Plattheiten statt Feinheiten
Von Bernd Stopka / Fotos
von Thomas M.
Jauk
Ariadne auf Naxos von Hugo von
Hofmannsthal und Richard
Strauss ist nur auf den ersten Blick ein harmloses kleines
Öperchen. Nicht nur,
dass Dichter und Komponist auf feinkomische Weise Abläufe im
Theater, Allüren
von Künstlern und mögliche Willkür von Sponsoren aufs
Korn nehmen und dann
zeigen, dass trotz allem am Schluss doch eine eindrucksvolle
Opernproduktion
entstehen kann. Sie verhandeln auch die Möglichkeiten mit
Liebesfreud’ und
Liebesleid umzugehen, hochdramatisch oder oberflächlich, schwer
und leidend
oder locker und leicht. Ein Stück
Verwechslungstragödie und -komödie kommt dazu und das Ganze
ist mit
wohldosierten Prisen von Ironie und dem liebenswerten Augenzwinkern
gewürzt,
das Strauss so sehr geliebt hat.
Konzeptionsgespräch: Truffaldino (Young Kwon),
Komponist (Juliy Faylenbogen), älterer Herr (Edgar Schäfer),
Echo (Sara Eterno), Tenor (Robert Künzli), Zerbinetta (Ina
Yoshikawa)
Regisseur Ingo Kerkhof hat das für
seine Neuinszenierung des
Werkes an der Staatsoper Hannover herzlich wenig interessiert. Vor
allem
verweigert er den Schnitt zwischen beiden Teilen des Werkes
(Vorbereitung und
Aufführung), lässt alles im gleichen szenischen Wirrwarr
spielen und nimmt
damit dem Stück auch den ganz besonderen Reiz. Anstatt Details
herauszuarbeiten,
veranstaltet er ein chaotisches Durcheinander, das Feinheiten mit
Plattheiten
zukleistert und sich mit scheinbar modernen Ausdrucksmitteln in
Oberflächlichkeiten
verheddert. Dazu greift er ganz tief in die nun auch schon dick
verstaubte, ja
angegammelte Mottenkiste des „modernen“ Regietheaters, ist sich
für keinen
blöden Gag zu schade und serviert ach so komische Peinlichkeiten,
die geeignet
sind Fluchttendenzen auszulösen - nicht weil man sich provoziert
fühlt, sondern
wegen nervenden Fremdschämens.
Harlekin (Christopher Tonkin), Scaramuccio (Tivadar Kiss)
Zerbinetta (Ina Yoshikawa), Truffaldino (Young Kwon)
Der Beginn mit Ansagen und Erklärungen
einer älteren Dame im
Bärenkostüm, die eigentlich den Bären in der
Götterdämmerung spielt und nun für
den erkrankten Haushofmeister einspringt, aber die Partie nur spricht
und nicht
singt, bewegt sich mit Witz und Charme auf dem Niveau einer
Kaffeefahrtverkaufsveranstaltungsbegrüßung. Das
Ballett-Tanzen des Ensembles,
herumstehende und –sitzende Akteure, die
gerade nichts zu tun haben, Pistolen für den Komponisten und
Ariadne, das im
Zuschauerraum immer wieder an- und ausgehende Licht, Männer, die
Cancan tanzen
oder sich „lustige“ Kopfbedeckungen oder Damenperücken aufsetzen,
das Sofa auf
dem Tisch, auf dem sich Zerbinetta und Harlekin ausziehen und deutliche
Kopulationsbewegungen vollziehen, mit Taschenlampen beleuchtete
Gesichter, die
Partiturseiten von der Wand schlagen, wenn der Komponist zu
Kürzungen
verdonnert wird… das sind nur wenige traurige
Beispiele für diese misslungene Inszenierung. Weniger
wäre mehr - und gar
nicht noch schöner gewesen.
