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Miriways

Singspiel in drei Akten (TVWV 21:24)

nach einem Libretto von Johann Samuel Müller

Musik von Georg Philipp Telemann

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Theater Magdeburg am 10. März 2012
im Rahmen der 21. Magdeburger Telemann-Festtage

 



Theater Magdeburg
(Homepage)

Orientalische Barockoper mit Perserteppich

Von Thomas Molke / Fotos von Nilz Böhme (© Theater Magdeburg)

Georg Philipp Telemann gehört gewiss nicht zu den Komponisten, die allzu häufig auf den Spielplänen der Opernbühnen zu finden sind. Da bedarf es schon - vom Staatstheater am Gärtnerplatz in München einmal abgesehen, das bis Oktober 2011  Der geduldige Sokrates (siehe auch unsere Rezension) präsentiert hat, - Festivals, die das Opernschaffen des vielfach in diesem Bereich unterschätzten Komponisten in das Bewusstsein des Publikums bringen. Nach den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck, bei denen im letzten Jahr eine überzeugende Deutung der Oper Flavius Bertaridus, König der Langobarden (siehe auch unsere Rezension) zu erleben war, die in dieser Spielzeit auch noch von der Hamburgischen Staatsoper übernommen worden ist, haben sich natürlich vor allem die Magdeburger Telemann-Festtage dem Ansinnen verschrieben, Telemanns Werk zu verbreiten. In diesem Jahr steht mit Miriways gleich in doppelter Hinsicht eine Besonderheit auf dem Programm. Zum einen handelt es sich dabei um die letzte noch szenisch wiederzuentdeckende Oper, die nach der Uraufführung 1728 im Gänsemarkt-Theater in Hamburg bis jetzt nur konzertant bei den 11. Magdeburger Telemann-Festtagen 1992 zu erleben war. Zum anderen ist die Handlung für eine Barockoper eher untypisch, da sie seinerzeit tagesaktuelle Vorgänge aus dem mittleren Osten über Mir Wais, einen historisch belegten afghanischen Stammesfürsten, aufgreift.

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Miriways (Markus Volpert) liebt Samischa (Ida Aldrian) noch immer und trauert um die verlorene Zeit.

Auch wenn es nach heutigem Kenntnisstand nicht Mir Wais, sondern sein Sohn Mir Maghmud war, der Persien 1722 unterwarf und den Schah Sultan Husain zum Abdanken zwang, behält Telemann in seiner Oper den Namen des Vaters bei, zumal die historischen Ereignisse nicht Hauptthema der Oper sind und nur am Rande interessieren. So stehen die Liebesverwicklungen um Sophi, den Sohn des abgesetzten Schahs, im Mittelpunkt der Handlung. Miriways will ihm die Herrschaft über Persien übertragen, wenn er bereit ist, eine Frau zur Braut zu nehmen, die seinem zukünftigen Stand entspricht und zu diesem Zweck von Miriways ausgewählt werden soll. Doch Sophi will lieber auf den Thron als auf die Liebe zur schönen Bemira verzichten und schlägt deshalb Miriways' Angebot aus. Erst als sich am Ende der Oper herausstellt, dass besagt Bemira die verschollene Tochter von Miriways und seiner ehemaligen Geliebten Samischa ist, die weggegeben werden musste, da Miriways Samischa aus Staatsgründen nicht heiraten durfte, steht dem Happy End nichts mehr im Weg. Ein weiterer Handlungsstrang der Oper beschäftigt sich mit dem rivalisierenden Kampf zwischen Samischas Bruder Murzah und dem persischen Fürsten Zemir um die Gunst der jungen Witwe Nisibis, die einst nach Persien geflohen ist und bei der Bemira als vermeintliche Schwester aufgewachsen ist. Zemir versteht es, durch zahlreiche Intrigen alle Liebesbeweise, die Murzah der Geliebten bringt, sich selbst zuzuschreiben. Doch Murzah kann ihn mit Samischas Hilfe als Lügner entlarven, und so findet auch das zweite Liebespaar am Ende glücklich zusammen.

