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Goldfisch-Variationen (UA)

Tanzstück von Annett Göhre
Musik: The Goldberg Variations adaptiert, arrangiert und komponiert von Uri Caine
nach Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen


Aufführungsdauer: ca. 1 h 55' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier am 15. Oktober 2011
(rezensierte Aufführung: 23.10.2011)


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Musiktheater im Revier
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Ein Hauch von Pina

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Lange wurde spekuliert, wo es mit der Ballettsparte in Gelsenkirchen nach dem Weggang Bernd Schindowskis hingehen würde, ob sie überhaupt bestehen bleiben könne oder gar dem Rotstift geopfert werden müsse. Intendant Michael Schulz hat etwaige Gerüchte über eine Spartenschließung stets dementiert, und auch wenn man für diese Spielzeit mit Ja
š Otrin als Manager nur eine Interimslösung gefunden hatte, wurde rechtzeitig zu Beginn der Spielzeit bekannt, dass Bridget Breiner ab der kommenden Spielzeit die neue Ballettdirektorin der Tanztheatersparte wird, die sich ab dieser Spielzeit "Ballett im Revier" nennt. Dass Breiner in dieser Spielzeit schon als Gastchoreographin den Ballettabend im Großen Haus gestalten wird, mag Zufall sein, wird der neuen Direktorin jedenfalls die Möglichkeit geben, schon vor dem offiziellen Amtsantritt zum einen ihre Compagnie kennen zu lernen, zum anderen dem Publikum einen Einblick zu geben, was sie vom neuen "Ballett im Revier" in den kommenden Jahren erwarten dürfen. Den Anfang in dieser Spielzeit macht in der Tanztheatersparte jedoch eine andere Gastchoreographin, die dem Gelsenkirchener Publikum keine Unbekannte mehr sein dürfte: Annett Göhre, die in der Jubiläumsspielzeit für den Tanzabend Lamenti über Liebe und Tod und die Kurzoper Neither  in der St. Georg Kirche verantwortlich zeichnete.

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Priscilla Fiuza und Min-Hung Hsieh in einer Ensemble-Variation.

Göhre bezeichnet ihr Tanzstück Goldfisch-Variationen als 32 Tanz-Miniaturen für 13 Tänzer und einen Goldfisch und greift zurück auf Auszüge aus Uri Caines The Goldberg Variations, die er in einem Stilmix von Klassik, Jazz, Klezmer, Blues, Latin und Electronica als Variationen auf Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen, BWV 988, komponierte. Während Caine in 70 Variationen einen Durchmarsch durch verschiedene musikalische Epochen und Stile macht, die im entferntesten Sinne einer einleitenden Aria folgen, wählt Göhre neben der einleitenden Aria und einem Prolog nur 30 Variationen aus und nähert sich mit dieser Anzahl wieder mehr Bach an, der dem einleitenden Thema ebenfalls 30 Variationen folgen ließ, bevor er zu seinem Anfangsthema zurückkehrte. Die einzelnen Variationen erzählen dabei bei Göhre keine fortlaufende Geschichte, sondern sind teilweise eher zusammenhangslos aneinandergereiht. Dabei lässt sich aber doch über den Goldfisch ein gewisser roter Faden erkennen. So wie in einem Kurzvortrag über den Goldfisch am Ende des Abends unter anderem auch auf das Paarungsverhalten der Goldfische hingewiesen wird, das mit dem Fachterminus "Goldfisch-Variationen" bezeichnet wird, geht es in zahlreichen Szenen auch um das Verhältnis zwischen Mann und Frau und unterschiedliche Beziehungsmuster. Und da wird man unwillkürlich in der Gestaltung der Szenen an ein scheinbar sehr großes Vorbild der Choreographin erinnert: Pina Bausch.

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Priscilla Fiuza präsentiert in "Catwalk" ihre Reize.

