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Musiktheater
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Siegfried

Zweiter Tag des Bühnenweihfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Koproduktion mit dem Theater im Pfalzbau Ludwigshafen
und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz

Premiere im Opernhaus Halle am 28. April 2012
(rezensierte Vorstellung: 1. Mai 2012)


Opernhaus Halle

Siegfried, der Held!

Von Roberto Becker / Fotos von Gert Kiermeyer

Am Ende des ersten Aktes ist das Schwert wieder ganz! Wie sollte es auch misslingen, die Bruchstücke neu zu fügen, wenn Wotan selbst das Feuerchen in Mimes Schmiedeofen anfacht, Siegfried immer wieder ein paar Schippen Kohle nachlegt, kräftig den Blasebalg bedient und so ganz nebenbei ein neues Verfahren zur Herstellung von Wunderwaffen erfindet! Da kann der hinterlistige Ziehvater auf seinem Hochsitz noch so vor sich hin tüfteln und rechnen.

Wie wir aus der vorigen Oper, der Walküre, noch wissen, und wie es für alle, die nicht da waren, im Siegfried noch mal wiederholt wird, ist der Superheld zwar das Resultat des Inzests der Zwillinge Siegmund und Sieglinde. Doch haben die göttlichen Gene, die von deren Vater Wotan kommen, bei seinem Enkel nicht zu einem Dachschaden geführt, sondern ihm Superkräfte verliehen. Und ein untrügliches Bauchgefühl fürs Richtige in aussichtslosen Lagen.


Vergrößerung Der Wanderer selbst heizt das Feuer an (Gerard Kim)

Das genügt, um dem Großvater (halb will er es, halb wehrt er sich) unwissentlich sein Machtsymbol, den Speer mit den Verträgen, die die Weltordnung regeln, zu zerschlagen und ihn damit vom Thron zu stoßen. Und die (oder besser dessen) Welt in den Abgrund zu reißen. Was auch noch mal vorausorakelt wird und dann in der nächsten Oper, der „Götterdämmerung“ ja tatsächlich auch passieren wird. Mit der Gelassenheit des mittesiebzigjährigen Theaterroutiniers verkneift es sich Hansgünther Heyme, das Ganze zu einem Kurs in Kapitalismuskritik aufzupolieren. Vor allem Joachim Herz (in Leipzig) und dann Patrice Chereau (in Bayreuth) haben da vor über dreißig Jahren etwas ausgeschritten, was man heute zwar mitdenken muss, aber nicht nachahmen kann.

So gehört es zu den starken Seiten dieser Ring-Inszenierung, dass es im Siegfried auch um Wotans innere Zerrissenheit geht. Da wird Dialektik auf die Bühne übersetzt. Wotan denkt strategisch. Er weiß um die Notwendigkeit, etwas Altes untergehen zu lassen, damit etwas Neues entstehen kann. Dabei ist er zugleich so menschlich, dass ihm seine Gefühle dann doch immer wieder in die Quere kommen. Er lenkt (in Halle ganz offensichtlich immer wieder mit eigener Hand aus dem Hintergrund) die Schritte Siegfrieds ins selbstbestimmte erwachsene Heldenleben. Und er ist dann doch getroffen, wenn der sich ihm gegenüber auch so benimmt. So viel subversive Modernität macht selbst in Wagners gedrechseltem Deutsch Spaß, und Heyme, sein Wotan und die Zuschauer haben ihre Freude dran, dieses Spiel zu spielen.

Vergrößerung

Siegfried auf dem Weg zu sich selbst: Andreas Schager

Wotan lässt sogar Siegfrieds Mutter Sieglinde als Geist aufkreuzen, um das Waldvöglein ins Spiel zu bringen. Dass die dann auch noch mal kurz vor dem Schmatzer auftaucht, mit dem Siegfried die gerade ausgepackte Brünnhilde wachküsst, ist allerdings ein Tick zu viel. Auch bleibt Heyme mit seiner Personenregie hinter dem, was man von Kupfer, Mielitz, Konwitschny oder Wieler gewöhnt ist, zurück. Doch er erzählt das vielschichtige Geschehen klar nach, schafft Durchblicke in die Gegenwart und wahrt, als sein eigener Ausstatter, auch im Siegfried den intellektuellen und ästhetischen Zusammenhang des Ganzen. Die riesigen Regale im Hintergrund mit ihren unzähligen, stets mit zwei Zeichen versehenen Fächern, sind - gleichsam wie eine archaische Vorform einer XXL-Festplatte – das Gedächtnis der Welt. Das ja womöglich zum Protokoll ihres Untergangs wird.

