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Die Fledermaus

Komische Operette in drei Akten
Text von Richard Genée nach der Komödie Le Réveillon
von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
in der deutschen Bearbeitung von Karl Haffner
Musik von Johann Strauß (Sohn)

 

in deutscher Sprache 

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 3. September 2011


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Die Rache der Fledermaus

Von Thomas Molke / Fotos von Foto Kühle (Rechte Theater Hagen)

Das Theater Hagen feiert in dieser Spielzeit sein hundertjähriges Jubiläum. Doch bevor der eigentliche Geburtstag in einer Festwoche vom 5. - 9. Oktober in einem eigens auf dem Theatervorplatz errichteten Theaterzelt mit einem umfangreichen Programm gefeiert wird, hatte man sich für die Eröffnung der Spielzeit überlegt, die Saison mit einer vom Publikum gewählten Produktion zu beginnen. Und über 33 % der Zuschauerinnen und Zuschauer hatten sich dabei für die Operette aller Operetten entschieden. Ob man mit der Inszenierung aber auch die Erwartung all derjenigen, die sich dieses Werk nach 11 Jahren wieder auf dem Spielplan des Theaters wünschten, zu erfüllen vermag, bleibt abzuwarten, zumal die Umsetzung sich doch sehr von der Deutung des damaligen Intendanten Peter Pietzsch unterscheidet und mit der einen oder anderen Publikumserwartung sicherlich bricht. Das Premierenpublikum zeigte sich jedenfalls begeistert und honorierte die Leistung des Regie-Teams durch großen Applaus.

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Dr. Falke (Frank Dolphin Wong) macht Rosalinde (Stefanie Smits) den Hof.

Denn man kann Thomas Weber-Schallauer keineswegs den Vorwurf machen, das Stück gegen den Strich zu bürsten, auch wenn er die Handlung durch eine neue Textfassung an manchen Stellen der Operettenseligkeit beraubt. Vielmehr bemüht er sich, die Figuren wesentlich realitätsnäher zu gestalten, Motive herauszuarbeiten und damit ihr Handeln zu erklären. Am eindrucksvollsten gelingt ihm dieser Ansatz bei der Figur des Dr. Falke, der eigentlichen Titelfigur des Stückes. Scheint doch in den meisten Inszenierungen Falkes Rache an Gabriel von Eisenstein wegen der vor Jahren erlittenen Schmach völlig überzogen, baut Weber-Schallauer ein weiteres Motiv für Falkes Inszenierung der ganzen Maskerade ein: Falke selbst ist Eisensteins Gattin Rosalinde sehr zugetan und hofft, sie für sich zu gewinnen. Das beginnt mit einer roten Rose, die er Rosalinde im ersten Akt schenkt, bevor er ihren Gatten dazu überreden will, vor seinem Arrest noch den Ball des Prinzen Orlofsky zu besuchen und sich dort mit einigen Damen der Halbwelt zu amüsieren. Während diese kleine Geste bei Rosalinde aber noch nicht die gewünschte Wirkung zeigt, kommen sich die beiden beim Ball des Prinzen wesentlich näher. Nachdem Rosalinde sich als maskierte ungarische Gräfin von der Untreue ihres Mannes überzeugen konnte, baut Weber-Schallauer den Flirt zwischen Eisenstein und seiner maskierten Gattin, nachdem sie ihm die Uhr entwendet hat, nicht weiter aus, sondern lässt sich Eisenstein wieder anderen jungen Damen auf dem Ball zuwenden, während Rosalinde sehr innig mit Falke zusammen "Brüderlein und Schwesterlein" anstimmt. Doch seine Rechnung geht nicht auf, da es im dritten Akt zur großen Versöhnung zwischen Eisenstein und Rosalinde kommt. Da nützt es auch nichts, dass Falke Rosalinde seine Hand ausstreckt. Sie wird bei ihrem Gatten bleiben.

