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Musiktheater
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Jugendoper von Ludger Vollmer
Libretto von Stephanie Schiller
nach Motiven von Euripides´ Tragödie Die Kinder des Herakles
empfohlen für Jugendliche ab 14 Jahren


Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Auftragswerk der Kinderoper Köln
Uraufführung im Palladium Köln-Mühlheim am 13. April 2012

Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Start Up im Kölner Palladium

Von Michael Cramer / Fotos: © Matthias Baus

Man nehme ein halbes Hundert halbwüchsiger Sänger und Sportler, eine Hand voll junger Solisten, einen rührigen 29jährigen Dirigenten und einen einfallsreichen jugendlichen Choreografen, dazu die Musik eines kreativen Komponisten, der sich schon mit mehreren musikalischen Jugendprojekten (Gegen die Wand, zuletzt am Theater Hagen gespielt - siehe unsere Rezension - und Schillers Räuber) einen guten Namen gemacht hatte. Herausgekommen ist dabei die erste Jugendoper in Köln, welche endlich die Lücke schließt zwischen der Kinderoper und dem seit Uwe Eric Laufenberg wieder sehr hoch angesiedelten „Großen Haus“.

Szenenfoto Erschießung von Makaria (von l.n.r.) Jugendchor, Gloria Rehm, Matias Tos

Regisseurin und unermüdlicher Motor ist Elena Tzavara, seit drei Jahren Leiterin der Kölner Kinderoper. Sie hat aus einer etwas verstaubten Institution mit gerafften Fassungen klassischer Opern eine stark frequentierte Bühne geschaffen mit altersspezifischen Neukompositionen. Und nun eine Jugendoper.

Zielgruppe sind Jugendliche vor und auf der Bühne, die Zuschauer wurden durch Workshops – Voraussetzung für den Kartenkauf – vorbereitet, sie mussten selbst spielen und singen, um die „Innenperspektive“ kennen zu lernen und so den Weg über das Theater zur Klassik zu finden. So waren auch schon die Aufführungen im Vorfeld praktisch ausverkauft. Frank Rohde, Leiter des Schulprojektes, nannte 200 Workshops und 12.000 Eintrittskarten für Schüler in der vergangenen Spielzeit in Oper und Konzert. Im Gespräch des Rezensenten mit Mitwirkenden in einer Probenpause war klar zu hören, dass die Saat aufzugehen scheint. Oper und Klassik begeistert zunehmend die Jugend und ist nicht nur da für angehende Rollatorfahrer. Hoffentlich berücksichtigen dies auch die finanziell Verantwortlichen für die derzeit wirtschaftlich arg gebeutelte Kölner Oper.

Szenenfoto

Die Geschwister am Grab des Vaters (von l.n.r.) Sandra Janke, Charlie Kedmenec, Gloria Rehm

Die Story basiert auf dem griechischen Drama Die Kinder des Herakles und passt in jede Zeit. Die durch einen politischen Mord zu Waisen gewordenen Kinder Abiah (Sandra Janke), Farid (Charlie Kedmenec) und Makaria (Gloria Rehm ) fliehen nach Deutschland zum dort im Exil lebenden Freund der Familie, Ialos, eindrucksvoll gesungen und gespielt von Werner Sindemann, einem Urgestein der Kölner Oper. Sein Sohn Manol (Ralf Rachbauer), ein Computerfreak, verliebt sich in Makaria; der Aufenthaltsort wird verraten, Geheimdienstchef Kopreus, mit dem Auftrag, auch die Kinder zu töten, erschießt Makaria. Eine Geschichte, welche heute im Nahen Osten oder Nordafrika spielen könnte und auch an DDR-Verhältnisse erinnert.

„Tatort“ ist die kleinere Halle im Opern-Ausweichquartier Palladium, plüsch- und vorhangfrei, gleich gegenüber dem von Jugendlichen stark frequentierten E-Werk. Als Bühne fungieren große Blöcke unterschiedlicher Höhe, schräge Flächen, Schluchten und Brücken, sie ist Stadt und Einöde zugleich; durch die subtile Lichtregie (Michael Werner) und wenige Objekte werden die verschiedenen Spielorte der Handlung klar herausgestellt. Über diese Flächen bewegen sich die Akteure, nach Castings ausgewählte Jugendliche aus unterschiedlichen Kölner Schulen und 15 angehende Sänger der Musikhochschule (Einstudierung Jens Olaf Burow) so professionell, dass sich mancher Opernchor eine Scheibe abschneiden könnte. Als graue Masse in geballtem Auftreten (eindrucksvoll der angedeutete Lynchmord an Kopreus, mit dem das Stück in Stille endete), als Individualisten, als Sportler, als Teppich aus Menschenleibern, der plötzlich aus den Spalten auftaucht und wieder verschwindet, und in strammer Reihe beim Deklamieren harter monotoner Sprechgesänge, ganz wie im griechischen Drama.

