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Musiktheater
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Das Liebesverbot
oder Die Novize von Palermo

Große komische Oper in zwei Akten von Richard Wagner
Libretto vom Komponisten
nach der Komödie Maß für Maß von William Shakespeare


Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden 15 Minuten (eine Pause)

Premiere am 10. Dezember 2011 im Großen Haus
des Südthüringischen Staatstheaters Meiningen


Theaterlogo


Südthüringisches Staatstheater
Meiningen

(Homepage)

Das ist nicht komisch

Von Bernd Stopka / Fotos: Staatstheater Meiningen

Es hat einen ganz besonderen Reiz, ein Schauspiel einer Oper gegenüberzustellen, zu deren Libretto das Werk die Vorlage geboten hat. Soviel Reiz es hat, soviel Herausforderung bedeutet eine solche Doppelpremiere für ein Theater, bietet sich damit aber auch ganz besonders an, die Leistungsfähigkeit eines Hauses unter Beweis zu stellen. So hat das Südthüringische Staatstheater Meiningen nach ebenso aufwändiger wie erfolgreicher Sanierung des traditionsreichen, wunderschönen Hauses zur Wiedereröffnung Shakespeares Maß für Maß und Wagners Liebesverbot auf den Spielplan gesetzt.


Foto folgtDae-Hee Shin (Friedrich), Bettine Kampp (Isabella), Chor

Wagners Frühwerk, das zwischen den Feen und Rienzi entstanden ist, wird nur selten aufgeführt. Das liegt sicher weniger an der Geschichte über einen selbstgefälligen Statthalter, der gegen sein eigenes Liebes- und Lustverbot verstößt und allerlei Verwicklungen darum herum, sondern doch wohl eher an der stilistisch uneinheitlichen, ja, fast schon zusammengewürfelt erscheinenden Komposition. Da stehen ganz exzellent geglückte witzige  Spielopernszenen à la Lortzing neben unfreiwillig komischen Passagen, da finden sich dramatische, tief eindringliche Arien neben pompösen Chören und eindrucksvollen Finalszenen. Über den Text muss man hier und da schmunzeln, finden sich doch Ausdrücke und Wendungen, die der Dichterkomponist in späteren Werken wieder verwendet hat und auch ein musikalisches Thema aus der Klosterszene findet sich im Tannhäuser wieder.

Wagner nannte sein Werk „Große komische Oper“. Das könnte Anstoß zu einer geistreich-witzigen Interpretation geben, die die schwächeren Teile der Partitur mit Ironie oder anderweitigem Humor würzt und die ernsten Momente  den geglückten komischen als Kontrast gegenüberstellt. Intendant Ansgar Haag hat für seine Inszenierung einen anderen Ansatz gewählt. Er betont die politischen Aspekte der Geschichte und versetzt sie in die Goldenen Zwanziger, in der außerordentlich viel Lebens- und Liebesfreiheit herrschte – die die aufkommenden Nationalsozialisten dann rigoros und brutal zerschlagen haben. Die strenge Scheitelfrisur des Statthalters spricht da eine deutliche, assoziative Sprache.

  Roland Hartmann (Brighella), Sonja Freitag (Dorella) und Pédro (Johan F. Kirsten)

Renate Schmitzer hat ansprechende Kostüme der Epoche beigesteuert, Helge Ullmann ein eindrucksvolles Bühnenbild, das die neuen technischen Möglichkeiten des Hauses (u. a. zwei unabhängige Drehbühnen und vier Hubpodien) mit viel Einsatzfreude nutzt. Dabei dominiert ein sich auf der äußeren Drehbühne bewegendes halbrundes Bogengebäude in Sandsteinoptik die Szene, das an das römische Colosseum erinnert und ebenso vielfältig wie stimmungsvoll beleuchtet wird. Besonders beeindruckende Szenenbilder zeigen sich in der Klosterszene und zu Friedrichs großer Arie im zweiten Akt. Endlich mal wieder finden sich ein Regisseur und ein Bühnenbildner zusammen, die keinen Wohlstandsmüll auf die Bühne schmeißen, sondern eine Geschichte in ästhetischen Bildern erzählen. Dafür gebührt ihnen ein dankbares Sonderlob.


foto folgt Maximilian Argmann (Antonio), Xu Chang (Luzio),
Sonja Freitag (Dorella), Ensemble

