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L'Étoile

Opéra-bouffe in drei Akten
Text von Eugène Leterrier und Albert Vanloo
Musik von Emmanuel Chabrier


In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (keine Pause)

Premiere an der Oper Frankfurt am 2. Oktober 2011



Oper Frankfurt
(Homepage)
Verspätung

Von Roberto Becker / Fotos von Wolfgang Runkel

Es ist schon ein ziemlich schräger Humor, mit dem sich das amüsierwillige Publikum da in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts unterhalten ließ. Da lässt nämlich ein königlicher Volltrottel alljährlich an seinem Geburtstag irgendein armes Würstchen pfählen, und alle finden das lustig. Sie tun zumindest so. So ganz sicher über seine Beliebtheitswerte beim Volk ist sich dieser König Ouf I. aber nicht. Denn er geht, gleich zu Beginn, in natürlich leicht durchschaubarer Maske, unters Volk und macht seine eigene Meinungsumfrage. Da man ihn erkannt hat, hört er nur das fade Lob der Könige. Nur der auswärtige Straßenhändler Lazuli, der ihn nicht (er-)kennt, lässt sich provozieren, verpasst ihm eine Ohrfeige und wird so im Handumdrehen zum aktuellen Hinrichtungskandidaten. Da taucht, strenger Operettenlogik folgend, der Astrologe des Königs Siroco mit der Vorhersage auf, dass der König genau einen Tag nach dem Delinquenten das Zeitliche segnen wird. Dass der König seinen Wahrsager für treue Dienste in seinem Testament damit „belohnt“ hat, ihm eine Viertelstunde nach dem eigenen Ableben ins Totenreich zu folgen, wirkt da wie eine Retourkutsche, führt aber dazu, dass der König und seine Sterngucker ab sofort um das Wohl Lazulis besorgt sind.

Vergrößerung in neuem Fenster Christophe Mortagne (König Ouf I.; auf dem Sessel sitzend)

So schnell geht das im Reiche Oufs, und schon ist der fast schon Tote der sorgsam umhegte und bewachte Staats- bzw. Königsliebling Nr. 1. Irgendwas fehlt da noch. Ach ja, eine Liebesgeschichte muss noch sein. Für die sorgt die als Braut für Ouf vorgesehene Prinzessin Laoula, die sich bei ihrer Anreise (nebst schrulligem Minister und Gattin) natürlich in Lazuli verliebt hat. Nach einem kleinen, für Verwirrung und Todesängste beim König sorgenden, Flucht-Intermezzo Lazulis, endet das Ganze in einem großen Happyend, wobei der Straßenhändler natürlich die Prinzessin heiraten darf. Wie das Leben eben so spielt. 

Vergrößerung in neuem Fenster

Im Handumdrehen vom Todeskandidaten zum verhätschelten Staatsliebling: Paula Murrihy (Lazuli, links in schwarz-goldenem Morgenmantel)

Der Wagnerianer Chabrier, der sich selbst beim Abschreiben der Tannhäuser-Partitur das Orchestrieren beigebracht hatte, wetteifert bei der Vertonung dieses höheren Operettenblödsinnes aber wohlweißlich nicht mit Wagner, sondern eher mit Offenbach. Und findet dabei durchaus zu Charme, Leichtigkeit und aufgeschäumtem Witz. Ohne Berührungsängste vor Genregrenze wird auch in Frankfurt ausnehmend viel (französisch) gesprochen beim Aufgehen dieses Sterns. Da sich der Witz nur via Übertitel erschließt, ist es im Grunde etwas zu viel des Guten, wodurch das musikalische Tempo dann doch hin und wieder ausgebremst wird.

Vergrößerung in neuem Fenster Hier schaut Lazuli (Paula Murrihy) noch zweifelnd aus – am Ende kommt der Straßenhändler aber groß heraus

Musikalisch ist der Zugang zu Chabriers Musik, dank Offenbachs Präsenz auf unseren Bühnen, auch heute kein Problem. Und die Protagonisten, die die Oper Frankfurt aufbietet, sind spielfreudig und vermögen durchweg Gesang und Sprache perfekt miteinander zu verbinden. Mit Christopher Mortagne steht ein Ouf zur Verfügung, der mit dem Charme des Boulevards als königlicher Blödmann immer noch einen Rest von Gefährlichkeit bewahrt und zudem vokal auf der Höhe ist. Musikalisch am dankbarsten ist die Hosenrolle des Lazuli, bei deren arioser Ausstattung Paula Murrihy beeindruckt. Mit leichtem, spielerischem Charme stattet Juanita Lascarro die Prinzessin Laoula aus, während Sharon Carty mit ihren kurzen aber fulminanten Auftritten als Gattin des Ministers Fürst Hérisson de Porc-Epic (komödiantenstandfest: Michael McCown) Eindruck macht.