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"Mein Herr Marquis": Adele (Sarah Längle) erteilt Eisenstein (Dominik Wortig) eine Lektion auf dem Ball (im Hintergrund: der Chor, rechts: Prinz Orlofsky (Kristine Larissa Funkhauser)).

Problematischer gestaltet sich die Figur des Prinzen Orlofsky. Weber-Schallauer stellt sich die Frage, was das für ein merkwürdiger junger Mann ist, der trotz seiner Jugend schon nicht mehr lachen kann und dem selbst sein ganzer Reichtum nicht hilft, die ihn quälende Langeweile zu vertreiben. So lässt er ihn zu Beginn des zweiten Aktes wie Frankensteins Monster - oder vielleicht eher Rocky als Anspielung auf die in der Jubiläumsspielzeit noch stattfindende Produktion der Rocky Horror Show? - auf einer Bahre verhüllt in einen Saal schieben, der durch die Klimt-Malereien an den Wänden (Bühnenbild: Sandra Linde) die Dekadenz der Jahrhundertwende symbolisiert. Falke scheint bei ihm weniger Notar als vielmehr Chirurg zu sein, der ihn im Laufe des Balls zu einer wunderschönen Frau mit langen roten Haaren mutieren lässt. Dass dieser Prinz gnadenlos ist, zeigt sich nicht nur in seinem berühmten Couplet "Ich lade gern mir Gäste ein", in dem er Eisenstein zwingt, eine ganze Batterie von alkoholischen Getränken zu leeren, sondern auch in der Tatsache, dass Russisches Roulette bei seinen Partys als willkommener Zeitvertreib betrachtet wird und sein Diener Iwan von seinen Gästen sehr vehement und notfalls unter Einsatz von Waffengewalt die Losung des Abends, Amüsement, verlangt. Seine Gäste sind ein bunter Reigen aus Revuegirls und leicht gestörten Menschen in Schlafanzugshosen, die er wohl bei diversen Aufenthalten in Kliniken kennen gelernt haben dürfte und die ähnliche psychische Macken haben wie er. Mit welcher Vehemenz die Party-Gäste von Rosalinde den Csárdás "Klänge der Heimat" einfordern, macht deutlich, wie schnell diese Spaßgesellschaft in einen wütenden Mob kippen kann.

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Mit diesem Prinzen (Kristine Larissa Funkhauser) ist nicht zu spaßen, wie Eisenstein (Dominik Wortig) feststellen muss.

Ob man den Gerichtsdiener Frosch als ehemaligen Nationalsozialisten darstellen muss, der zwar das Braun seiner Amtsstube mit grüner Farbe überstreicht, in der Schublade aber ein verstaubtes Bild Hitlers hegt und pflegt und seinen "Führer-Schein" noch bei sich trägt, ist diskutabel. Soll darauf angespielt werden, dass die Nationalsozialisten die Musik des großen Walzerkönigs als so volksnah und deutsch feierten, dass sie sogar die komplette Musikerfamilie arisierten, obwohl Strauß' Urgroßvater jüdischer Abstammung war? Jedenfalls gibt es der ganzen Frosch-Szene im dritten Akt ein gewisses Geschmäckle, das einen nicht wie in anderen Inszenierungen über die Witze des alkoholisierten Beamten ohne Bedenken lachen lässt. Überhaupt führt die Verlegung der Handlung nach Wien in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg zu einigen Änderungen. So haben sich  Rosalinde und Alfred im Zuge der Kriegswirren aus den Augen verloren, als dieser untertauchte, um nicht an die Front zu müssen. Rosalinde heiratete Eisenstein wohl vor allem des Geldes wegen - scheint doch vor allem Alfreds Vergangenheit, in der er Rosalindes "Beschützer" war, in der Halb- und Unterwelt angesiedelt. Wenn sie im zweiten Akt "Klänge der Heimat" anstimmt, schwingt mehr als nur die übliche Ungarn-Romantik mit: Durch Tische, die wie ein eiserner Vorhang hinter ihr aufgebaut werden, manifestiert sich die Trennung zwischen Österreich und Ungarn und die Sehnsucht nach der Heimat, die auf unbestimmte Zeit nicht mehr betreten werden kann. Der dritte Akt zeigt keine geschlossene Gefängnisstube, sondern einen Steg mit einem hohen Stacheldrahtzaun. Dieses Bild hat wirklich nichts mehr mit Operettenseligkeit zu tun.