Wenn Priscilla Fiuza mit großen recheckigen Plakaten ihre Vorzüge anpreist, um dann zu erkennen, dass die Männer doch alle nur Alina Köppen als Vamp in feuerrotem Kleid hinterher hecheln, und wenn die Tänzerinnen in weißen Reifröcken die Männer zunächst erfolglos um sie werben lassen, bevor sie sie dann doch nach einem Kuss zu erhören scheinen, hat man beim Wuppertaler Tanztheater bereits in zahlreichen Variationen erlebt. Auch Marika Carena, die Jakub M. Spocinski erst minutenlang auf Italienisch beschimpft, bevor sie ihm nach einem Satz der Erwiderung Aggressivität vorwirft, würde man eher als Figur aus einem Pina-Bausch-Stück einordnen. Auch die an der Bühnenrampe auf Stühlen aufgereihten Tänzerinnen und Tänzer, die nach der Pause alle durcheinander bei "The I Poem" in ihrer Muttersprache ihre Geschichte erzählen, kommen einem sehr bekannt vor. Dabei soll diesen Bildern aber keinesfalls eine Wirkung abgesprochen werden. Nur ganz neu sind sie eben nicht. Aber vielleicht ist es auch nicht das, was man von einem Tanzabend mit dem Titel Variationen erwarten sollte.

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Das Ensemble und der Goldfisch (von links: Mami Iwai, Alina Köppen, Yun Liao und Min-Hung Hsieh).

Recht gelungen ist der Beginn des Abends, wenn zu einer Klangcollage, die als "The Eternal Variation" noch keinen Bezug zur folgenden Aria erkennen lässt, der rote Samtvorhang, der zu Beginn auf der Bühne liegt, nach oben gezogen wird und die in Zweierpaaren auf der Bühne liegenden Tänzerinnen und Tänzer freigibt. Zur einleitenden Aria bewegen die Tänzer zunächst nur ihre Arme, bis über den Oberkörper ganz langsam der ganze Körper zum Leben erwacht. Dann öffnet Mami Iwai mit einem lauten Knall eine Klappe im Bühnenboden und wirft neben bunten Papierschnipseln den Goldfisch in einer Tüte auf die Bühne. Mit einer "Singing Variation" deutet sie an, dass es im Folgenden um Abwandlungen dieser eingangs gehörten Aria geht. Dabei wird sie von dem Pianisten Salvador Caro unterstützt, der ihr in die Melodie hineinhilft und gemeinsam mit ihr die Bühne fegt. Ob die Papierschnipsel für die nun folgenden Variationen stehen, bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen.

Mit Ausnahme einzelner Klavierpassagen stammt die Musik größtenteils vom Band. Die Tänzerinnen und Tänzer präsentieren zu den unterschiedlichsten Musikstilen mal recht homogene Ensembleszenen und dann wieder sehr individuelle Soli. Besonders erwähnenswert sind die eindringlichen Darbietungen von Alina Köppen zu "Maybe", einer "Variation for Piano Solo No. 2", kurz vor Ende des zweiten Teils, wenn Köppen in einem hautfarbenen Kostüm auf einer leeren Bühne ganz einsam im Hintergrund tanzt, und von Min-Hung Hsieh, der am Ende des ersten Teils unter dem Titel "Mins Seven" zu "Variation 13" sich auf einer leeren Bühne von einem Lichtkegel zum nächsten bewegt. Absolute Körperkontrolle beweisen bei "Adam & Eve" Alina Köppen und Jakub M. Spocinski, wenn sie wie zwei Statuen von Pavel Roudov und Ruth Olga Sherman auf einen Stuhl gestellt werden und sich gegenseitig umwerben, während Roudov und Sherman verzweifelt versuchen, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Am Ende scheinen dann alle zu "Crazy Voices" bis zur Erschöpfung zu tanzen, bevor es dann mit der Wiederaufnahme der Aria von vorne losgeht.

So gibt es am Ende großen Applaus für ein Ensemble, das auch unter neuer Ägide durch Vielseitigkeit überzeugen kann, und einen Abend, der kurzweilig mal mit Humor, mal mit Melancholie unterhält.

FAZIT

Der ganz große Wurf ist dieser erste Tanzabend nach Bernd Schindowski noch nicht, zeigt aber, dass das Ensemble mit großem Eifer dabei ist, neue Wege einzuschlagen, die nach den ganzen Jahren unter Schindowski etwas Frisches und Anderes ins Revier bringen könnten.


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Produktionsteam

Choreographie
Annett Göhre

Ausstattung und
Produktionsdramaturgie
Jan Adamiak

Kostüme
Andreas Meyer

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

 

Klavier
Salvador Caro



Tänzerinnen und Tänzer

Tänzerinnen
Ai Boshiyama
Marika Carena
Priscilla Fiuza
Mami Iwai
Alina Köppen
Xiang Li
Ruth Olga Sherman

Tänzer
Evgeny Gorbachev
William Britt Hillard
Min-Hung Hsieh
Yun Liao
Pavel Roudov
Jakub M. Spocinski

 


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