Der designierte GMD der Komischen Oper Berlin Henrik Nánási setzt auf das feingewobene Raffinement der Partitur. Manchmal freilich hätte man sich gewünscht, dass es der Ungar etwas mehr hätte krachen lassen. Wie schon in Berlin an der Lindenoper unter Simon Rattle geht die Frankfurter Produktion musikalisch mehr als nur in Ordnung. Wobei Rattle sich und dem Publikum noch den historischen Spaß gegönnt hatte, eine hübsche Tristan-Variation Chabriers einzubauen. Diese Freiheit nahm man sich in Frankfurt nicht.

Vergrößerung in neuem Fenster

Ankunft auf dem Flughafen: v.l.n.r.: Juanita Lascarro (Prinzessin Laoula), Michael McCown (Fürst Hérisson de Porc-Epic), Julian Prégardien (Tapioca) und Sharon Carty (Aloès)

Dafür durfte man hier mit der Auswahl des Regisseurs David Alden nicht nur auf die Hilfe des berühmten englischen Humors, sondern auch einen beherzt aufmischenden Zugang auf diese besonders abstruse Story hoffen. Alden und sein Ausstatter Gideon Davey geizen denn auch nicht mit Einfällen in Ausstattung und szenischem Detail. Doch dass wirklich große Feuerwerk, das die Geschichte in ein radikal anderes, erhellend verqueres Licht taucht, findet nicht statt. Alden bleibt nämlich für seine Verhältnisse erstaunlich stilisiert und auf eine Hochglanzoberfläche orientiert. Vor dem dezent beleuchteten Halbrund eines öffentlichen Platzes etwa taucht der Chor zu Beginn in Einheitskleidung mit den Köpfen hinter einer (vermutlich) beherrschenden Einheitszeitung auf. Auch die Paramilitärs und die durchaus tatkräftige Sicherheitspolizei des Königs legen eine falsche Deutungs-Fährte. Die Flughafen-Atmosphäre mit Uniformen einer Billig-Airline und einem Förderband für ankommende Gäste ist einfach zweckmäßig. Wenn dann aber in der Designer-Suite für Lazuli der üppige Stubenmädchen-Personalbestand mittels Erwürgen oder Abschießen reduziert wird, dann ist man beim (vermutlich) britischen Humor angelangt. Und bleibt dort. Mit offenen Särgen und großer Digitaluhr. Mit Rampenballett und Sofagerammel. Und mit einem Penner-Astrologen, der seine eigene Show abzieht.

Beim Premieren - Publikum kam diese Mischung an. In Frankfurt lag die Chabrier-Ausgrabung terminlich zwischen Othmar Schoecks Penthesilea und der Ringfortsetzung mit Siegfried – was die freundliche Aufnahme als Abwechslung sicher begünstigt hat.


FAZIT

Auch wenn sich französischer Bühnenleichtsinn und englischer Humor mit einem ungarischen Dirigenten im Graben begegnen, muss nicht gleich der große, unbekannte Operetten-Stern aufgehen. Zum einem kleinen Feuerwerk mit vielen Sternchen aber langt es allemal.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Henrik Nánási

Regie
David Alden

Bühnenbild und Kostüme
Gideon Davey

Choreographie
Beate Vollack

Chor
Michael Clark

Dramaturgie
Zsolt Horpácsy


Chor der Oper Frankfurt

Frankfurter Museumsorchester


Solisten

König Ouf I.
Christophe Mortagne

Lazuli
Paula Murrihy

Prinzessin Laoula
Juanita Lascarro

Siroco
Simon Bailey

Fürst Hérisson de Porc-Epic
Michael McCown

Aloès
Sharon Carty *

Tapioca
Julian Prégardien

Patacha
Hans-Jürgen Lazar

Zalzal
Sebastian Geyer



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







Da capo al Fine

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