Die Übertragung in die Goldenen Zwanziger erschließt sich durchaus, nimmt der Oper aber den Reiz des Komischen und Überzogenen. Eine Änderung greift auch musikalisch ein: Der Kuppler Pontio Pilato wird im zweiten Bild nicht als Gefangener vorgeführt, sondern hat sich auf offener Bühne eine Glatze rasiert und fungiert schon hier als Helfershelfer der politisch  Mächtigen. Das macht ihn stärker zum Mittäter als sein von Wagner vorgesehener Wandel zum Schließer in der Gefängnisszene des zweiten Aktes. Gnadenlos verweigert der Regisseur aber vor allem den eigentlich versöhnlichen, menschlichen Schluss: Hier wird der über seine eigene Lüsternheit und damit über sein Gesetz gefallene Statthalter nicht vom vergebenden Volk zum freiheitlichen Denken überzeugt und führt nach vollständiger Wandlung den Maskenzug an, der dem ankommenden König entgegen zieht. Hier finden auch nicht die versöhnten Paare wieder zueinander und es schreitet auch kein Trompetenzug dem König entgegen. Hier marschiert ein Blasorchester von Pimpfen über die Bühne, Friedrich und Isabella nähern sich an, Mariana wird verstoßen, Luzio verschmäht Dorella und wendet sich gleich zwei anderen Frauen zu. Schergen ermorden Kehlen durchschneidend fast alle, auch Friedrich. Nur Brighella und Dorella – die Diener – werden zu Herren und schreiten promenierend um die Leichen. Isabella, die eigentlich erlösende Frau (! – auch hier schon) bleibt einsam und allein zurück. Ein tragisches Schicksal. Aber wäre das nicht eine andere Oper?

Foto folgt

Dae-Hee Shin (Friedrich)

Dae-Hee Shin ist ein großartiger Friedrich, zunächst mit schwarzen, satten Tönen, aber nie  mit seiner Stimmkraft prahlend, sondern hochkultiviert und gleichzeitig ausdrucksstark gestaltend. Vom selbstgefällig-brutalen Despoten wird er zum an der Liebe (und Lust) leidenden Mann und stellt auch dies stimmlich überzeugend dar. Eigentlich nur mit einer Nebenrolle bedacht, wird Camila Ribero-Souza als Mariana musikalisch zu einer Hauptfigur: innig und unbeschreiblich klangschön, blitzsauber in beseelten Koloraturen. Als Brighella bringt Roland Hartmann nicht nur viel Spielfreude und Souveränität mit, sein satter, angenehm klingender, runder Bass ist eine echte Freude.  Bettine Kampp spielt mit Leib und Seele eine hin und her gerissene Isabella. Dabei stehen neben schönen auch eher unschöne  Töne, was einerseits dem Ausdruck, aber andererseits auch ihrer individuellen Art Töne anzusetzen geschuldet sein mag. Sonja Freitag ist mit flexiblem, angenehm timbriertem Sopran und ihrer Bühnenpräsenz eine ideale Dorella. Als Luzio lässt Xu Chang seinen kraftvollen, sauber intonierenden Tenor im Einheitsforte und –klang hören. Rodrigo Porras Garulo singt den Claudio mit großer Leidenschaft, aber auch mit eigenwilliger Tongebung und Artikulation.

Die Meininger Hofkapelle spielt sehr sauber und konzentriert, GMD Philippe Bach bedient souverän und elanvoll die Vielfalt der musikalischen Stile in dieser Partitur. Prachtvoll klingend meistert der Chor seine anspruchvollen Aufgaben. Der kurze aber klangvolle und sauber intonierte Auftritt der Big Band des Martin-Pollich-Gymnasiums Mellrichstadt am Schluss steht auch symbolisch für die Integration der Stadt und der Umgebung in das Theatergeschehen in Meiningen.



FAZIT

Eine Inszenierung in ästhetischen Bildern, deren Regieansatz sich durchaus erklärt. Die Aufgabe der komischen Seite zugunsten einer dramatisch-politischen Darstellung ist Geschmackssache, aber gutes Regietheater. Ebenso vielfältig wie die Stile der Partitur zeigt sich die Produktion in ihren sängerischen Leistungen.   






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philippe Bach

Inszenierung
Ansgar Haag

Bühnenbild
Helge Ullmann

Kostüme
Renate Schmitzer

Choreinstudierung
Sierd Quarré

Dramaturgie
Klaus Rak


Meininger Hofkapelle

Chor und Extrachor des
Meininger Theaters

Statisterie des
Meininger Theaters

Big Band des
Martin-Pollich-Gymnasiums
Mellrichstadt

Solisten

Friedrich, Statthalter
Dae-Hee Shin

Luzio
Xu Chang

Claudio
Rodrigo Porras Garulo

Antonio
Maximilian Argmann

Angelo
Francis Bouyer

Isabella
Bettine Kampp

Mariana
Camila Ribero-Souza

Brighella
Roland Hartmann

Danieli
Ernst Garstenhauer

Dorella
Sonja Freitag

Pontio Pilato
Stan Meus


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Südthüringisches
Staatstheater

(Homepage)






Da capo al Fine

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