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Orientalische Barockoper mit Perserteppich
Von Thomas Molke /
Fotos von Nilz Böhme (© Theater Magdeburg)
Georg Philipp Telemann gehört gewiss nicht zu den Komponisten, die allzu häufig
auf den Spielplänen der Opernbühnen zu finden sind. Da bedarf es schon - vom
Staatstheater am Gärtnerplatz in München einmal abgesehen, das bis Oktober 2011
Der geduldige Sokrates (siehe auch
unsere
Rezension) präsentiert hat, - Festivals, die das
Opernschaffen des vielfach in diesem Bereich unterschätzten Komponisten in das
Bewusstsein des Publikums bringen. Nach den Festwochen der Alten Musik in
Innsbruck, bei denen im letzten Jahr eine überzeugende Deutung der Oper
Flavius Bertaridus, König der Langobarden (siehe auch
unsere
Rezension) zu erleben war, die in dieser
Spielzeit auch noch von der Hamburgischen Staatsoper übernommen worden ist,
haben sich natürlich vor allem die Magdeburger Telemann-Festtage dem
Ansinnen verschrieben, Telemanns Werk zu verbreiten. In diesem Jahr steht mit
Miriways gleich in doppelter Hinsicht eine Besonderheit auf dem Programm.
Zum einen handelt es sich dabei um die letzte noch szenisch wiederzuentdeckende
Oper, die nach der Uraufführung 1728 im Gänsemarkt-Theater in Hamburg bis jetzt
nur konzertant bei den 11. Magdeburger Telemann-Festtagen 1992 zu erleben
war. Zum anderen ist die Handlung für eine Barockoper eher untypisch, da sie
seinerzeit tagesaktuelle Vorgänge aus dem mittleren Osten über Mir Wais, einen
historisch belegten afghanischen Stammesfürsten, aufgreift.
Miriways (Markus Volpert) liebt Samischa (Ida
Aldrian) noch immer und trauert um die verlorene Zeit.
Auch wenn es nach heutigem Kenntnisstand nicht Mir Wais, sondern sein Sohn Mir
Maghmud war, der Persien 1722 unterwarf und den Schah Sultan Husain zum Abdanken
zwang, behält Telemann in seiner Oper den Namen des Vaters bei, zumal die
historischen Ereignisse nicht Hauptthema der Oper sind und nur am Rande
interessieren. So stehen die Liebesverwicklungen um Sophi, den Sohn des
abgesetzten Schahs, im Mittelpunkt der Handlung. Miriways will ihm die
Herrschaft über Persien übertragen, wenn er bereit ist, eine Frau zur Braut zu
nehmen, die seinem zukünftigen Stand entspricht und zu diesem Zweck von Miriways
ausgewählt werden soll. Doch Sophi will lieber auf den Thron als auf die Liebe
zur schönen Bemira verzichten und schlägt deshalb Miriways' Angebot aus. Erst
als sich am Ende der Oper herausstellt, dass besagt Bemira die verschollene
Tochter von Miriways und seiner ehemaligen Geliebten Samischa ist, die
weggegeben werden musste, da Miriways Samischa aus Staatsgründen nicht heiraten
durfte, steht dem Happy End nichts mehr im Weg. Ein weiterer Handlungsstrang der
Oper beschäftigt sich mit dem rivalisierenden Kampf zwischen Samischas Bruder
Murzah und dem persischen Fürsten Zemir um die Gunst der jungen Witwe Nisibis,
die einst nach Persien geflohen ist und bei der Bemira als vermeintliche
Schwester aufgewachsen ist. Zemir versteht es, durch zahlreiche Intrigen alle
Liebesbeweise, die Murzah der Geliebten bringt, sich selbst zuzuschreiben. Doch Murzah
kann ihn mit Samischas Hilfe als Lügner entlarven, und so findet auch das zweite
Liebespaar am Ende glücklich zusammen.
