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Musiktheater
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Ariadne auf Naxos

Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel (1916)
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 5' (keine Pause)

Premiere an der Staatsoper Hannover am 3. Dezember 2011


Theaterhomepage


Staatsoper Hannover
(Homepage)

Plattheiten statt Feinheiten

Von Bernd Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk

Ariadne auf Naxos von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss ist nur auf den ersten Blick ein harmloses kleines Öperchen. Nicht nur, dass Dichter und Komponist auf feinkomische Weise Abläufe im Theater, Allüren von Künstlern und mögliche Willkür von Sponsoren aufs Korn nehmen und dann zeigen, dass trotz allem am Schluss doch eine eindrucksvolle Opernproduktion entstehen kann. Sie verhandeln auch die Möglichkeiten mit Liebesfreud’ und Liebesleid umzugehen, hochdramatisch oder oberflächlich, schwer und leidend oder locker und leicht. Ein Stück Verwechslungstragödie und -komödie kommt dazu und das Ganze ist mit wohldosierten Prisen von Ironie und dem liebenswerten Augenzwinkern gewürzt, das Strauss so sehr geliebt hat.


Foto folgtKonzeptionsgespräch: Truffaldino (Young Kwon), Komponist (Juliy Faylenbogen), älterer Herr (Edgar Schäfer),
Echo (Sara Eterno), Tenor (Robert Künzli), Zerbinetta (Ina Yoshikawa)

Regisseur Ingo Kerkhof hat das für seine Neuinszenierung des Werkes an der Staatsoper Hannover herzlich wenig interessiert. Vor allem verweigert er den Schnitt zwischen beiden Teilen des Werkes (Vorbereitung und Aufführung), lässt alles im gleichen szenischen Wirrwarr spielen und nimmt damit dem Stück auch den ganz besonderen Reiz. Anstatt Details herauszuarbeiten, veranstaltet er ein chaotisches Durcheinander, das Feinheiten mit Plattheiten zukleistert und sich mit scheinbar modernen Ausdrucksmitteln in Oberflächlichkeiten verheddert. Dazu greift er ganz tief in die nun auch schon dick verstaubte, ja angegammelte Mottenkiste des „modernen“ Regietheaters, ist sich für keinen blöden Gag zu schade und serviert ach so komische Peinlichkeiten, die geeignet sind Fluchttendenzen auszulösen - nicht weil man sich provoziert fühlt, sondern wegen nervenden Fremdschämens.

Foto folgt
Harlekin (Christopher Tonkin), Scaramuccio (Tivadar Kiss)
Zerbinetta (Ina Yoshikawa), Truffaldino (Young Kwon)

Der Beginn mit Ansagen und Erklärungen einer älteren Dame im Bärenkostüm, die eigentlich den Bären in der Götterdämmerung spielt und nun für den erkrankten Haushofmeister einspringt, aber die Partie nur spricht und nicht singt, bewegt sich mit Witz und Charme auf dem Niveau einer Kaffeefahrtverkaufsveranstaltungsbegrüßung. Das Ballett-Tanzen des Ensembles, herumstehende  und –sitzende Akteure, die gerade nichts zu tun haben, Pistolen für den Komponisten und Ariadne, das im Zuschauerraum immer wieder an- und ausgehende Licht, Männer, die Cancan tanzen oder sich „lustige“ Kopfbedeckungen oder Damenperücken aufsetzen, das Sofa auf dem Tisch, auf dem sich Zerbinetta und Harlekin ausziehen und deutliche Kopulationsbewegungen vollziehen, mit Taschenlampen beleuchtete Gesichter, die Partiturseiten von der Wand schlagen, wenn der Komponist zu Kürzungen verdonnert wird… das sind nur wenige traurige  Beispiele für diese misslungene Inszenierung. Weniger wäre mehr - und gar nicht noch schöner gewesen.