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Gefängnisdirektor Frank (Rainer Zaun, rechts) und Frosch (Werner Hahn, links) am Morgen danach.

Gesungen und gespielt wird - wie meistens in Hagener Operetten - auf hohem Niveau. In der Rolle des Eisenstein gibt es ein Wiedersehen mit dem langjährigen Ensemble-Mitglied Dominik Wortig, der die Rolle gewohnt souverän mit tenoralem Glanz und sehr deutlicher Diktion präsentiert. Auch Frank Dolphin Wong kehrt zur Jubiläumsproduktion nach zwei Jahren wieder ans Theater Hagen zurück und überzeugt darstellerisch und stimmlich als Dr. Falke mit profundem Bariton. Jeffery Krueger gibt den Liebhaber Alfred mit lyrischem Tenor, wobei er die Figur recht arrogant mit dunklen, mafiösen Bezügen anlegt. Rainer Zaun beweist als Gefängnisdirektor Frank mit kernigem Bass sein komödiantisches Talent, wobei er besonders im Zusammenspiel mit Werner Hahn als Gerichtsdiener Frosch im Alkoholrausch um die Wette schwankt. Richard van Gemert überzeugt als stotternder und leicht vertrottelter Advokat Blind. Kristine Larissa Funkhauser spielt den Prinzen Orlofsky sehr intensiv und begeistert dabei mit warmem Mezzo. Auch Stefanie Smits gewinnt der Figur der Rosalinde besonders im ersten Akt sehr komödiantische Züge ab. Im zweiten Akt agiert sie wesentlich verbitterter. Sie gefällt mit sehr textverständlichem und warmem Sopran, auch wenn "Klänge der Heimat" nicht zu ihren Höhepunkten des Abends zählt. Besonders aufhorchen lässt Sarah Längle als kesses stets Kaugummi kauendes Dienstmädchen Adele. Ihre Koloraturen perlen wie der Champagner, und ihr freches Spiel stiehlt, wie so oft, Rosalinde die Show. Auch Anja Frank-Engelhaupt als Ida, Dirk Achille als Iwan und der von Wolfgang Müller-Salow präzise einstudierte Chor wissen zu gefallen. Bernhard Steiner rundet mit dem Philharmonischen Orchester Hagen den Abend mit einem sehr spritzigen Strauß-Klang, der recht forsch und frisch aus dem Orchestergraben kommt, die Sänger aber nie überdeckt, wunderbar ab.


FAZIT

Ein gelungener und stimmiger Saisonauftakt für die Jubiläumsspielzeit, auch wenn die Inszenierung vielleicht nicht bei allen Operettenfreunden auf Gegenliebe stoßen dürfte.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Steiner

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Ausstattung
Sandra Linde

Licht
Achim Köster

Choreographie
Andre Baeta

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Thilo Borowczak


Opern- und Extrachor des
Theater Hagen

Ballett des
Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

*Premierenbesetzung

Gabriel von Eisenstein
Dominik Wortig

Rosalinde, seine Frau
Stefanie Smits

Frank, Gefängnisdirektor
Aldo Tiziani / *Rainer Zaun

Prinz Orlofsky
Kristine Larissa Funkhauser

Alfred, Gesangslehrer
Jeffery Krueger

Dr. Falke, Notar
Raymond Ayers /
*Frank Dolphin Wong

Dr. Blind, Advokat
Richard van Gemert

Adele, Kammermädchen
Maria Klier / *Sarah Längle

Ida
Anja Frank-Engelhaupt

Frosch, Gerichtsdiener
Werner Hahn

Iwan
Dirk Achille

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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