Komponist
(Julia
Faylenbogen)
Anne Neuser steuert mit ihrem
Einheitsbühnenbild die in
solchen Regievorkommnissen unvermeidliche Unordnung auf der Bühne
bei und
vermeidet, ähnlich wie Inge Medert als Kostümbildnerin,
jegliche Ästhetik. Daran
können auch die herumstehenden, überdimensionalen
Blütenstauden nichts ändern,
die auf einer „öden Insel“ eh nichts zu suchen hätten. Vor
einer
halbtransparenten schwarzen Zwischenwand steht ein langer Tisch mit
zusammengewürfelten Stühlen, seitlich davon ein
Garderobenständer mit Kostümen. Das finale augenblendende und
ohrenbetäubende große Feuerwerk nach einem Abschlussgetanze
der Protagonisten wird im Libretto genannt, in den Szenenanweisungen
aber nicht gefordert und erinnert an ein Zitat aus Capriccio: "Zum
Schluss auf den Trümmern großes Ballett".
Musiklehrer (Stefan Adam),
Ariadne (Brigitte Hahn)
Auch die Charakterzeichnung
der
Figuren lässt viele Wünsche offen. Die Primadonna tritt als
Ariadne nicht aus
ihrer ersten Rolle heraus und erinnert an eine menschgewordene
Beruhigungstablette,
die von allen und allem genervt und gelangweilt ist und selbst den
eigentlich doch
so ersehnten Tod zurückweist - aber eben nicht liebesleidend ist.
Brigitte Hahn bringt für diese Partie ein
ideales, eher dunkles Timbre mit, klingt aber über weite Strecken
sehr
angestrengt und bedient sich zu oft eines starken Vibratos. Bacchus
erinnert an einen Fernfahrer in
abgetragener Lederjacke und Schlangenlederschuhen, der mit Najade,
Dryade und
Echo kuschelt, während er sich um die vermeintliche Circe die
Seele aus dem
Leib singt. Robert Künzli gibt dem Affen auch stimmlich Zucker und
singt, was
die Stimmbänder halten. Ein heldischer, aber nicht rauer Tenor mit
viel Glanz
und phänomenalen Spitzentönen! Julia
Faylenbogen hat als Komponist das Glück, von regielichen
Absonderheiten
verschont zu bleiben, und bietet auch gesanglich eine der großen
Pluspunkte
dieser Produktion - warm im Klang und innig in der Gestaltung. Als
alles
zusammenhaltender Musiklehrer begeistert Stefan Adam mit profundem,
charakterischem und dabei ausgesprochen wohlklingendem Bariton. Ina
Yoshikawa gibt die sing- und spielfreudige
Zerbinetta mit leichten Koloraturen, unter die sich aber zuweilen auch
leicht
raue Töne mischen. Das restliche Ensemble bietet solide bis gute
Ensemble-Leistungen,
aus denen keiner nach oben oder unten herausragt. Hannovers
Generalmusikdirektorin
Karen Kamensek hält Graben und Bühne umsichtig zusammen und
führt das klein
besetzte Orchester dynamisch und elanvoll zu einer Glanzleistung.
FAZIT
Eine
unnötige Inszenierung. Musikalisch
sehr ordentlich mit ein paar eindrucksvollen sängerischen
Leistungen.
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Produktionsteam
Musikalische
Leitung
Karen Kamensek
Inszenierung
Ingo Kerkhof
Bühnenbild
Anne Neuser
Kostüme
Inge Medert
Licht
Claus Ackenhausen
Dramaturgie
Dorothea Hartmann
Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover
Solisten
Der
Haushofmeister
Sigrun Schneggenburger
Ein Musiklehrer
Stefan Adam
Der Komponist
Julia Faylenbogen
Der Tenor / Bacchus
Robert Künzli
Ein älterer Herr
Edgar Schäfer
Perückenmacher
Roland Wagenführer
Ein Tanzmeister/Brighella
Ivan Tursic
Ein Lakai
Frank Schneiders
Zerbinetta
Ina Yoshikawa
Primadonna / Ariadne
Brigitte Hahn
Harlekin
Christopher Tonkin
Scaramuccio
Tivadar Kiss
Truffaldino
Young Kwon
Najade
Dorothea Maria Marx
Dryade
Julie-Marie Sundal
Echo
Sara Eterno
Souffleuse
Katharina Hickmann
Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)
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