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Amadis des Gaules

Tragédie lyrique in drei Akten
Libretto von Alphonse-Denis-Marie de Vismes du Valgay nach Philippe Quinault
Musik von Johann Christian Bach

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 50'  (keine Pause)

Wiederaufnahme im Nationaltheater Mannheim am 3. Januar 2012


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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Das Böse lauert überall

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Seit einigen Jahren präsentiert das Nationaltheater Mannheim Opernausgrabungen, die unter dem Kurfürsten Carl Theodor an der Hofoper in Mannheim ihre Uraufführung erlebt haben. Doch bevor im Juli Johann Christian Bachs erste Oper für den kurfürstlichen Hof, Temistocle, im Rahmen des Mannheimer Mozartsommers 2012 ihre Premiere feiern wird, wird jetzt noch einmal ein anderes Werk des jüngsten Sohns von Johann Sebastian Bach wieder aufgenommen, welches bereits vor zwei Spielzeiten in Nicolas Briegers spannender Deutung zu erleben war (siehe auch unsere Rezension von 2009): Amadis des Gaules. Bach hatte diese Oper 1779 für die Pariser Oper komponiert, und obwohl man diesem Auftragswerk mit großer Spannung entgegenfieberte, war ihm kein lang anhaltender Erfolg beschieden, da Bach weder die Erwartung der Piccini-Anhänger, die den italienischen ariosen Stil bevorzugten, noch die der Gluck-Anhänger, die eine Fortführung der Reformideen vermissten, erfüllte.

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Noch ist die Welt für Amadis (Maximilian Schmitt) und Oriane (Cornelia Ptassek) in Ordnung.

Die Handlung basiert auf einem spanischen Ritterroman des 14. Jahrhunderts, der im 16. Jahrhundert ins Französische übersetzt worden war und aus dem bereits Philippe Quinault ein Libretto geformt hatte, das Lully 1684 vertont hatte. Bach komprimierte mit seinem Librettisten Alphonse-Denis-Marie de Vismes das ursprünglich fünfaktige Werk auf drei Akte. Arcalaus, ein Fürst der Finsternis, will mit seiner Schwester Arcabonne den Tod seines Bruders Ardan rächen, den der Ritter Amadis im Kampf um die schöne Oriane getötet hat. Doch Arcabonne hat sich in den Ritter verliebt, weil er sie vor einem gefährlichen Ungeheuer gerettet hat. Als sich Amadis und Oriane mit Hilfe dämonischer Mächte in ihrer Gewalt befinden, bringt sie es deshalb nicht über sich, Amadis hinzurichten, und lässt stattdessen auf seinen Wunsch hin alle anderen Gefangenen frei. Dennoch ist ihr Versuch, den jungen Ritter für sich zu gewinnen, nicht von Erfolg gekrönt, da dieser Oriane auf ewig die Treue schwört. Nachdem die Göttin Urgande vom Himmel herabgestiegen ist, und Arcalaus' schändlichem Treiben ein Ende gesetzt hat, nimmt sich Arcabonne am Grab ihres Bruders Ardan das Leben, während Arcalaus entschwindet, um andernorts weitere Missetaten zu planen.

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Doch Arcalaus (Thomas Berau) und Arcabonne (Marie-Belle Sandis) planen, dieses Glück zu zerstören.

Das Regie-Team um Nicolas Brieger wählt für die Inszenierung einen symbolhaften Ansatz, der sich vor allem durch die Reduktion auf die Farben Weiß, Schwarz und Rot auszeichnet. Das Bühnenbild von Roland Aeschlimann stellt auf zwei Ebenen einerseits die hehre Oberwelt des Amadis in Weiß als asymmetrisch angeordnete Stufen, andererseits darunter den recht dunkel gehaltenen Machtbereich des Arcalaus dar. Doch auch die obere weiße Ebene ist nicht frei von schwarzen Elementen, wird sie doch durch einen schwarzen Fadenvorhang zweigeteilt. So gibt es zum einen die anfangs heile Welt hinter dem Vorhang, in der Amadis mit Oriane ein glückliches Leben führt und die Arcalaus und seine Schwester zu zerstören suchen, zum anderen die für die Mächte des Bösen anfällige Welt vor dem Vorhang, in der Oriane den Geliebten der Untreue bezichtigt. In der Mitte des vorderen Bereichs führt eine Falltür hinab in Arcalaus' Reich. Auch die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer trennen sauber zwischen den Guten in Weiß (Amadis und Oriane), wobei Amadis' schwarzes Hemd und Orianes schwarzer Gürtel über dem weißen Kleid aber durchaus zeigen, dass auch sie anfällig für das Böse sind, und die Bösen in Schwarz (Arcalaus und Arcabonne), wobei ihre Kostüme mit roten Streifen durchzogen sind, die für Leidenschaft in jeglichem Sinne stehen. Auch Oriane trägt im zweiten Teil, wenn sie Amadis für seine angebliche Untreue ewigen Hass schwört, ein knallrotes Kleid.

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Und schon ist es aus mit dem häuslichen Frieden: Oriane (Cornelia Ptassek) bezichtigt Amadis (Maximilian Schmitt) der Untreue.

