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Musiktheater
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Tosca

Oper in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
nach dem Drama La Tosca von Victorien Sardou
Musik von Giacomo Puccini


Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere in der "Oper am Dom" Köln am 17. Mai 2012

Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Willkommen im Musical Dome!

Von Stefan Schmöe / Fotos: Bernd Uhlig

Willkommen in der Oper am Dom! Die Kölner Oper zieht für drei Jahre, in denen das Stammhaus am Offenbach-Platz saniert wird, in das Theaterzelt direkt neben dem Hauptbahnhof, das vor ein paar Jahren für Musical-Produktionen errichtet wurde und jetzt vom „Musical Dome“ zur „Oper am Dom“ geadelt wird. Immerhin, man sitzt bequem, die Infrastruktur ist theatererprobt, das weitgehend unter die Bühne verschobene Orchester klingt gar nicht schlecht (die Blechbläser können ein sattes Forte spielen, ohne dass es dröhnt, das Klangbild ist durchaus differenziert), die Sänger wirken allerdings recht weit entfernt (was durch das nach allen Seiten offene Bühnenbild verstärkt sein könnte). Als erste Produktion an dieser wahrscheinlich immer noch bestmöglichen Interimsspielstätte steht mit Puccinis Tosca einer der ganz populären Hits der Opernliteratur auf dem Programm – um das Publikum an den neuen Ort zu gewöhnen, eine strategisch sicher nicht falsche Entscheidung. Und man soll die Tosca offenbar auch ohne Regietheaterschnörkel sofort wiedererkennen. Jedenfalls schwelgt Regisseur Thilo Reinhardt auch da in großen Bildern, wo ein wenig mehr konzeptionelle Arbeit gefragt wäre.

Szenenfoto Noch geht's nur um Eifersucht: Cavaradossi und Tosca

Dabei steht am Anfang der Regie die Entscheidung, die exakt auf den 17. und 18.6.1800 datierte, historisch genau fixierte Handlung in die Endphase des italienischen Faschismus zu legen – weil die Oper so „eine größere Nähe, eine größere Aktualität und damit eine größere Kraft“ entfalte, so steht's im Programmheft. Faschistische Scheusale lassen sich eben besonders schön brutal darstellen, soll das wohl heißen, denn Reinhardt scheint es vor allem darum zu gehen, die Grausamkeiten der Handlung herauszustellen. Da wird auf offener Bühne gefoltert (und nicht unsichtbar im Nebenraum), da gibt es mehr Exekutionen, als das Libretto vorsieht. So veristisch ist die Tosca sicher selten aufgeführt worden. Auf der Strecke bleibt, trotz einer durchaus engagierten (allerdings wenig originellen) Personenregie, die Spannung zwischen den Figuren und damit das eigentlich wichtige. Es gibt einen einzigen Moment, der wirklich aufschrecken lässt: Das ist die Ermordung des korrupten Polizeichefs Scarpia durch Tosca, wo die Regie sich vom Libretto entfernt und eine ungewöhnliche Lösung findet (mehr soll hier nicht verraten werden, es ist schließlich der einzige wirkliche Spannungsmoment der Inszenierung).

Szenenfoto

Schluss mit katholisch, hier kommen die blasphemischen Faschisten: Scarpia zelebriert das Te Deum auf seine Weise

Dabei beginnt es durchaus vielversprechend. Schon beim Einlass der Zuschauer in den Saal sieht man auf offener Bühne den Kirchenraum (der in allen drei Akten die Kulisse liefert, was leidlich funktioniert), in dem eine Messe zelebriert wird. Es ist viel (zu viel) Weihrauch in der Luft. Auf einer Seite sieht man Kriegsschäden, bei dem einen oder anderen Bombenanschlag rieselt Schutt herunter. Die Krisensituation ist somit deutlich (vielleicht schon überdeutlich) umrissen. Wenn Reinhardt aber das Te Deum am Ende des ersten Aktes als großen Fackelzug der Faschisten inszeniert, spätestens dann verselbstständigen sich die Bilder, werden zum Selbstzweck ohne dramaturgische Anbindung (wie auch die „Kreuzigung“ Cavaradossis des affirmativen Effektes wegen, nicht aus einer logischen Entwicklung eingebaut sein dürfte – er ist doch wahrlich kein Erlöser, nicht mal ein besonders strenggläubiger Katholik). So viel Effekthascherei leistet einer ziemlich überflüssigen Musicalisierung der Oper Vorschub, und so darf man am Ende der Premiere leicht verkatert sagen: Willkommen im Musical Dome, liebe Kölner Oper!

