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La Fille de Madame Angot

Opéra comique in drei Akten
Libretto von Claireville, Paul Siraudin und Victor Koning
Musik von Charles Lecocq

In französischer Sprache mit französischen und niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra de Lausanne

Premiere  im Palais Opéra in Liège am 22. Dezember 2011
(rezensierte Aufführung: 27.12.2011)



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Verschwörungen im Walzerklang

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Charles Lecocq (1832 - 1918) teilt zumindest in Deutschland das Schicksal zahlreicher Komponisten, deren Werk dem Vergessen anheim gefallen ist. Dabei gehörte er in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zu den berühmtesten Vertretern der französischen Opéra comique, der mit seinen Werken nicht nur die französischsprachigen Bühnen beherrschte, sondern auch ins Deutsche, Englische und Italienische übersetzt wurde und im europäischen Ausland große Erfolge zu verbuchen hatte. Bereits 1991 hat die Opéra Royal de Wallonie den Versuch unternommen, mit La Fille de Madame Angot sein berühmtestes Oeuvre ins gängige Repertoire einzugliedern. Zwanzig Jahre später gibt es nun in einer Koproduktion mit der Opéra de Lausanne eine neue Produktion, die Lecocq zu dem ihm gebührenden Ruhm verhelfen soll.

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Clairette (Clémence Tilquin) liebt Ange Pitou (Mathieu Abelli), soll aber den Perückenmacher Pomponnet heiraten.

Der Titel des Werkes ist ein wenig irreführend, da die Titelfigur Clairette weder die Tochter einer Madame Angot ist, noch irgendjemand mit dem Namen Angot in dem Stück auftritt. Madame Angot ist eine fiktive Person, die in zahlreichen Theaterstücken und französischen Volksliedern den Archetypen eines cleveren Marktweibes repräsentiert, das durch eine gewisse Bauernschläue zu Wohlstand gelangt. Wenn Clairette sich im Couplet als Tochter der Madame Angot bezeichnet, ist dies im übertragenen Sinn zu verstehen, da sie als Waise von Marktfrauen in La Halle aufgezogen wurde und ihre Ziele mit großer Geschicklichkeit zu verfolgen versteht. Ein Ziel beispielsweise ist es, nicht den ihr bestimmten Perückenmacher Pomponnet zu heiraten, da sie den royalistischen Chansonnier Ange Pitou liebt. Doch dieser hat mit der Schauspielerin Mademoiselle Lange noch ein weiteres Eisen im Feuer, so dass Clairette sich nach zahlreichen Wendungen doch entschließt, den ihr treu ergebenen Pomponnet zum Gatten zu nehmen.

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Clairette (Clémence Tilquin, links) erhofft sich Hilfe von ihrer Freundin Mademoiselle Lange (Alexise Yerna, rechts), doch auch die Mademoiselle liebt Ange Pitou.

Die Oper spielt zur Zeit des Direktoriums um 1798, der letzten Regierungsform der Französischen Revolution. Nach dem Sturz Robespierres lag die Exekutive in der Hand eines fünfköpfigen Direktoriums. Ein sehr einflussreicher Vertreter dieses Direktoriums, Paul de Barras, tritt zwar in der Oper selbst nicht auf, spielt aber als Liebhaber der Mademoiselle Lange eine nicht unwesentliche Rolle, da diese durch diese Verbindung zum einen ein recht sorgenfreies Leben führt, zum anderen unbemerkt eine Verschwörung gegen das Direktorium anzettelt und mit den Incroyables, einer aristokratischen Gegenbewegung zur Revolution, und deren Frauen, den Merveilleuses, rauschende Feste feiert, die die Grundidee der Revolution ad absurdum führen. Dominique Borg hat bei den sehr opulenten Kostümen aus dem Vollen geschöpft und lässt mit hochragenden Perücken, aufwändigen Kleidern und Hüten die damalige Epoche wieder lebendig werden. Das wandlungsfähige Bühnenbild von Jean Haas zeigt im ersten Akt eine Straßenecke in La Halle mit Häuserfronten auf der rechten und linken Seite. Eine Guillotine auf dem Platz deutet an, dass die Schrecken der Revolution noch nicht vergessen sind. Im zweiten Akt fungieren die Häuserfronten als Hintergrund zu Mademoiselle Langes Salon, während im dritten Akt mit mehreren Tischen und Stühlen der Calypso-Ball im Belleville dargestellt wird.

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Allgemeine Verwirrung beim Calypso-Ball in Belleville: Pomponnet (Stéphane Malbec-Garcia, links), Clairette (Clémence Tilquin) und Larivaudière (Philippe Ermelier).

