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Musiktheater
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Alcina

Oper in drei Akten (HWV 34)
Libretto von Antonio Fanzaglia nach Ludovico Ariostos Orlando furioso
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 05' (eine Pause)

Premiere im "Palladium" in Köln-Mülheim am 16. Juni 2012

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Oper Köln
(Homepage)

Zauberoper ohne Zauber

Von Thomas Molke / Fotos: Klaus Lefebvre

Georg Friedrich Händels Zauberoper Alcina, die gewissermaßen mit Orlando und Ariodante einen Zyklus von Stücken bildet, die sich mit Auszügen aus Ariostos Epos Orlando furioso beschäftigen, stellte seinen letzten großen Opernerfolg in London dar, bevor er sich dem Oratorium widmete. Mit diesem Werk beschließt die Oper Köln eine Spielzeit, die in den letzten Monaten vor allem durch vehemente Spardiskussionen die Tagespresse beherrscht hat und über die nun in der letzten Pressemitteilung der Oper mit gewissem Stolz verkünden werden konnte, dass die Gesamteinnahmen bis zum 31.5.2012 bereits um 400.000,00 Euro höher lägen als im Vorjahr und damit das Einnahmeziel für die laufende Spielzeit bereits sechs Wochen vor Saisonende erreicht sei, was erneut den großen Erfolg des Hauses manifestiert. Nachdem der Spielbetrieb im für mehrere Jahre geschlossenen Opernhaus in der letzten Woche mit Wagners Meistersinger beendet worden war, fand die Premiere der Händel-Oper nun im Palladium in Köln-Mülheim statt. Ob es den eingeschränkten Bühnenmöglichkeiten der Spielstätte oder mangelnder Inspiration des Regie-Teams geschuldet ist, dass die Premiere nahezu wie eine konzertante Aufführung daherkam, ist diskutabel.

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Ruggiero (Franziska Gottwald) und Alcina (Claudia Rohrbach) im Glück.

Ingo Kerkhof geht in seiner Inszenierung von dem Ansatz aus, dass Händel mit seiner Oper über die Zauberin Alcina, die den Ritter Ruggiero auf ihrer Insel in Liebe gefangen hält, eigentlich gar kein magisches Spektakel komponiert, sondern sich nur auf die Gefühle einer liebenden Frau und eines im tiefsten Inneren verunsicherten Helden konzentriert habe, so dass es bei einer heutigen Produktion keines barocken Spektakels bedürfe, um das diffizile Seelenleben der Figuren auf die Bühne zu bringen. Die Bühne von Anna Neuser besteht folglich lediglich aus einem großen Bilderrahmen, den man auch als Guckkastenbühne interpretieren kann. Eine verschiebbare Stellwand stellt die Rückwand des leeren Bilderrahmens dar. In diesem Rahmen befindet sich nun Alcinas Zauberreich. Bradamante, Ruggieros verlassene Verlobte, und Melisso, sein Erzieher kommen nun auf der Suche nach Ruggiero durch den Zuschauersaal in dieser Welt an, wobei ihre beigefarbenen Trenchcoats (Kostüme: Stephan von Wedel) wohl andeuten sollen, dass die beiden zur Außenwelt gehören. Schließlich zieht auch Ruggiero im Verlauf des Stückes einen Trenchcoat an, wenn er sich entschließt, Alcina und ihr Reich hinter sich zu lassen.

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Morgana (Anna Palimina) liebt die als Mann verkleidete Bradamante (Katrin Wundsam).