Szenenfoto Opfer physischer und psychischer Folter: Tosca und Cavaradossi

Es bedürfte da schon Sänger von anderer Statur, um gegen die Inflation der Bilder bestehen zu können. Das betrifft vor allem Scarpia, diesen Oberbösewicht der Operngeschichte. Oliver Zwarg bewältigt die Partie sehr ordentlich mit allen Höhen und Tiefen, aber seiner angenehmen Stimme fehlt jegliches dämonische Element, sodass eine deutliche Diskrepanz zwischen den ungeheuerlichen Behauptungen der Regie und der vokalen Umsetzung klafft. Takesha Meshé Kizart gibt eine blendend aussehende Tosca, optisch eine echte Diva in schicken Kleidern (die allerdings, nicht zuletzt des recht konventionellen Agierens wegen, viel besser in das Jahr 1800 passt als in das Jahr 1945). Vokal kann sie dies nicht einlösen. Sicher hat sie ein paar wirklich schöne Töne, aber das ziemlich aufdringliche Vibrato kaschiert oft eben auch, dass es der unausgeglichenen Stimme an klanglicher Substanz fehlt. Viel zu selten kann sie sich frei singen, selbst der Paradearie „Vissi d'arte“ fehlt die Linie. Und Calin Bratescu als Cavaradossi bringt zwar eine bewegliche, höhensichere und nicht zu helle Tenorstimme ein, aber auch manche Unarten wie das breiige Anschleifen der Töne bei größeren Intervallsprüngen. Je nach Vokalfärbung ist das Piano fast klanglos, und ein wenig mehr Glanz dürfte die Stimme auch haben. Vor allem aber wirkt jede Note akkurat einstudiert und nie aus der Situation oder der musikalischen Notwendigkeit geboren: Da singt, so der Höreindruck, ein (gar nicht mal so schlecht klingender) Langweiler. Und wie unsauber sowohl Tosca als auch Cavaradossi singen, das wird überdeutlich in den paar unbegleiteten Takten in ihrem Duett im Schlussakt – da stimmen sie weder untereinander überein noch mit dem nachfolgenden Orchestereinsatz.

Szenenfoto

Mehrfach erschossen: Cavaradossi

Bleibt auf der musikalischen Habenseite vor allem der tadellos singende Chor und Kinderchor (Mädchen und Knaben des Domchores) und, mit kleinen Einschränkungen, das meistens sehr ordentlich spielende Gürzenich-Orchester. Dessen Chefdirigent Markus Stenz schließt sich, ein Glück, der Drastik des Bühnengeschehens nicht an, sondern dirigiert weniger auf den Knalleffekt und mehr auf die sehr schön ausgeleuchteten Klangfarben der Partitur hin. In weichen, fließenden Bögen entsteht da eine andere, bessere, gar nicht mehr so veristische Tosca. In der Gesamtbilanz ist das ein bisschen wenig.


FAZIT
Warum Thilo Reinhardts beinharter Faschisten-Schocker überhaupt Puccinis Musik braucht, bleibt offen – leider können auch die Sänger keine plausible Antwort liefern. Gemessen an den Ansprüchen, die sich die Kölner Oper durch viele ausgezeichnete Produktionen zuletzt selbst gesetzt hat, ist diese Tosca eine Enttäuschung.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Stenz

Inszenierung
Thilo Reinhardt

Bühne
Paul Zoller

Kostüme
Ulli Kremer

Licht
Andreas Grüter

Chor
Andrew Ollivant
Oliver Sperling (Kinderchor)
Eberhard Metternich (Kinderchor)

Dramaturgie
Birgit Meyer


Chor der Oper Köln

Mädchen und Knaben
des Kölner Domchores

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Floria Tosca
Takesha Meshé Kizart

Mario Cavaradossi
Calin Bratescu

Baron Scarpia
Oliver Zwarg

Cesare Angelotti
Dennis Wilgenhof

Der Mesner
Tiziano Bracci

Spoletta
Martin Koch

Sciarrone
Sévag Tachdjian

Ein Schließer
Boris Djuric

Ein Hirt / Attavanti
Rachel Bate


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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