Sophi (Ulrike Hofbauer, rechts) liebt die schöne
Bemira (Julie Martin du Theil, links), fürchtet aber, dass es keine gemeinsame
Zukunft für sie geben wird.
Jakob Peters-Messer hat in seiner Inszenierung auf eine plakative Aktualisierung
verzichtet und vermittelt stattdessen mit den Kostümen von Markus Meyer einen
Hauch von exotischem Barock, ohne dabei jedoch allzu historisierend zu wirken.
Das Bühnenbild, für das ebenfalls Markus Meyer verantwortlich zeichnet, besteht
dabei aus einem riesigen persischen Wandteppich, dessen innerer Bereich in den
Schnürboden hochgezogen werden kann und somit den Blick auf einen weiteren
Wandteppich gewissermaßen im Rahmen des alten Teppichs freigibt. So finden zu
Beginn der Handlungsstrang um Miriways, Sophi und Bemira vor dem Teppich statt,
während die Geschichte um Nisibis, Murzah und Zemir zunächst hinter dem
ersten Wandteppich spielt. Erst wenn die Handlungsstränge ineinander greifen,
werden auch die einzelnen Ebenen überschritten. Am Anfang ist vor der Bühne ein
Gitter herabgelassen, was wohl die Einnahme des persischen Reiches andeuten
soll. Wenn Miriways sich entschließt, Sophi die Herrschaft zu übertragen und
damit Persien wieder freizulassen, wird dieses Gitter in den Schnürboden
emporgezogen. Erst als Sophi sich beharrlich Miriways' Wünschen widersetzt und
eher bereit ist, auf den Thron und damit auf die wieder gewonnene Freiheit zu
verzichten, wird das Gitter wieder herabgelassen und ist auch auf der
Bühnenrückseite hinter dem Wandteppich zu sehen, so dass angedeutet wird, dass
eine Flucht für Sophi unmöglich ist. Wenn Bemira ihm als Braut zugeführt wird
und sich damit alles zum Guten wendet, verschwindet auch dieses hintere Gitter.
Murzah (Stefan Zenkl) liebt Nisibis (Gabriele
Hierdeis, mit Sebastian Tiede als Leopard), ist in seinem Werben jedoch ein
bisschen zu zurückhaltend.
In der Personenregie nimmt Peters-Messer immer dann Eingriffe vor, wenn ihm der
dramaturgische Handlungsablauf des Librettos nicht plausibel erscheint. So lässt
er den Geist, der Sophi erscheint, um ihn zu ermahnen, aus Staatsräson auf die
Liebe zu verzichten und auf Miriways' Angebot einzugehen, konsequenter Weise von
Miriways selbst inszenieren, indem er einen Diener mit einer Totenkopfmaske
ausstattet, der dann in gewaltigen Nebelschwaden durch ein Loch im hinteren
Wandteppich erscheint. Gesungen wird der Text dabei vom Interpreten des Miriways,
was ebenfalls unterstreicht, dass diese Geistererscheinung nicht real ist. Auch
die Versöhnung zwischen Nisibis und Murzah im letzten Akt bedarf bei
Peters-Messer einiger Zeit, wobei man an dieser Stelle das Gefühl haben
könnte, dass hier gegen die Musik inszeniert wird. Doch bei näherer Betrachtung
wirkt auch dieser Ansatz realistisch, da es unglaubwürdig wäre, wenn Nisibis
nicht zunächst ihr Unverständnis darüber, dass Murzah seine Gefühle ihr
gegenüber nicht vorher bereits deutlicher geäußert hat, in einer gewissen Wut
ausdrücken würde. Auch dem glücklichen Ende misstraut Peters-Messer ein wenig,
so dass sich in das Gruppenbild der Paare der verschlagene Zemir mit einer Waffe
hinter dem Rücken einreiht. Zwar zerstört er das friedliche Bild am Ende nicht,
was auch nicht mit der feierlichen Musik in Einklang zu bringen wäre, einen
faden Beigeschmack bekommt der Schluss aber dennoch.