Foto folgt Komponist (Julia Faylenbogen)

Anne Neuser steuert mit ihrem Einheitsbühnenbild die in solchen Regievorkommnissen unvermeidliche Unordnung auf der Bühne bei und vermeidet, ähnlich wie Inge Medert als Kostümbildnerin, jegliche Ästhetik. Daran können auch die herumstehenden, überdimensionalen Blütenstauden nichts ändern, die auf einer „öden Insel“ eh nichts zu suchen hätten. Vor einer halbtransparenten schwarzen Zwischenwand steht ein langer Tisch mit zusammengewürfelten Stühlen, seitlich davon ein Garderobenständer mit Kostümen. Das finale augenblendende und ohrenbetäubende große Feuerwerk nach einem Abschlussgetanze der Protagonisten wird im Libretto genannt, in den Szenenanweisungen aber nicht gefordert und erinnert an ein Zitat aus Capriccio: "Zum Schluss auf den Trümmern großes Ballett".

Foto folgt

Musiklehrer (Stefan Adam),
Ariadne (Brigitte Hahn)

Auch die Charakterzeichnung der Figuren lässt viele Wünsche offen. Die Primadonna tritt als Ariadne nicht aus ihrer ersten Rolle heraus und erinnert an eine menschgewordene Beruhigungstablette, die von allen und allem genervt und gelangweilt ist und selbst den eigentlich doch so ersehnten Tod zurückweist - aber eben nicht liebesleidend ist. Brigitte Hahn bringt für diese Partie ein ideales, eher dunkles Timbre mit, klingt aber über weite Strecken sehr angestrengt und bedient sich zu oft eines starken Vibratos. Bacchus erinnert an einen Fernfahrer in abgetragener Lederjacke und Schlangenlederschuhen, der mit Najade, Dryade und Echo kuschelt, während er sich um die vermeintliche Circe die Seele aus dem Leib singt. Robert Künzli gibt dem Affen auch stimmlich Zucker und singt, was die Stimmbänder halten. Ein heldischer, aber nicht rauer Tenor mit viel Glanz und phänomenalen Spitzentönen! Julia Faylenbogen hat als Komponist das Glück, von regielichen Absonderheiten verschont zu bleiben, und bietet auch gesanglich eine der großen Pluspunkte dieser Produktion - warm im Klang und innig in der Gestaltung. Als alles zusammenhaltender Musiklehrer begeistert Stefan Adam mit profundem, charakterischem und dabei ausgesprochen wohlklingendem Bariton. Ina Yoshikawa gibt die sing- und spielfreudige Zerbinetta mit leichten Koloraturen, unter die sich aber zuweilen auch leicht raue Töne mischen. Das restliche Ensemble bietet solide bis gute Ensemble-Leistungen, aus denen keiner nach oben oder unten herausragt. Hannovers Generalmusikdirektorin Karen Kamensek hält Graben und Bühne umsichtig zusammen und führt das klein besetzte Orchester dynamisch und elanvoll zu einer Glanzleistung.


FAZIT

Eine unnötige Inszenierung. Musikalisch sehr ordentlich mit ein paar eindrucksvollen sängerischen Leistungen.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Karen Kamensek

Inszenierung
Ingo Kerkhof

Bühnenbild
Anne Neuser

Kostüme
Inge Medert

Licht
Claus Ackenhausen

Dramaturgie
Dorothea Hartmann


Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover


Solisten

Der Haushofmeister
Sigrun Schneggenburger

Ein Musiklehrer
Stefan Adam

Der Komponist
Julia Faylenbogen

Der Tenor / Bacchus
Robert Künzli

Ein älterer Herr
Edgar Schäfer

Perückenmacher
Roland Wagenführer

Ein Tanzmeister/Brighella
Ivan Tursic

Ein Lakai
Frank Schneiders

Zerbinetta
Ina Yoshikawa

Primadonna / Ariadne
Brigitte Hahn

Harlekin
Christopher Tonkin

Scaramuccio
Tivadar Kiss

Truffaldino
Young Kwon

Najade
Dorothea Maria Marx

Dryade
Julie-Marie Sundal

Echo
Sara Eterno

Souffleuse
Katharina Hickmann



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)






Da capo al Fine

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