Im ersten Akt befinden sich immerhin noch zwei Tische und insgesamt fünf Stühlen auf der Bühne. Der Sinn dieser beiden mit weißen Tischtüchern gedeckten Tafeln erschließt sich zwar nicht, aber ohne diese Elemente wäre Anne Neuser für die Produktion vielleicht völlig überflüssig gewesen. Auf dem rechten Tisch liegen rote Äpfel. Sind das die Früchte des Sündenfalls auf der Insel der Verführung? Jedenfalls räkelt sich Ruggiero mit Alcina im ersten Akt auf dem Tisch, um der als Mann verkleideten und unerkannten Bradamante seine Liebe zu der Zauberin kundzutun. Ab dem zweiten Akt ist die Bühne dann völlig leer und gehört nur den Protagonisten, wobei Kerkhof für die Personenregie nicht allzu viel einzufallen scheint. So lässt er Alcinas Feldherrn Oronte im dritten Akt, wenn er bereit ist, Morganas Untreue zu verzeihen, mit den Händen in der Hosentasche am Bilderrahmen seine Liebe zu Morgana besingen. Soll damit ausgedrückt werden, dass er trotz seiner Gefühle den Beteuerungen der angebeteten Morgana eigentlich keinen Glauben schenken kann? Hierfür spräche, dass er im zweiten Akt mehrmals mit weißer Kreide "fedeltà" an die Rückwand schreibt, dieses Wort aber immer wieder durchstreicht.

Während die zahlreichen Standbilder im zweiten und dritten Akt bei den Zuschauern den Eindruck vermitteln, dass es sich beinahe um eine konzertante Aufführung handelt, gelingt Kerkhof zumindest am Ende eine Deutung, die die bisweilen etwas langweilige Personenführung durchbricht. Wenn Ruggiero mit Bradamante, die mittlerweile als Braut in Weiß gekleidet ist, die Insel verlassen und mit einer Waffe die Insel zerstören will, bricht er beim Abdrücken der Waffe selbst leblos zusammen. So zerstört er also nicht Alcinas Zauberreich sondern sich selbst, während Alcina die einzige ist, die noch auf der Bühne steht und ihre Schlussarie "Mi restano le lagrime" singt. Dies mag als Anspielung darauf verstanden werden, dass Alcina Ruggiero im Terzett mit Bradamante einen baldigen Tod prophezeit hat. Auf den Chor "Dopo tante amare pene", der sich an die Zerstörung der Zauberinsel anschließt und in dem die zurückverwandelten Menschen ihre Befreiung feiern, verzichtet Kerkhof konsequenter Weise und lässt die Oper mit Alcinas Klagegesang tragisch enden.

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Alcinas (Claudia Rohrbach, Mitte) Zauberkraft ist gebrochen (links: Oberto (Adriana Bastidas Gamboa), rechts: Bradamante (Katrin Wundsam)).

Dass die Produktion mit großem Beifall bedacht wird, ist vor allem der musikalischen Umsetzung zu verdanken, die keine Wünsche offen lässt. Peter Neumann zeigt sich erneut als Fachmann auf dem Gebiet der Barockopern und führt das Gürzenich-Orchester Köln umsichtig und feinfühlig durch die vielschichtige Partitur. Dabei lässt er den Solistinnen und Solisten genügend Raum zur differenzierten Ausgestaltung ihrer zahlreichen Da-capo-Arien. Da ist zunächst einmal Adriana Bastidas Gamboa zu nennen, die mit ihren drei Arien in der relativ kleinen Rolle des Oberto stimmlich jeweils einen furiosen Auftritt hinlegt. Mit durchschlagendem Mezzo verflucht sie Alcina in ihrer letzten Arie "Barbara", wenn diese sie auffordert ein wildes Tier zu erschießen, in dem Oberto seinen verwandelten Vater erkennt. Auch die Verzweiflung in ihrer Auftrittsarie "Chi m'insegna", in der Oberto auf der Suche nach dem verschwundenen Vater ist, setzt Bastidas Gamboa szenisch und stimmlich eindringlich um. Anna Palimina lässt als Alcinas Schwester Morgana mit glockenklaren Koloraturen aufhorchen. Mit welcher Anmut sie in der ersten Arie "O s'apre al riso" die Neuankömmlinge Melisso und Bradamante begrüßt, entspricht dem Zauber der von Alcinas Reich ausgeht. Auch wie sie im dritten Akt mit "Credete al mio dolore" den eifersüchtigen Oronte erneut um den Finger zu wickeln versteht, ist stimmlich absolut glaubwürdig. John Heuzenroeder changiert mit hellem Tenor als Oronte zwischen eifersüchtig und leidenschaftlich Liebendem.

