Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Das Rheingold

Vorabend zu dem Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (keine Pause)

Premiere am 4. Februar 2012 an der Bayerischen Staatsoper München




Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Menschen, überall Menschen

Von Roberto Becker / Fotos von Wilfried Hösl

München und der Nibelungen-Ring - das ist eine Geschichte für sich. Mit einem Problemkapitel im 19. Jahrhundert, wo der wagnerverrückte König Ludwig II. die Uraufführung des Rheingolds (und der Walküre) gegen den Willen seines Komponisten-Idols in München über die Bühne gehen ließ. Aber auch mit einer späten Fortsetzung, als nämlich der mit dem Ring schon von Brüssel her vertraute Bühnenbildner und Regisseur Herbert Wernicke nach seiner Neuinszenierung des Rheingolds plötzlich starb. Er hatte die diffizile Beziehung zwischen dem Wagner-Gral Bayreuth und der Wagner-Hochburg München schon in einem spektakulären Festspielhaus-Bühnenbild miteinander verschränkt. Das ließ sich von fremder Hand nicht fortsetzen und so erhielt David Alden die Chance für seine (wie man es auswärts gerne nennt) Eurotrash-Version der Tetralogie.

Mit einem gut kalkulierten Risiko geht der Münchner Intendant Nikolaus Bachler jetzt an eine Ring-Neuauflage heran. Sie soll bis Juni 2012 stehen, ist also im Wagnerjahr 2013 schon erprobt, gut vorzuzeigen und natürlich zu verkaufen. Musikalisch liegt das Großprojekt (wie man nach dem Vorabend jetzt sagen kann: glücklicherweise) in den Händen des scheidenden GMD Kent Nagano. Sein designierter Nachfolger Kirill Petrenko ist ja schon lange für den Bayreuther Jubiläums-Ring im nächsten Jahr vorgesehen, den nach langem hin und her Frank Castorf inszenieren wird. Wobei man jetzt mit einigem Erstaunen liest, dass ausgerechnet Petrenkos Unterschrift unter seinen Vertrag noch fehlt.

Vergrößerung in neuem Fenster

Alberich im Rhein

Die Erwartungen an einen neuen Jahrhundertring sind - hier wie dort – allerdings nicht zu erfüllen. In diesem Ruf steht ja wegen der exemplarisch gelungenen Kapitalismuskritik zum Wagnersound notorisch Patrice Chereaus Bayreuther Wurf von 1976, der seinerseits Joachim Herz' Leipziger Vorlage gefolgt war. Eine historische Epoche – samt ihrer realen Sozialismus-Kritik - später, wäre jede Neuauflage dieses Ansatzes von vornherein „nur“ eine Variation zum Thema. Ambitionierte Regisseure suchen daher heute nach autonomen Neuansätzen, um die Relevanz dieses Ausnahmewelttheaters nicht zu verspielen.

Der auch in der Oper (u.a. mit seinem Münchner Wozzeck) erfolgreiche Schauspielregisseur Andreas Kriegenburg lässt in Harald B. Thors nüchternem Bühnenkasten aus lauter beweglichen Wänden denn auch alles beiseite, was den Rhein, Nibelheim oder Walhall historisch konkret verorten würde. Stattdessen sucht er nach den Orten, Zuständen oder Zwängen, die bei Wagner in märchenhafter Gestalt auftauchen, in uns oder unter uns Menschen von heute. Einen geschlossenen Vorhang gibt es nicht, und so kann man beim Betreten des Zuschauerraums beobachten, wie sich auf der Bühne unzählige Statisten begrüßen, miteinander plaudern und wie der Regisseur selbst und sein Team sich mal hier mal da dazusetzen um noch Ratschläge zu erteilen, oder eben jenes Seht-her-es-ist-Theater-Spiel aufzuführen, das das bevorstehende Bühnengeschehen für jeden verständlich als Diskurs relativiert.

Foto

Wotan und die Riesen

Wenn dann die Musik einsetzt, legt der Bewegungschor seine Kleidung ab, alle beschmieren sich mit blauer Farbe und wogen dann ziemlich eindrucksvoll als Rhein vor sich hin. Alberich schwimmt schon da sozusagen gegen den Menschenstrom, was ihm den Entschluss erleichtern dürfte, sich mit dem goldenen Rheingold-Mädchen über der Schulter davon zu machen. Wenn diese Darsteller dann als dreckverschmierte Nibelungen in jenem Schlitz, der die Decken- und die Bodenplatte fast zusammenführt, wenn es nach Nibelheim geht, unter der Knute von Aufsehern Erz schleppen, manche zusammenbrechen und sofort entsorgt und offenbar verbrannt werden (jedenfalls gibt es jedesmal eine Stichflamme), oder wenn die Urmutter Erda bei ihrem Auftauchen von archaischen Lemuren umspielt wird, ist das zwar nicht ganz so originell, funktioniert aber als Menschentheaterbild immer noch recht eindrucksvoll.