Der Zuschauerraum wird recht wirksam in die Inszenierung einbezogen. Wenn Arcalaus im ersten Akt den Chor der Dämonen heraufbeschwört, der ihn bei seinem Rachefeldzug gegen Amadis unterstützen soll, wendet er sich ans Publikum, und der Chor der Dämonen entpuppt sich als scheinbar harmloses Theaterpublikum, das sich aus dem Parkett erhebt und unter der unauffälligen Abendgarderobe schwarze Netzhemden und Lack und Leder trägt. Auch wenn Arcalaus sich am Ende nach seiner Niederlage einen anderen Ort für seine Missetaten sucht, taucht er im Publikum unter. Das Böse lauert also überall, auch im Zuschauerraum.

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Amadis (Maximilian Schmitt) bittet Arcabonne (Marie-Belle Sandis), seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch Arcabonne ist nicht in der Lage, ihren Retter zu töten.

Dem der Opera seria geschuldeten glücklichen Ende misstraut Brieger, weil er es nicht für glaubhaft hält, dass Oriane am Schluss einlenkt und auf Weisung der Gottheit zu ihrer Liebe zu Amadis zurückfindet. Wenn folglich Urgande im wallenden weißen Kleid mit Engelflügeln auftritt, um Amadis und Oriane erneut in Liebe zu vereinen, fällt ein riesiges weißes Tuch vom Schnürboden, in das sich die beiden verwickeln. So wirken ihre Treueschwüre fast unfreiwillig komisch, da sie gleichzeitig versuchen, sich von dem Tuch zu befreien. Während der Chor - jetzt wieder in Abendgarderobe - die neue glückliche Liebe besingt, gelingt es den beiden allerdings, sich von dem weißen Tuch zu befreien und auf unterschiedlichen Seiten die Bühne zu verlassen, so dass Urgande zusammenbricht.

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Arcalaus (Thomas Berau) scheint am Ziel zu sein. Oriane (Cornelia Ptassek) ist in seiner Gewalt und hat Amadis ewigen Hass geschworen.

Bei so einer kurzweiligen Inszenierung fehlt nur noch eine hochkarätige musikalische Umsetzung, um den Abend perfekt zu machen. Und auch in diesem Punkt werden die Erwartungen des Publikums in keiner Hinsicht enttäuscht. Das Orchester des Nationaltheaters Mannheim zaubert unter der Leitung von Michael Cook einen stets akkuraten Klang aus dem Graben, der in den sinfonischen Passagen und den Chorszenen stark an Glucks Reformopern erinnert, in den dramatischen Arien bereits Mozarts Königin der Nacht vorwegnimmt. Großes Lob gebührt in diesem Zusammenhang auch dem Chor, der unter der Leitung von Tilmann Michael durch Homogenität und Durchschlagskraft begeistert.

Maximilian Schmitt wurde zwar als indisponiert angesagt, meistert die Titelpartie aber mit sicherem Tenor, der sich nur in den Höhen gelegentlich etwas zurückhält. Cornelia Ptassek stattet seine Geliebte Oriane mit kräftigem Sopran aus, der vor allem in den Höhen über ein gewaltiges Volumen verfügt. Antje Bitterlich überzeugt als 1. Coryphée mit sauberen Koloraturen, und auch Anne-Theresa Mĝller und Johannes Wimmer gefallen in den kleineren Partien. Die anspruchsvollsten Aufgaben fallen musikalisch in diesem Stück den Bösewichten zu. Marie-Belle Sandis gestaltet die zwischen Liebe und Hass schwankende Arcabonne mit dramatischem Sopran und versteht es auch darstellerisch, dieser konfliktbeladenen Figur Leben einzuhauchen. Star des Abends ist der Bariton Thomas Berau, der den Bösewicht Arcalaus nicht nur mit einer kräftigen, dunklen Stimme ausstattet, sondern durch sein charismatisches Spiel Amadis' Gegenspieler zum eigentlichen Helden des Abends werden lässt. So gibt es am Ende berechtigten, lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten.


FAZIT

Warum dieses Werk in Vergessenheit geraten ist, ist aus musikalischer Sicht nicht ganz nachvollziehbar. Daher ist ein Besuch in Mannheim auf jeden Fall empfehlenswert. (Weitere Termine: 15. und 28. Januar 2012)


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Cook

Inszenierung
Nicolas Brieger

Bühne
Roland Aeschlimann

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Mitarbeit Kostüme
Anne Dehof

Licht
Alexander Koppelmann

Chor
Tilmann Michael

Dramaturgie
Klaus-Peter Kehr /
Regine Elzenheimer



Chor, Statisterie und
Bewegungschor des
Nationaltheaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim

Solisten

*rezensierte Aufführung

Amadis
Maximilian Schmitt

Oriane
Cornelia Ptassek

Arcabonne
Marie-Belle Sandis

Arcalaus
Thomas Berau

Urgande
*Anne-Theresa Møller /
Katrin Wagner


1. Coryphée
Antje Bitterlich

2. Coryphée
*Anne-Theresa Møller /
Katrin Wagner

L'Ombre de Ardan Canil
Johannes Wimmer

La Heine
*Jun-Ho Lee /
Junchul Ye

La Discorde
Sibylle Booz




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

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