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Musiktheater
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Merlin

Oper in drei Akten
Libretto von Francis Burdett Money Coutts, erster Teil der Trilogie King Arthur
nach Le Morte d'Arthur von Sir Thomas Malory
Kritische Bearbeitung von José de Eusebio
Strichfassung von Christian Baier und Roland Schwab
Musik von Isaac Albéniz


in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 25' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 8. Oktober 2011


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Musiktheater im Revier
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Ein Hauch von Wagner

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu


Isaac Albéniz dürfte den Liebhabern klassischer Musik heute eher als Klaviervirtuose und Komponist des Klavierzyklus Iberia bekannt sein. Dass er um die Jahrhundertwende in England auch einige Opern komponierte, die Francis Burdett Money Coutts, der wohlhabende Sohn einer Bankiersfamilie, bei ihm in Auftrag gab, ist größtenteils in Vergessenheit geraten, zumal diese Werke in einem Land, das musikalisch zu der damaligen Zeit von den eher satirisch  heiteren Opern von Gilbert und Sullivan dominiert wurde, entweder kaum Anerkennung fanden oder gar nicht erst zur Uraufführung gelangten. Letzteres Schicksal erlebte auch seine Oper Merlin, die als erster Teil einer groß angelegten Trilogie über die Artus-Sage gedacht war, deren zweiter Teil Lancelot aber nur noch begonnen und nicht vollendet wurde und zu dessen dritten Teil Guinevere es gar nicht mehr kam. Wahrscheinlich war die Unvollständigkeit der Trilogie der Grund dafür, dass auch der erste Teil zu Albéniz' Lebzeiten nicht zur Uraufführung gelangte. Lange Zeit galt das Werk auch als verschollen und wurde erst 1950 wieder entdeckt, was zu einer ins Spanische übersetzten konzertanten Uraufführung im Tivoli Theater in Barcelona am 18. Dezember 1950 führte. Erst am 20. Juni 1998 kam es zu einer konzertanten Aufführung des Werkes in seiner ursprünglichen englischen Fassung, in der kein geringerer als Placido Domingo die Partie des Königs Arthur sang und die auch als CD-Aufnahme erhältlich ist. Die erste szenische Aufführung fand 2003 im Teatro Real in Madrid statt, so dass das Musiktheater im Revier sich nun rühmen kann, die Spielzeit mit einer deutschen Erstaufführung zu eröffnen.

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Merlin (Bjørn Waag) mit dem Chor vor dem magischen Schwert Excalibur.

Warum man aber in Gelsenkirchen bei einem Werk, das in kaum einem Opernführer zu finden sein dürfte, bei der Premiere auf eine Werkeinführung verzichtet, die bei den weiteren Aufführungen durchaus angeboten wird, bleibt unklar, zumal die vom Dramaturgen Christian Baier sprachlich sehr poetisch verfasste Synopsis im Programmheft auch nicht die Frage beantwortet, was beispielsweise in der in Gelsenkirchen gespielten Strichfassung von Christian Baier und Roland Schwab weggelassen wurde. Immerhin scheint die szenische Uraufführung in Madrid gemäß DVD-Angaben rund eine Stunde länger gewesen zu sein, so dass es durchaus interessant gewesen wäre zu wissen, an welchen Stellen gestrichen worden ist. Selbst wenn man beim Publikum eine Kenntnis der Romanvorlage Le Morte d'Arthur von Sir Thomas Malory voraussetzt, lässt sich vom Zuschauer nicht ausmachen, ob der etwas holprige Handlungsablauf einem recht schwachen Libretto oder dem Auslassen einzelner Passagen geschuldet wird. So lässt sich über den Inhalt nur sagen, dass zwischen Morgan Le Fays Aufstand gegen Arthurs Krönung zum König am Ende des ersten Aktes und Arthurs Sieg über Morgan zu Beginn des zweiten Aktes eine große Lücke klafft. Auch der Übergang von Morgans Racheschwur nach ihrer Begnadigung am Ende des zweiten Aktes zu Arthurs Sehnsucht nach Guinevere zu Beginn des dritten Aktes wirkt etwas zusammenhanglos.

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Arthur (Lars-Oliver Rühl, links) hat Excalibur aus dem Stein gezogen und präsentiert sich als neuer König (in der Mitte: Merlin (Bjørn Waag), rechts: Archbishop of Canterbury (Dong-Won Seo) mit Statisterie und Chor, ganz links: Sir Ector de Maris (Nicolai Miassojedov)).