Markus Volpert als nachdenklicher Herrscher
Miriways.
Für die musikalische Umsetzung konnte das L'Orfeo Barockorchester gewonnen
werden, das unter der Leitung von Michi Gaigg seinem Namen als eines der
führenden Ensembles historisch informierter Aufführungspraxis alle Ehre macht.
Mit viel Gespür führt Gaigg das Ensemble durch die vielschichtige Partitur, die
mit der ungewohnten Perkussion einen durchaus exotischen Anstrich erhält. Das
einzige Manko ist, dass die Hörner in den schnellen martialischen Läufen nicht
immer ganz sauber klingen. Vom Magdeburger Opernensemble überzeugen Julie Martin
du Theil als Bemira mit glockenklarem, mädchenhaftem Sopran und Susanne Drexl
mit sauberem Mezzo und expressivem Spiel als intriganter Zemir. Besonders
gelungen ist ihr Kampf mit Sebastian Tiede als Nisibis' Hausleopard, der schon
in Nisibis' freudiger Arie über den erhaltenen Liebesbrief erkennt, dass dieser
persische Fürst ein Betrüger ist. Ilja Werger gefällt mit klarem Tenor beim
Trinklied als Diener Scandor.
Für die weiteren Partien wurden Gäste engagiert. Gabriele Hierdeis verfügt als
Nisibis über einen sehr hellen Sopran, der die Koloraturen zwar virtuos aussingt,
bisweilen aber zu leise ist und deswegen nicht immer über das Orchester kommt.
Stefan Zenkl stattet den ihr treu ergebenen Murzah mit einem kräftigen Bariton
aus und macht auch im Zusammenspiel mit Hierdeis und Drexl eine gute Figur.
Markus Volpert zeichnet die Titelfigur als humanen Herrscher, der darunter
leidet, dass Sophi stärker für seine Gefühle eintritt und damit mehr
Charakterstärke zeigt, als er es damals seinem Vater gegenüber vermochte.
Volpert stellt die innere Zerrissenheit des Herrschers glaubhaft dar und
überzeugt obendrein mit einem beweglichen Bariton, der die schnellen Läufe
seiner Arien geradezu spielerisch beherrscht. Bei Ida Aldrian bedauert man, dass
sie als Samischa nicht mehr zu singen hat, da ihr warmer wohl-timbrierter Mezzo
zu berühren vermag. Schon ihre Auftrittsarie "Könnt ich nur zu ihm noch
sprechen", in der sie bedauert, dass sie Miriways damals nicht heiraten durfte
und somit das gemeinsam Kind fortgegeben werden musste, geht bei Aldrians
Stimmführung regelrecht unter die Haut. Auch darstellerisch zeigt sie enorme
Bühnenpräsenz. Den größten Applaus des Premierenabends erntet zu Recht Ulrike
Hofbauer als Sophi. Mit strahlendem Sopran und bewegendem Spiel stattet sie den
jungen Thronerben aus, der bereit ist, für seine Liebe auf die Herrschaft zu
verzichten. Großen Applaus erhält auch das Regie-Team für das stimmige
Inszenierungskonzept Diese musikalisch und szenisch lohnende Rarität sollte man sich nicht entgehen lassen. Wer nicht nach Magdeburg kommen kann (Termine: 16. und 17. März 2012), hat zumindest die Möglichkeit, das Werk musikalisch im Deutschlandradio Kultur am 14.04.2012 ab 19.05 Uhr in einem Mitschnitt zu verfolgen, am 23.09.2012 beim Brucknerfest Linz in konzertanter Form zu erleben oder die CD zu erwerben, die bei cpo Georgsmarienhütte erscheinen wird. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme Licht
Dramaturgie
L'Orfeo Barockorchester
SolistenMiriways und Geist Sophi
Bemira
Nisibis Murzah Stefan Zenkl
Samischa
Zemir
Ein Gesandter und Scandor
Leopard, Tod und Dieb
|
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E-Mail: oper@omm.de