Beim Nothung-Schmieden züngelt in Halle wieder ein veritables Bühnenfeuerchen, wie man es kaum sonst noch zu sehen bekommt. Für Wald, Höhle und Wurm genügen atmosphärisch ausgeleuchtete Prospekte mit Bäumen, Goldbarren und einem Ungeheuer darauf. Der Waldvogel schwebt für seinen Auftritt aus dem Schnürboden herab, und Urmutter Erda taucht - tuchumwogt - aus der Versenkung auf. Brünnhilde schlummert vor den Welt-Regalen ganz in Weiß. Woher, trotz des Feuerschutzes, das Blut auf ihr Laken kommt, ist zwar nicht so ganz klar. Und dass ihr Ross Grane lebensgroß mit dem Pferdekopf nickt, ist auch etwas albern. Aber insgesamt ist dieser „Siegfried" gelungen. Das ist nicht zuletzt auch das Verdienst von Karlheinz Steffens. Der Chef der Staatskapelle Halle leitet auch das Orchester in Ludwigshafen (das dortige Pfalztheater ist Koproduzent dieses Rings) und studiert jeden Teil mit dem jeweiligen Orchester vor Ort ein. Der Staatskapelle gelingt es auch diesmal im tief abgesenkten Graben auf umso höherem Orchesterniveau zu spielen.


Vergrößerung Siegfried küsst Brünnhilde wach

Und das exzellente Ring-Ensemble liefert auf der Bühne wiederum eine geschlossene Leistung ab. Was nach den beiden Teilen davor zwar nicht überrascht, aber doch erfreut: ob nun der markante Mime Ralph Ertel, der lauernd gierige Alberich Gerd Vogel und Christoph Stegemanns Fafner im Wald und vor der Höhle, Deborah Humbles Erda aus der Tiefe und Ines Lex' Waldvogel aus der Höhe – hier stimmt alles, was der wiederum als jetzt wandernder Göttervater hochsouveräne Gerard Kim ins Werk setzt.

Der Clou des Ganzen ist Siegfried, heißt Andreas Schager und stellt sich mit diesem Debüt auf Anhieb und auf Augenhöhe an die Seite aller gegenwärtigen Siegfriede. Mit müheloser Kraft und ohne jede Angestrengtheit, obendrein mit einer tadellosen Diktion stemmt er die Schmiedelieder genauso locker und unbekümmert, wie er seine Waldeinsamkeit ausmalt, um dann schließlich mit der (ausgeruhten) Brünnhilde Lisa Livingston ein phänomenales Liebesfinale hinzulegen! Allein dieser neue Siegfried (der, wie man hört, kurz danach auch an der Deutschen Oper als Rienzi-Einspringer gefeiert wurde) lohnt den Weg nach Halle. Da es nur zwei frenetisch gefeierte Vorstellungen gab, müsste man sich jetzt die Götterdämmerung vormerken, in der er mit seinem zweiten Siegfried debütieren wird. Oder bis zum März nächsten Jahres gedulden, wenn die Händelstadt Halle das Wagnerjahr mit einem vollständigen Zyklus begeht.


FAZIT

Der Zweistädte-Ring Halle/Ludwigshafen bleibt auch mit dem dritten Teil auf Erfolgskurs. Das Siegfried-Debüt von Andereas Schager ist der bejubelte Höhepunkt.




Zu unserer Rezension der Walküre und einem Interview mit Andreas Schager


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Karl-Heinz Steffens

Inszenierung und Ausstattung
Hansgünther Heyme

Licht
Matthias Hönig



Staatskapelle Halle


Solisten

Siegfried
Andreas Schager

Mime
Ralph Ertel

Der Wanderer
Gérard Kim

Alberich
Gerd Vogel

Fafner
Christoph Stegemann

Erda
Deborah Humble

Brünnhilde
Lisa Livingston

Waldvogel
Ines Lex

Bär
Victoria Henze

Mutterwesen
Ann-Kathrin Franke

Boten des Todes
Victoria Henze, Juliane Kaltenborn

Grane
Victoria Henze

Siegfrieds Hornruf
Katja Borggrefe


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Halle
(Homepage)


www.ring2013.de




Da capo al Fine

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