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Sophi (Ulrike Hofbauer, rechts) liebt die schöne Bemira (Julie Martin du Theil, links), fürchtet aber, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie geben wird.

Jakob Peters-Messer hat in seiner Inszenierung auf eine plakative Aktualisierung verzichtet und vermittelt stattdessen mit den Kostümen von Markus Meyer einen Hauch von exotischem Barock, ohne dabei jedoch allzu historisierend zu wirken. Das Bühnenbild, für das ebenfalls Markus Meyer verantwortlich zeichnet, besteht dabei aus einem riesigen persischen Wandteppich, dessen innerer Bereich in den Schnürboden hochgezogen werden kann und somit den Blick auf einen weiteren Wandteppich gewissermaßen im Rahmen des alten Teppichs freigibt. So finden zu Beginn der Handlungsstrang um Miriways, Sophi und Bemira vor dem Teppich statt, während  die Geschichte um Nisibis, Murzah und Zemir zunächst hinter dem ersten Wandteppich spielt. Erst wenn die Handlungsstränge ineinander greifen, werden auch die einzelnen Ebenen überschritten. Am Anfang ist vor der Bühne ein Gitter herabgelassen, was wohl die Einnahme des persischen Reiches andeuten soll. Wenn Miriways sich entschließt, Sophi die Herrschaft zu übertragen und damit Persien wieder freizulassen, wird dieses Gitter in den Schnürboden emporgezogen. Erst als Sophi sich beharrlich Miriways' Wünschen widersetzt und eher bereit ist, auf den Thron und damit auf die wieder gewonnene Freiheit zu verzichten, wird das Gitter wieder herabgelassen und ist auch auf der Bühnenrückseite hinter dem Wandteppich zu sehen, so dass angedeutet wird, dass eine Flucht für Sophi unmöglich ist. Wenn Bemira ihm als Braut zugeführt wird und sich damit alles zum Guten wendet, verschwindet auch dieses hintere Gitter.

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Murzah (Stefan Zenkl) liebt Nisibis (Gabriele Hierdeis, mit Sebastian Tiede als Leopard), ist in seinem Werben jedoch ein bisschen zu zurückhaltend.

In der Personenregie nimmt Peters-Messer immer dann Eingriffe vor, wenn ihm der dramaturgische Handlungsablauf des Librettos nicht plausibel erscheint. So lässt er den Geist, der Sophi erscheint, um ihn zu ermahnen, aus Staatsräson auf die Liebe zu verzichten und auf Miriways' Angebot einzugehen, konsequenter Weise von Miriways selbst inszenieren, indem er einen Diener mit einer Totenkopfmaske ausstattet, der dann in gewaltigen Nebelschwaden durch ein Loch im hinteren Wandteppich erscheint. Gesungen wird der Text dabei vom Interpreten des Miriways, was ebenfalls unterstreicht, dass diese Geistererscheinung nicht real ist. Auch die Versöhnung zwischen Nisibis und Murzah im letzten Akt bedarf bei Peters-Messer einiger Zeit, wobei man an dieser Stelle das Gefühl haben könnte, dass hier gegen die Musik inszeniert wird. Doch bei näherer Betrachtung wirkt auch dieser Ansatz realistisch, da es unglaubwürdig wäre, wenn Nisibis nicht zunächst ihr Unverständnis darüber, dass Murzah seine Gefühle ihr gegenüber nicht vorher bereits deutlicher geäußert hat, in einer gewissen Wut ausdrücken würde. Auch dem glücklichen Ende misstraut Peters-Messer ein wenig, so dass sich in das Gruppenbild der Paare der verschlagene Zemir mit einer Waffe hinter dem Rücken einreiht. Zwar zerstört er das friedliche Bild am Ende nicht, was auch nicht mit der feierlichen Musik in Einklang zu bringen wäre, einen faden Beigeschmack bekommt der Schluss aber dennoch.

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Markus Volpert als nachdenklicher Herrscher Miriways.