Vergrößerung in neuem Fenster

Das Lösegeld für Freia

Tauchen dann die Riesen Fasolt und Fafner auf, um den vereinbarten Lohn einzufordern, dann verweist ihr Arbeiterblau darauf, dass sie die einzigen in der ganzen Tetralogie sind, die einer schweren und Werte schaffenden Arbeit nachgehen. Hier thronen sie auf Menschen-Würfeln. Geronnene Arbeit so in ein Bild von zusammengepressten Menschen zu übersetzten, das hat dialektischen Witz. Das Riesenhafte ist bei ihnen Pose. Sie lassen sich für ihren Streit mit ihrem windigen Auftraggeber einen Riesenmantel und ebenso gewaltige Arme und Beine reichen, verkehren aber ansonsten als Partner auf Augenhöhe. Im Falle Fasolts offenbar so überzeugend, dass sich sein Entführungsopfer Freia offenbar mehr als nur für ihn erwärmt. Wenn er im Streit um die Goldbarren-Beute von seinem Bruder ermordet wird (dem Loge wie zufällig ein Messer in die Hände spielt), dann ist Freia wirklich geschockt. Für den Weg nach Nibelheim und wieder zurück wird die Wegbeschreibung auf die beiden schräg aufeinander zu laufenden Platten projiziert. Überzeugend die Funktionsprobe des Tarnhelms (durch Blendscheinwerfer ins Publikum), eher mäßig furchterregend Alberichs Verwandlung in einen Riesenwurm, der hier eine zwar lichterloh brennendes, aber eher mickriges Würmchen ist, das über die Bühne getragen wird.

Der große (entscheidende) Rest freilich ist eine Personenregie, bei der die Götter als kleinkarierte Möchtegern-Herrscher dastehen (was ja in den besten Bundesrepubliken vorkommen soll), aufeinander losgehen und am Ende nur noch mit letzter Kraft den Schein wahren. Dieser Wotan jedenfalls schafft es nur noch, den Fuß über die Schwelle seines neuen Eigenheims zu setzten, wenn ihn seine Sippschaft stützt. Und er muss obendrein aufpassen, dass er nicht in die Grube stürzt, in der die Goldbarren verschwunden sind, mit denen er die für das Anti-Aging der Götter zuständige Freia aus der Geiselhaft der Riesen losgekauft hat.

Foto

Der Einzug der Götter

Johan Reuter nahm sich als Wotan zwar auch manche Freiheiten in der Intonation, überzeugte aber insgesamt ebenso wie die souveräne Sophie Koch als Fricka, Levente Molnárs als Donner, Thomas Blondelles als Froh und Catherine Wyn-Rogers als kalkweiß archaische Erda. Die Riesen waren mit Thorsten Grümbel (Fasolt) und Phillip Ens (Fafner) ebenso solide besetzt wie auch der Mime mit Ulrich Reß. Dass man sich in München kurzfristig Johannes Martin Kränzle als Alberich ausborgen musste, bescherte dem Vorabend die überzeugendste sängerdarstellerische Leistung (tagsdrauf gab der aktuelle „Sänger des Jahres“ auch in Frankfurt als Gunther den Maßstab vor). Vom guten Münchner Ensemble prägten sich zudem der exzellente Loge von Stefan Margita als Intrigant im Roten Anzug und aus der blonden Göttersippe die Freia von Aga Mikolaj besonders ein.

Kent Nagano schließlich machte aus diesem Vorabend am Pult des Bayerischen Staatsorchesters ein erstaunlich sinnliches, die Sänger meist gut einbettendes Wagnerereignis. Es wurde mit reichlichem Jubel bedacht und schloss (ganz wagnerunüblich) auch das Regieteam ein.

FAZIT

In München ist musikalisch und szenisch ein vielversprechender Ring-Auftakt gelungen von dem man nur hoffen kann, dass er das musikalische Niveau hält und szenisch am Ende aufgeht.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Inszenierung
Andreas Kriegenburg

Bühne
Harald B. Thor

Kostüme
Andrea Schraad

Licht
Stefan Bollinger

Choreographie
Zenta Haerter

Dramaturgie
Marion Tiedtke,
Miron Hakenbeck



Statisterie der Bayerischen Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten

Wotan
Johan Reuter

Donner
Levente Molnár

Froh
Thomas Blondelle

Loge
Stefan Margita

Alberich
Johannes Martin Kränzle

Mime
Ulrich Reß

Fasolt
Thorsten Grümbel

Fafner
Phillip Ens

Fricka
Sophie Koch

Freia
Aga Mikolaj

Erda
Catherine Wyn-Rogers

Woglinde
Eri Nakamura

Wellgunde
Angela Brower

Floßhilde
Okka von der Damerau


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter

 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)


Zu unseren Rezensionen von
Die Walküre, Siegfried
und Götterdämmerung,



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -