Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Musical mit
Comic-Zeichnungen Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski (© Musiktheater im Revier)
Sukie (Anke Sieloff, links), Jane (Jeanette Claßen, Mitte) und Alexandra (Stefanie Dietrich, rechts) genießen ihr Leben mit Darryl. Die Geschichte spielt in der spießbürgerlichen Kleinstadt Eastwick in der amerikanischen Provinz, wo die sittenstrenge Bürgermeisterin Felicia Gabriel das Sagen hat und den moralischen Kodex definiert. In dieser spießigen Gesellschaft nehmen die drei geschiedenen Frauen Alexandra, Sukie und Jane eine Außenseiterrolle ein, was sich erst ändert, als der als Kunstsammler getarnte Darryl van Horne auftaucht und das alte Lenox-Haus kauft, welches Felicia eigentlich unter Denkmalschutz stellen wollte. Nacheinander verführt er Alexandra, Sukie und Jane und unterweist sie in ihren bis dahin schlummernden magischen Kräften. Zunächst genießen die Frauen ihre neu gewonnenen Fähigkeiten, bis ihr Spiel dazu führt, dass Felicia von ihrem Mann Clyde umgebracht wird. Die drei Frauen fühlen sich an Felicias Tod und Clydes anschließendem Selbstmord schuldig und ziehen sich von Darryl zurück, was dieser nicht akzeptieren will. Um sich zu rächen, verführt er Felicias Tochter Jennifer, die eigentlich mit Alexandras Sohn Michael liiert war. Als er Jennifer vor den Traualtar führen will, wenden Alexandra, Sukie und Jane ihre erlernten Kräfte an und befördern Darryl mittels einer Voodoo-Puppe direkt in die Hölle. Allerdings wird Darryl nicht vollkommen aus ihrem Leben verschwinden, da sie feststellen müssen, dass sie alle drei schwanger sind und damit ein Kind des Teufels in ihnen heranwächst. Die Bürger von Eastwick (Ensemble) beobachten das Lotterleben der drei Hexen sehr argwöhnisch. Für die zahlreichen Szenenwechsel und die magischen Momente hat der Comic-Künstler Fufu Frauenwahl faszinierende Illustrationen im Hintergrund entwickelt. So ermöglichen die Projektionen ohne weiteren Umbau Ortswechsel, wie man sie aus dem Film gewohnt ist. Für die einzelnen Handlungsorte hat Frauenwahl charakteristische Bilder gefunden, die die Figuren trefflich beschreiben. Die Sauberkeit der Kleinstadt wird durch spießige Häuschen dargestellt, bei denen die weißen, geraden Holzzäune für eine strikte Einhaltung von Normen stehen. Diese Pedanterie und Akkuratesse findet man vor allem auch in Felicias Haus, während das Lenox-Haus schon eher einem Labyrinth gleicht und nach Darryls Einzug unheimliche Züge annimmt. Besonders gelungen sind die Verführungsszenen. Während Darryl Janes Herz gewinnt, indem er ihr hilft, sich durch die Musik von ihren Zwängen zu befreien, tanzen diverse Notenzeichen auf dem Hintergrund, die verdeutlichen, dass Jane das verborgene Talent, das in ihr schlummerte, jetzt herauslassen kann. Gleiches gilt für Sukie, die ihre Stotterei überwinden kann, wenn sich im Hintergrund aus den zahlreichen Buchstaben endlich Wörter formen. Alexandra gewinnt durch Darryl neues Selbstvertrauen, indem sie eine gewisse körperliche Fülle durchaus wieder als begehrenswert wahrnehmen kann. So wird in den Hintergrund eine etwas fülligere Skulptur projiziert, die von Noten und Buchstaben umtanzt wird. Ein ähnlich faszinierendes Bild entwickelt Frauenwahl am Ende des ersten Aktes, wenn Darryl die drei Hexen in seinem Heim schweben lässt. Durch die Perspektive des Daches und die besondere Lichteinstellung (Gerrit Jurda) hat man wirklich den Eindruck, dass die drei Frauen abheben. Auch gewisse