Das Regieteam um Roland Schwab sucht in der Inszenierung eine Verbindung zwischen dem Mythos der Artus-Sage und dem Hier und Jetzt. Deswegen zeigt das Bühnenbild von Frank Fellmann eine große breite Landstraße, die mit leichten Höhen und Tiefen nach hinten im Bühnenhintergrund verschwindet und bis zum Orchestergraben reicht. Zu Beginn der Aufführung sieht man auf der linken Seite ein gestrandetes Auto am Straßenrand. Diesem entsteigt Merlin während des Vorspiels und geht langsam auf das Schwert Excalibur zu, welches vorne in der Mitte der Bühne im Boden steckt. Doch nicht nur das gleißende Schwert weckt Erinnerungen an Richard Wagners Ring des Nibelungen. Auch die fließende Entwicklung der Musik im Vorspiel lässt ahnen, dass Albéniz Wagners Werke sehr verehrt hat und sich an seiner Musiksprache orientiert, auch wenn einem im Vergleich mit Wagner ein bisschen die Entwicklung in der Musik fehlt. Sehr viel erinnert direkt zu Beginn des Vorspiels an alte Hollywood-Filmmusik, und wie in einem alten Kinofilm werden denn auch zu Beginn Titel und Komponist in einer Art Power Point Präsentation auf einen durchlässigen Prospekt auf den Bühnenvordergrund projiziert. Wenn Merlin seinem früheren triebhaften Leben mit der Nymphe Nivian eine Absage erteilt und mit der Suche nach einem neuen König für England ein neues Zeitalter einläuten will, werden auf den Bühnenprospekt die Umrisse einer alten Kathedrale projiziert, und man glaubt sich einen Moment musikalisch und szenisch im Karfreitagszauber des Parsifal.

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Merlin (Bjørn Waag) geht einer besseren Zeit entgegen und lässt Nivian (Petra Schmidt) hinter sich.

Während Merlin mit seinen nur schulterlangen Haaren in seinem langen schwarzen Mantel nicht ganz den klassischen Vorstellungen des Mythos entspricht, tragen die sehr aufwendigen Kostüme von Renée Listerdal besonders beim Chor und den anderen Figuren doch recht historisierende Züge. Der Chor samt Extrachor wird in den einzelnen Szenen häufig hinter einer Erhöhung der Straße aus dem Bühnenboden emporgefahren und wirkt in seiner Rolle eher statisch. Morgan und ihr Sohn Mordred fallen durch ihre langen feuerroten Haare auf. Die Nymphe Nivian symbolisiert in ihrem hellgrünen Kleid die natürliche Triebhaftigkeit, die von Merlin unterdrückt und kurzerhand in den Kofferraum entsorgt wird. Ein rotes Warndreieck, was er an der Bühnenrampe aufstellt, wird wieder aufgenommen, nachdem Arthur das Schwert Excalibur aus dem Felsen gezogen und damit seine Ansprüche auf den englischen Thron deutlich gemacht hat, indem es als leuchtendes Dreieck im Bühnenhintergrund erstrahlt und Merlin dieser magischen Lichtquelle entgegengeht. An dieser Stelle lässt sich das Dreieck auch als Symbol für die Dreieinigkeit des christlichen Gottes interpretieren.

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Nivian (Petra Schmidt, Mitte) verzaubert mit Mordred (Piotr Prochera, dahinter) und Morgan (Majken Bjerno, ganz hinten) Merlin (Bjørn Waag, links).

Auch im zweiten und dritten Akt hält die Inszenierung den recht bildgewaltigen und symbolträchtigen Charakter, der die Magie der Musik unterstützt. Zu Beginn des zweiten Aktes ist Morgans Aufstand bereits niedergeschlagen. Was bleibt, sind die entlang der Straße auf Pfählen aufgespießten Köpfe der Verbrecher, die an die blutige Niederschlagung des Aufstandes erinnern. Dass Arthur einen abgeschlagenen Kopf liebkost, wenn er an seine Liebe zu Guinevere denkt, wirkt einerseits zwar ein wenig makaber, deutet aber andererseits aber auch Merlins Warnungen an, dass eine Verbindung zu dieser Frau kein glückliches Ende nehmen wird. Ebenso wird sich Morgans Begnadigung als ein Fehler herausstellen. Wie sie mit ihrem Sohn Mordred die gefallene Nymphe Nivian auf ihre Seite zieht, die zunächst wie ein lebloses Knäuel am sichtbaren Ende der Straße liegt, wird zum einen von Schwab sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt, zum anderen aber auch von Majken Bjerno (Morgan), Piotr Prochera (Mordred) und Petra Schmidt (Nivian) in einer eindringlichen Darstellung umgesetzt.