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Alcina (Claudia Rohrbach, stehend) bleiben nur Tränen (von links: Oronte (John Heuzenroeder), Melisso (Wolf Matthias Friedrich), Oberto (Adriana Bastidas Gamboa) und Ruggiero (Franziska Gottwald)).

Für die Rolle des Ruggiero verzichtet die Oper Köln auf einen Countertenor, verfügt mit Franziska Gottwald jedoch über eine Sängerdarstellerin, die mit ihrem warmem Mezzo den Helden glaubhaft verkörpert. Große Momente gelingen ihr mit den eindringlichen Arien "Mi lusinga il dolce affetto", in der sich Ruggiero nach Bradamante sehnt, und "Verdi prati", in der er bedauert, dass die Schönheit der Insel bald vergehen wird. Hervorragend gelingen ihr auch die Koloraturen in  der Gleichnisarie "Sta nell'ircana pietrosa tana" im dritten Akt, in der Ruggiero Alcina mit einer Tigerin vergleicht, die überlegt, ob sie fliehen oder sich dem Jäger stellen soll. Auch Katrin Wundsam verfügt als Bradamante über einen weichen und flexiblen Mezzo, der sich in ihrer Eifersuchtsarie "È gelosia" und ihrer Rachearie "Vorrei vendicarmi" zu großer Dramatik emporschwingen kann, in der Arie "All'alma fedel" im dritten Akt, wenn sie den Himmel um Erlösung ihrer Qualen bittet, aber auch milde Töne zum Ausdruck bringt. Claudia Rohrbach präsentiert in der Titelpartie ein umjubeltes Debüt. Mit scheinbarer Leichtigkeit schwebt ihr Sopran als hoffnungsvoll Liebende im ersten Akt in ungeahnten Höhen und vollzieht einen Wechsel zur gebrochenen Figur, wenn sie in ihrer großen Arie "Ah, mio cor!" erkennen muss, dass sie sich nicht nur in Ruggiero getäuscht hat, sondern auch noch ihre Zauberkräfte durch die Liebe eingebüßt hat. Da nützt es auch nichts, in "Ombre pallide" noch einmal die Geister der Unterwelt zur Hilfe zu rufen, so dass ihr am Ende in ihrer eindringlichen Schlussarie nur noch die Tränen bleiben.

Dass es keine Buhrufe für das Regieteam gibt, mag daran liegen, dass eine Regie in der Inszenierung kaum vorhanden ist, somit also auch die Erwartungen des Publikums nicht enttäuscht werden können. So ist man mit einer quasi konzertanten Präsentation auf diesem hohen  stimmlichen Niveau durchaus zufrieden und begnügt sich damit, den ansonsten frenetischen Applaus beim Auftritt des Regie-Teams etwas zu drosseln.


FAZIT

Musikalisch eine durch und durch überzeugende Produktion, die aber auch fast als konzertante Aufführung durchgehen würde. (Weitere Vorstellungen noch bis zum 7. Juli 2012)

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Peter Neumann

Inszenierung
Ingo Kerkhof

Bühne
Anne Neuser

Kostüme
Stephan von Wedel

Licht
Nicol Hungsberg

Dramaturgie
Tanja Fasching



Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Alcina
Claudia Rohrbach

Ruggiero
Franziska Gottwald

Morgana
Anna Palimina

Bradamante
Katrin Wundsam

Oronte
John Heuzenroeder

Melisso
Wolf Matthias Friedrich

Oberto
Adriana Bastidas Gamboa


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)





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