Für die musikalische Umsetzung konnte das L'Orfeo Barockorchester gewonnen werden, das unter der Leitung von Michi Gaigg seinem Namen als eines der führenden Ensembles historisch informierter Aufführungspraxis alle Ehre macht. Mit viel Gespür führt Gaigg das Ensemble durch die vielschichtige Partitur, die mit der ungewohnten Perkussion einen durchaus exotischen Anstrich erhält. Das einzige Manko ist, dass die Hörner in den schnellen martialischen Läufen nicht immer ganz sauber klingen. Vom Magdeburger Opernensemble überzeugen Julie Martin du Theil als Bemira mit glockenklarem, mädchenhaftem Sopran und Susanne Drexl mit sauberem Mezzo und expressivem Spiel als intriganter Zemir. Besonders gelungen ist ihr Kampf mit Sebastian Tiede als Nisibis' Hausleopard, der schon in Nisibis' freudiger Arie über den erhaltenen Liebesbrief erkennt, dass dieser persische Fürst ein Betrüger ist. Ilja Werger gefällt mit klarem Tenor beim Trinklied als Diener Scandor.

Für die weiteren Partien wurden Gäste engagiert. Gabriele Hierdeis verfügt als Nisibis über einen sehr hellen Sopran, der die Koloraturen zwar virtuos aussingt, bisweilen aber zu leise ist und deswegen nicht immer über das Orchester kommt. Stefan Zenkl stattet den ihr treu ergebenen Murzah mit einem kräftigen Bariton aus und macht auch im Zusammenspiel mit Hierdeis und Drexl eine gute Figur. Markus Volpert zeichnet die Titelfigur als humanen Herrscher, der darunter leidet, dass Sophi stärker für seine Gefühle eintritt und damit mehr Charakterstärke zeigt, als er es damals seinem Vater gegenüber vermochte. Volpert stellt die innere Zerrissenheit des Herrschers glaubhaft dar und überzeugt obendrein mit einem beweglichen Bariton, der die schnellen Läufe seiner Arien geradezu spielerisch beherrscht. Bei Ida Aldrian bedauert man, dass sie als Samischa nicht mehr zu singen hat, da ihr warmer wohl-timbrierter Mezzo zu berühren vermag. Schon ihre Auftrittsarie "Könnt ich nur zu ihm noch sprechen", in der sie bedauert, dass sie Miriways damals nicht heiraten durfte und somit das gemeinsam Kind fortgegeben werden musste, geht bei Aldrians Stimmführung regelrecht unter die Haut. Auch darstellerisch zeigt sie enorme Bühnenpräsenz. Den größten Applaus des Premierenabends erntet zu Recht Ulrike Hofbauer als Sophi. Mit strahlendem Sopran und bewegendem Spiel stattet sie den jungen Thronerben aus, der bereit ist, für seine Liebe auf die Herrschaft zu verzichten. Großen Applaus erhält auch das Regie-Team für das stimmige Inszenierungskonzept

FAZIT

Diese musikalisch und szenisch lohnende Rarität sollte man sich nicht entgehen lassen. Wer nicht nach Magdeburg kommen kann (Termine: 16. und 17. März 2012), hat zumindest die Möglichkeit, das Werk musikalisch im Deutschlandradio Kultur am 14.04.2012 ab 19.05 Uhr in einem Mitschnitt zu verfolgen, am 23.09.2012 beim Brucknerfest Linz in konzertanter Form zu erleben oder die CD zu erwerben, die bei cpo Georgsmarienhütte erscheinen wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michi Gaigg

Inszenierung
Jakob Peters-Messer

Bühne und Kostüme
Markus Meyer

Licht
Norbert Robel

Dramaturgie
Johanna Jordan

 

 

L'Orfeo Barockorchester



Solisten

Miriways und Geist
Markus Volpert

Sophi
Ulrike Hofbauer

Bemira
Julie Martin du Theil

Nisibis
Gabriele Hierdeis

Murzah
Stefan Zenkl

Samischa
Ida Aldrian

Zemir
Susanne Drexl

Ein Gesandter und Scandor
Ilja Werger

Leopard, Tod und Dieb
Sebastian Tiede

 


Weitere
Informationen

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Theater Magdeburg
(Homepage)



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