Splatter-Momente dürfen nicht fehlen. So werden die diversen Gegenstände, die Felicia ausspuckt, natürlich auf den Hintergrund geworfen, und auf den Boden spritzt das Blut, wenn Clyde seine Frau erschlägt. Darryl (Kristian Vetter) erfüllt Jane (Jeanette Claßen, links), Sukie (Anke Sieloff, Mitte) und Alexandra (Stefanie Dietrich, rechts) jeden Wunsch. Das Bühnenbild von Heike Meixner passt sich gut an diese ständig wechselnden Illustrationen an. Auf der rechten und linken Seite steht jeweils ein großer abgestorbener Baum, der die spießige und blutleere Gesellschaft von Eastwick repräsentiert. Eine geschwungene Treppe auf der linken Seite führt mal auf einen Felsen, mal aus dem Haus oder in ein anderes Stockwerk. In der Mitte befindet sich ein sechseckiges hölzernes Podest, das variabel einsetzbar ist. So lässt sich in der Mitte ein kreisrunder Sockel einerseits hochfahren und in Felicias Haus eine für Clyde dringend notwendige Bar mit alkoholischen Getränken offenbaren. Andererseits lässt er sich herabfahren und lädt mit weiterer Öffnung des Podestes die drei Hexen zu einem verführerischen Bad mit Darryl ein. Am Ende stellt dieses Loch, umgeben von wehenden flammenförmigen Tüchern, auch die Hölle dar, in die Darryl zurückkehrt. Weitere Bühnenelemente werden von den Darstellern selbst in der jeweiligen Szene aufgebaut. Zu nennen ist hier die Wäscheleine, die von den Bürgen von Eastwick aufgehängt wird, wenn sie "Schmutz und Unrat" ("Dirty Laundry") in der Stadt besingen. Die Kostüme, für die ebenfalls Heike Meixner verantwortlich zeichnet, sind zeitgemäß gehalten und lassen den Wandel der drei Protagonistinnen gut nachvollziehen, die zu Beginn nicht in die Gesellschaft passen, weil sie in ihrem unkonventionellen Outfit nicht den Normen der Kleinstadt entsprechen, und im Verlauf des Stückes herausstechen, weil sie in mondänen Kleidern die gesittete Ordnung Eastwicks durchbrechen. Bei den übrigen Bürgern Eastwicks sind die Kostüme stereotyp gehalten. Darryl (Kristian Vetter, Mitte oben) fordert Michael (Julian Culemann, Mitte unten) und die Bürger von Eastwick (Ensemble) zum "Tanz mit dem Teufel" auf. Musikalisch bleiben vor allem vier Nummern im Ohr. Zunächst einmal ist das Ensemble-Stück "Schmutz und Unrat" ("Dirty Laundry") zu nennen, in dem sich die Bürger von Eastwick über das unmoralische Verhalten der drei Hexen und Darryl echauffieren. In einer großartigen Choreographie von Kati Farkas treten hier Studenten der Folkwang Universität der Künste Essen gemeinsam mit Mitgliedern des Balletts auf, um kleinbürgerlich den neuesten Klatsch und Tratsch beim Aufhängen der Wäsche auszutauschen. In dieser Nummer würzt der Komponist Dana P. Rowe das Stück mit einer erfolgreichen Portion Revuecharakter. Ebenfalls eingängig ist der "Tanz mit dem Teufel" ("Dance With The Devil") im zweiten Akt, in dem Darryl die männliche Bevölkerung Eastwicks unterweist, wie man eine Frau zum sexuellen Höhepunkt bringen kann, und er in erster Linie Alexandras Sohn Michael über dessen Liebeskummer mit Jennifer hinweghelfen will. Darryls Auftrittslied "Darryl van Horne" versprüht musikalisch etwas Diabolisches, und der Schlussgesang "Schaut mich an" ("Look At Me") der drei Hexen am Ende des Stückes, nachdem sie Darryl besiegt haben und in ihrem Selbstbewusstsein gewachsen sind, stellt einen musikalisch fulminanten Abschluss des Musicals dar. Die weiteren Musiknummern sind recht gefällig, reichen aber sicherlich nicht aus, dieses Musical unter die großen Vertreter seiner Gattung zu