Szenenfoto Zarte Liebe (von l.n.r.) Ralf Rachbauer, Gloria Rehm mit Jugendchor

Optischer Höhepunkt und eindrucksvolles Symbol der Flucht der Geschwister oder auch der großen Flüchtlingsströme unserer Zeit Revue war der Parkour, sportliches Überwinden von natürlichen Hindernissen durch Springen, Ziehen oder Klettern auf der Bühne. Langsam beginnend wetzte die wilde Meute anscheinend ziellos, dennoch in zwingender Choreografie des jungen schlaksigen Parkour-Trainers Salim Ben Mammar und in Angst machendem Tempo über die Bühne, begleitet von atemberaubendem Trommelgewitter.

Die Musik von Ludger Vollmer ist klassisches Musiktheater, durchgehend packend, frisch, stark rhythmisch, dann wieder emotional, einschmeichelnd und sanft; man hört ein wenig Gregorianik, viel Orff, etwas Wagner, einiges aus der Sinfonik und dem Jazz. Das bestens aufgelegte und in voller Besetzung angetretene Gürzenichorchester hatte der Chef Markus Stenz dem jungen Aserbeidschaner Fuad Ibrahimov anvertraut, eine gute Entscheidung. Mit großen Bewegungen und präzisem Schlag steuerte er die Musiker – hinter dem Geschehen auf der der Bühne - durch die Partitur, tückisch und anspruchsvoll nicht nur für die Musiker, sondern auch für die Sänger, bis auf Ralf Rachbauer und Matias Tosi allesamt aus dem Kölner Opernstudio. Diese schlugen sich auch schauspielerisch allesamt ganz hervorragend, man vernahm frische junge Stimmen, höhensicher, wunderbar rund in den Mittellagen und bassschwarz. Nach dem ausklingenden Ende erst lange Stille, dann aber langer und jubelnder Beifall für Elena Tzavara und ihre bravouröse Truppe.

Szenenfoto

Jugendchor, Orchester im Hintergrund

Natürlich kann man darüber streiten, ob mehr politische Brisanz oder konsequentere Darstellung von Gut und Böse hätten sein sollen; auch die etwas harmlosen griechischen Kostüme waren diskutabel. Aber das verschwindet vor der hoch respektablen Leistung der Kölner Oper in Sachen Jugendarbeit; wie gerne erinnert man sich an die phänomenale Aufführung der Carmina Burana im vergangenen Jahr, szenisch ausschließlich mit Schülern aufgeführt. Ein kleiner Minuspunkt sind die leider nicht vorhandenen Obertitel, so dass es schwer war, in der akustisch ungünstigen Halle der Handlung zu folgen. Dafür gab es ein prachtvolles Programmheft mit einer Comic-ähnlichen Fotostory, Statements der Mitwirkenden zur Musik und verständlichen Texten zum Stück und zur Politik.

Anrührend dann Ludger Vollmer bei der Premierenfeier: „Bis jetzt gehörte die Oper mir, ich hatte sie im Kopf und dann auf Papier. Ihr habt sie heute zur Welt gebracht, jetzt gehört sie Euch". Da sah man bei einigen Jugendlichen ein kleines Tränchen fließen …


FAZIT

Ein musikalisch wie optisch packender Opernabend fast ohne Minuspunkte und eine großartige Leistung von Regie und jungem Team.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fuhad Ibrahimov

Idee und Regie
Elena Tzavara

Choreographie
Salim Ben Mammar

Bühne
Annika Haller

Kostüme
Elisabeth Vogetseder

Licht
Michael Werner

Chor
Jens Olaf Buhrow

Dramaturgie
Annika Haller


Schülerinnen und Schüler
verschiedener Kölner Schulen

Studierende der Musikhochschule Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Iolalos
Werner Sindemann

Manol
Ralf Rachbauer

Makaria
Gloria Rehm

Farid
Charlie Kedmenec

Abiah
Sandra Janke

Kopreus
Matias Tosi


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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