen von ihrem Wahn oder zumindest von dem sie unterdrückenden Personal. Einzig unklar bleibt, wieso auch Alice zu Boden sinkt und in den Armen ihres Bräutigams zu sterben scheint. Soll dies das Opfer von Roberts Mutter symbolisieren, um Robert den finsteren Mächten, denen er schon angehört hat, zu entziehen? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten.

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Showdown in der Kapelle: Alice (Ilia Papandreou) und Bertram (Vazgen Ghazaryan, Mitte) ringen um Roberts (Erik Fenton) Seele.

Musiziert und gesungen wird auf sehr hohem Niveau. Dabei ist vor allem zu erwähnen, dass das Theater Erfurt mit Ausnahme von zwei Gästen die anspruchsvollen Partien mit Ensemblemitgliedern sehr hochrangig besetzen kann. Ilia Papandreou gestaltet die Rolle der Alice mit sehr dramatischem Sopran und veranlasst mit ihrer hervorragenden Stimmführung das Publikum dazu, mehrmals den Versuch zu unternehmen, den Fluss der Musik durch Szenenapplaus zu unterbrechen. Vazgen Ghazaryan stattet den Bösewicht Bertram mit einem regelrecht diabolischen Bass aus, bei dessen bedrohlichen Tiefen man als Zuhörer eine Gänsehaut bekommt. Auch die übrigen Ensemblemitglieder und der Chor unter der Leitung von Andreas Ketelhut überzeugen in den kleineren Partien. Claudia Sorokina begeistert als Isabelle mit geradezu mörderischen Koloraturen, ohne dabei schrill zu klingen. Die Erfurter dürfen sich freuen, dass sie bei den DomStufen-Festspielen 2012 in Verdis Die Lombarden als Giselda erneut zu erleben sein wird. Erik Fenton ist in Erfurt kein Unbekannter, da er noch bis 2010 zum festen Ensemble gehörte. Mit strahlendem Tenor gelingt ihm ein Robert, der allen Anforderungen mehr als gerecht wird. Selbst die hohen Ds meistert er mit Bravour. Samuel Bächli rundet mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt in Kooperation mit der Thüringen Philharmonie Gotha den Abend musikalisch zu einer regelrechten Sternstunde ab. Lang anhaltender Applaus für alle Beteiligten am Ende der Vorstellung.

FAZIT

Das Theater Erfurt zeigt, wie wertvoll eine Auseinandersetzung mit dem Oeuvre Meyerbeers auch heute noch sein kann. Prädikat: Sehr empfehlenswert.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Samuel Bächli

Inszenierung
Jean-Louis Grinda

Bühne
Hank Irwin Kittel

Kostüme
Carola Volles

Chor
Andreas Ketelhut

Choreographie
Eugénie Andrin

Licht
Stefan Winkler

Dramaturgie
Berthold Warnecke


Opernchor des Theaters Erfurt

Statisterie des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt
Kooperation mit der Thüringen
Philharmonie Gotha


Solisten

Robert
Erik Fenton

Bertram
Vazgen Ghazaryan

Raimbaut
Richard Carlucci

Alice
Ilia Papandreou

Isabelle
Claudia Sorokina

Ihre Begleiterin
Susann Vent

Alberti
Gonzalo Simonetti

Ein Herold
Christoph Dyck

Zeremonienmeister
Ralf Lindner  

Die drei Nonnen
Nadja Dagis
Corinna Horvath
Sandra Lommerzheim


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Theater Erfurt
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