Gianni Santucci folgt in der Inszenierung der französischen Schauspielerin Anne Bourguignon, genannt Anémone, die für die Opéra de Lausanne im letzten Jahr eine libretto-getreue Umsetzung des Werkes gewählt und auf jegliche Aktualisierung verzichtet hat. Erwähnenswert ist das Ballett, das der vom Tanz kommende Santucci zu Beginn eines jeden Aktes auftreten lässt. Justine Arm und Giuliano Cardone scheinen in jeweils einem Pas de deux verschiedene Stationen der Französischen Revolution widerzuspiegeln. So treten die beiden zur Ouvertüre als Adliger mit weißer Perücke und Blumenmädchen auf, die zwar um einen gleichberechtigten Tanz bemüht zu sein scheinen, bei dem der Adlige aber immer die Oberhand behält und das Blumenmädchen unterdrückt. Vor dem zweiten Akt trägt Cardone eine Polizeiuniform. Der Tanz ist jetzt wesentlich gewalttätiger, da Arm als Mädchen mit Gewalt unterdrückt wird. Stellt das Mädchen La France dar, die von ihrer eigenen Revolution in die Knie gezwungen wird? Vor dem dritten Akt ist das Verhältnis zwischen den beiden recht ausgewogen. Nun treten sie als Schauspieler auf, die wie die Incroyables und die Merveilleuses eine dekadente Gesellschaft karikieren, die zwar einerseits lächerlich ist, was durch die übertriebenen Gesten ausgedrückt wird, sich andererseits aber auch in einem Gleichgewicht befindet, da keiner den anderen beherrscht.

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Clairette (Clémence Tilquin, links) und Mademoiselle Lange (Alexise Yerna, rechts) stehen sich beim Calypso-Ball als Rivalinnen gegenüber (im Hintergrund: der Chor).

Das Ensemble glänzt durch große Spielfreude und setzt die zahlreichen Verwirrungen und Verwicklungen des Stückes sehr temporeich um. Clémence Tilquin stattet die Titelfigur Clairette mit kräftigem Sopran aus und macht sehr deutlich, dass diese junge Frau genau weiß, was sie will. Alexise Yerna gibt als Mademoiselle Lange eine adäquate Gegenspielerin ab, die zum einen zu Clairette aufgrund vergangener Tage eine starke Zuneigung empfindet, sie zum anderen aber auch als gefährliche Konkurrentin um die Gunst des Chansonniers Ange Pitou fürchtet. Mit großem komödiantischem Talent treibt Yerna die Dekadenz der Figur auf die Spitze, was ihr expressiver Gesang ebenfalls unterstreicht. Bei diesem ausdrucksstarken Frauen-Duo ist es für die Herren gar nicht so leicht, sich zu behaupten. Dennoch finden auch die drei Liebhaber einen Weg, sich nicht von den beiden Damen an die Wand spielen zu lassen. Stéphane Malbec-Garcia stellt den Perückenmacher Pomponnet sehr exaltiert dar, so dass man durchaus nachvollziehen kann, wieso Clairette ihn nicht heiraten möchte. Mit seinem Tenor hat er bisweilen leichte Probleme, über den Orchestergraben zu kommen. Philippe Ermelier wirkt als stets eifersüchtiger Larivaudière, der Mademoiselle Lange mit eindeutigen Absichten aushält, mit gut disponiertem Bariton kaum attraktiver. Da hat es Mathieu Abelli als Ange Pitou nicht schwer, die beiden Rivalen auszuschalten. Sein strahlender Tenor und sein attraktives Äußeres machen deutlich, wieso beide Frauen an ihm mehr Interesse haben als an den beiden anderen, selbst wenn er es mit der Treue nicht so genau hält.

Tristan Faes setzt als Incroyable Trenitz ebenfalls sehr komische Akzente. Auch Magali Mayenne als Amaranthe und Jacques Calatayud als Sergeant Louchard gefallen durch ambitioniertes Spiel. Großes Lob gebührt auch dem Chor der Opéra Royal de Wallonie, der in zahlreichen Solistenrollen mit großem Spielwitz agiert und musikalisch einen homogenen Klangkörper bildet. Abgerundet wir der unterhaltsame Abend durch das forsch aufspielende Orchester der Opéra Royal de Wallonie unter der Leitung von Emmanuel Joel-Hornak, der ein feines Gespür für den spritzig perlenden Klang der Partitur beweist. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten. Auch der Regisseur Gianni Santucci nimmt nach dieser dritten Aufführung die ihm gebührenden Ovationen vom Publikum entgegen.



FAZIT

Diese bunte und spritzige Operette dürfte gute Unterhaltung für den Silvesterabend bieten. Wer der französischen Sprache allerdings nicht mächtig ist, dürfte beim Wortwitz der gesprochenen Dialoge jedoch Verständnisprobleme haben.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Emmanuel Joel-Hornak

Inszenierung
Gianni Santucci
nach Anémone

Bühne
Jean Haas

Kostüme
Dominique Borg

Licht
Patrick Méeüs

Choreographie
Gianni Santucci

Chorleitung
Marcel Seminara


Orchester und Chor
der Opéra Royal de Wallonie

 


Solisten

Clairette
Clémence Tilquin

Mademoiselle Lange
Alexise Yerna

Amaranthe
Magali Mayenne

Ange Pitou
Mathieu Abelli

Pomponnet
Stéphane Malbec-Garcia

Larivaudière
Philippe Ermelier

Louchard
Jacques Calatayud

Trenitz
Tristan Faes

Cydalise
Mimi Coquaz

Hersilie / Babet
Chantal Glaude

Mademoiselle Delaunay
Anne Seghers

Madame Herbelin
Chantal Herbillon

Javotte
Myriam Hautregard

Thérèse
Palmina Grottola

Cadet
Pierre Gathier

Buteux
Louis-Marie Gillis

Guillaume
Carmelo de Giosa

L'officier
Marc Tissons

Le cabaretier
Alexei Gorbatchev

Danseurs
Justine Arm
Giuliano Cardone

Membres du Cejiel
Baudouin Albert
Laurent Fleury
Andrée Ransart


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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