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Eine neue Zeit bricht an: Mordred (Piotr Prochera) und Morgan (Majken Bjerno) haben Excalibur in ihren Besitz gebracht.

Im dritten Akt säumen weiß blühende Bäume die Straße. Auch die Wiese am Straßenrand ist weiß überzogen, was Reste des Schnees oder Anzeichen für eine bevorstehende Hochzeit sein könnten. Arthur träumt in weißem Outfit mit Schafsfelljacke und einem weißen Schleier in der Hand unter den Bäumen von seiner Verbindung zu Guinevere und bittet Merlin, in seinem Namen um sie zu freien. Doch schon nahen Morgan, Mordred und Nivian. Nivian wird von den beiden in ein weißes Gewand gekleidet, was sie fast wie den Erlöser erscheinen lässt. In dieser Erscheinung soll sie Merlin den Zauberstab entlocken, der durch das Schwert Excalibur symbolisiert wird. Als sie ihn mit einem Blumenkranz regelrecht blind macht, öffnet sich in der Bühnenmitte die Straße. Mit  Merlins neu erwachenden Gefühlen für Nivian kehrt seine unterdrückte Triebhaftigkeit zurück. Geschickt entwendet Nivian ihm das Schwert und sticht ihn nieder. Sofort wird ihr weißes Gewand in Blut getränkt. Gemeinsam mit Morgan und Mordred werfen sie Merlin in die geöffnete Straße. Morgan und Mordred ergreifen das Schwert und feiern ihren Sieg. Batterien von Scheinwerfern werden aus dem Schnürboden herabgelassen, leuchten ins Publikum und deuten an, dass nun eine neue Zeit anbricht. Damit endet die Oper.

Musiziert und gesungen wird auf recht hohem Niveau. Heiko Mathias Förster gelingt es sehr gut, mit der Neuen Philharmonie Westfalen den vielschichtigen Klang der Musik differenziert auszuloten. Bjørn Waag gestaltet die Titelpartie mit sehr klarem Bariton, der problemlos auch über ein laut aufspielendes Orchester hinwegkommt. Auch szenisch weiß Waag mit sehr intensivem Spiel zu überzeugen. Majken Bjerno stellt mit ihrem dramatischen Sopran als Morgan Le Fay in Gesang und Spiel eine adäquate Gegnerin dar. Piotr Prochera wirkt als ihr gewissenloser Sohn Mordred mit kräftigem Bariton und eindringlichem Spiel sehr bedrohlich. Petra Schmidt begeistert als Nivian mit recht lyrischer Stimme und versteht es, die Zerrissenheit der Nymphe zwischen ihrer Liebe zu Merlin und ihrer Bereitschaft zur Rache glaubhaft zu transportieren. Lars-Oliver Rühl gestaltet die anspruchsvolle Rolle des Arthur mit beweglichem, auch in den Höhen stets sicheren Tenor. Auch Dong-Won Seo als Archbishop of Canterbury, Joachim G. Maass als King Lot of Orkney, Nicolai Miassojedov als Sir Ector de Maris und Michael Dahmen als Sir Pellinore und der unter Christian Jeub gut einstudierte Chor und Extrachor gefallen in den kleineren Partien, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt, der beim Auftritt des Regie-Teams sogar noch einmal zunimmt.

FAZIT

Isaac Albéniz' Musik hat durchaus seine Meriten. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Bühnen dem Beispiel Gelsenkirchens folgen werden, hoffentlich mit weniger Strichen, um noch tiefer in Albéniz' Musik eintauchen zu können. Trotz aller Kritik an etwaigen Strichen ist Schwab eine sehr bildgewaltige und überzeugende Inszenierung gelungen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Heiko Mathias Förster

Inszenierung
Roland Schwab

Bühne
Frank Fellmann

Kostüme
Renée Listerdal

Choreinstudierung
Christian Jeub

Licht
Jürgen Rudolph

Dramaturgie
Christian Baier
Anna Melcher

 

Opernchor und Extrachor
des Musiktheater im Revier

Statisterie des
Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie
Westfalen



Solisten

*Besetzung der Premiere

Merlin
Bjørn Waag

Arthur
Lars-Oliver Rühl

Morgan Le Fay
Majken Bjerno

Nivian
Noriko Ogawa-Yatake /
*Petra Schmidt

Mordred
*Piotr Prochera /
Sejong Chang

The Archbishop of Canterbury
Dong-Won Seo

Gawain
William Saetre

King Lot of Orkney
Joachim G. Maass

Sir Pellinore
*Michael Dahmen /
Rafael Bruck

Sir Ector de Maris
Nicolai Miassojedov

Kay
Hongjae Lim

 

 


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