heben. Dramaturgisch unnötig bleibt der Einsatz des kleinen Mädchens, das zwischen einzelnen Szenen kommentierend auftritt, dem Zuschauer aber keine weiterführenden Einblicke gewinnen lässt. Neben der stimmigen Inszenierung von Gil Mehmert, der durchdachten Choreographien von Kati Farkas und den eindrucksvollen Illustrationen von Fufu Frauenwahl trägt die Besetzung ebenfalls nicht unerheblich dazu bei, dass das Musiktheater erneut an eine jahrelange Tradition großer Musical-Produktionen anknüpfen kann. Natürlich darf in einer solchen Aufführung das langjährige Ensemble-Mitglied Anke Sieloff nicht fehlen, die in den vergangenen Jahren in zahlreichen Musical-Revuen glänzen konnte. Auch als Sukie Rougement hat sie nichts von ihrem Charme eingebüßt und beweist, dass sie neben dem Gesang auch den Tanz - sogar auf Spitze - beherrscht und in den Choreographien eine hervorragende Figur macht. Gemeinsam mit Jeanette Claßen als Jane und Stefanie Dietrich als Alexandra mimt sie ein Hexen-Trio, das sich darstellerisch nicht hinter den legendären Film-Ikonen verstecken muss. Gudrun Schade begeistert als sittenstrenge Felicia Gabriel in ihrem grauen Kostüm, mit der man aufgrund ihrer intensiven Darstellung nur wenig Mitleid entwickeln kann, vielleicht aber auch gerade deshalb, weil sie dem beliebten Ensemble-Mitglied Joachim G. Maaß als Clyde mit ihren ständigen boshaften Bemerkungen das Leben regelrecht zur Hölle macht. Julian Culemann und Anne Preckeler geben als Michael und Jennifer ein schönes Paar mit geeigneten Musical-Stimmen ab. Auch die Mitglieder des Chors, des Balletts und der Folkwang Universität der Künste Essen gefallen in den kleineren solistischen Partien.
Die größte Herausforderung hat
Kristian Vetter als Darryl van Horne zu bewältigen, da er letztendlich gegen den
charismatischen Jack Nicholson antreten muss, der diese Rolle in dem Film
nachhaltig geprägt hat. Vetter versucht aber keinesfalls, Nicholson zu
imitieren, sondern findet einen ganz eigenen Weg, dieser Figur diabolische Züge
zu geben. Großes darstellerisches Talent beweist er beispielsweise in seinen
drei Verführungsszenen, bei denen er seinen Charme überzeugend einsetzt. Aber
auch sein Auftrittslied "Darryl van Horne" und sein Lehrstück "Tanz mit dem
Teufel" beweisen die darstellerischen und gesanglichen Fähigkeiten Vetters. So
gibt es am Ende großen und lang anhaltenden Applaus für eine Inszenierung, die
wohl vor allem darauf abzielt, auch ein jüngeres Publikum ins Theater zu locken.
Bei dieser zweiten Aufführung ist dieses Vorhaben jedenfalls gelungen.
FAZIT Unterhaltsames und kurzweiliges
Musical, das vor allem von den Illustrationen und den Darstellern lebt. (Weitere
Termine in dieser Spielzeit: 23. Juni 2012, 7. und 8. Juli 2012, Wiederaufnahme
in der neuen Spielzeit ab 7.10.2012)
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Ausstattung Illustrationen Licht und Projektionen Choreographie
Dramaturgie Band Bass Saxophon Schlagzeug Keyboard Gitarre Trompete Posaune Violine Violoncello
Solisten*rezensierte Aufführung
Jane Smart, Musiklehrerin
Alexandra Spofford, Bildhauerin
Sukie Rougement, Journalistin Darryl van Horne
Felicia Gabriel
Clyde Gabriel, ihr Mann
Michael Spofford, Sohn von Alex Jennifer Gabriel,
Tochter von Felicia
Kleines Mädchen
Fidel, Diener van Hornes
Rebecca Barnes
Gina Marino
Joe Marino
Brenda Parsley
Reverend Ed Parsley
Greta Neff
Raymond Neff
Marge Persley, Immobilienmaklerin
Bürger von Eastwick
|
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de