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Offenbachs Banditen erobern das
münstersche Theater
Was karikiert
unsere Zeit besser als Offenbachs musikalische
Gesellschaftssatire Les
Brigands, zu deutsch: Die Banditen.
Auch hier wird über nichtsnutzige
Vergnügungen des Chefs und leere Kassen gemault,
steht Gewinnmaximierung im Vordergrund. 1869 im
Pariser Théâtre
des Variétés uraufgeführt,
finden bis 1870, dem Ausbruch des
deutsch-französischen Krieges, 107
Aufführungen statt.
Alle werden in
diesem Meisterwerk spöttisch aufs Korn genommen:
ob Räuberchef Falsacappa oder seine
"Tividenden"-Auszahlung fordernde Bande, ob spanischer
Hof, höfischer Schatzmeister, der begnadigende
Herzog oder die Hüter des Gesetzes. Und doch gilt
Offenbachs musikalische Sympathie den Räubern.
Sie haben pfiffige Ideen und ihre Vergnügungs-
und Lebenslust wird den "tumben Karabinieri",
"blässlichen Galanterien im Palast" und
"verklemmten Selbstentstellungskünsten der
Diplomaten" gegenübergestellt.
Ensemble mit Falsacappa
und Fiorella Wolfgang Quetes
setzt in seiner münsterschen Inszenierung ganz
auf diesen Kontrast. Da ist die attraktive und
kokette, eigenwillige Räubertochter Fiorella,
eine Rolle, die die textverständlich singende
Melanie Spitau schauspielerisch und sängerisch
mit spritzig lyrischem Sopran überzeugend
interpretiert. Und im selben Bolero-Tanzmuster auf der
anderen Seite eine von Daniela Jungblut mit warmem
lyrischen Timbre ausgestattete, spanische Prinzessin,
die erstarrt in mechanischen Begleitrhythmen,
seelenloser Melodie und dynastischem Ausstattungspomp
mit umständlicher Schreit- und Drehbewegung
aufwartet. Quirliges, ungeordnetes Durcheinander neben
ästhetisch arrangierter Aufstellung.
Manfred Kaderk
hat einen ansprechenden alt und modern mischenden,
multifunktionalen Raum geschaffen, der entsprechend
der drei Akte in Naturumgebung, Speiseraum und
fürstliche Empfangshalle umgewandelt wird. Anke
Drewes stattet insbesondere den spanischen Hofstaat
mit prunkvollen, historisierten Kostümen
aus, die im Detail witzig, schrill und
fantasievoll konterkariert werden.
Mit Peter Jahreis
in der Rolle des Pietro heißt Quetes einen
Schauspieler willkommen, der auch als Sänger,
Regisseur und Werbeleiter in den letzten sieben
Intendanzen die münstersche Theaterarbeit
begleiten durfte. Seine ständig wiederholten
Kommentare zu Falsacappa und seiner Tochter wie z.B.
"ganz der Vater", "ganz die Mutter" geben dem luftig
schwungvollen Stück jedoch einen allzu biederen
Beigeschmack. Etwas unpassend und
gewollt wirkt auch eine von Quetes eingeführte
Unterbrechung des Stückes: Falsacappa, den Fritz
Steinbacher lebhaft mit lyrisch leichtem, klaren Tenor
interpretiert ohne jedoch die musikalische Ironie
dieser Rolle zu zeigen, lässt die musikalische
Darbietung seiner Truppe wiederholen und fordert zu
mehr Schwung auf. Das beherzte Eingreifen nimmt Bezug
auf Offenbachs Einwirken während der Proben der
Banditen in Wien, bleibt in Münster jedoch ohne
Konsequenz - leider.
Die
Prinzessin umgeben vom spanischen Hofstaat
Ansonsten
hält sich Quetes im Wesentlichen an das Original.
Wenn Spitzen auf Vorkommnisse unserer Zeit
stattfinden, wirken sie meist aufgesetzt, sind wenig
in das Spiel auf der Bühne eingebunden wie z.B.
die viel zu lang geratene biographische Auslassung
Pietros, in der er seine berufliche Karriere vom
Banker zum Räuber mit dem
wirklichkeitsfernen, sozialromantischen Ethos
der "Umverteilung von oben nach unten" schmückt.
Auf der anderen Seite zeigt die Rollendarbietung
eines weiteren Schauspielgastes, Benjamin Kradolfer
Roths, wie man mit witziger Bühnenpräsenz
anspielungsreich die Rolle des Schatzmeisters Antonio
gestalten kann, der selbstverliebt Luxusausgaben mit
der Bemerkung "es ist meine Natur" rechtfertigt. Auch
Philipp Hoferichter ist ein textverständlich
singender, leichter, beweglicher Herzog von Mantua.
Musikalisch
folgenreich vor allem für die Duette der Beiden
ist die Besetzung von Fiorellas Liebhaber Fragoletto.
Anstelle eines Mezzosoprans - die Rolle war
ursprünglich die Hosenrolle für Offenbachs
Geliebte Zulma Bouffar - besetzt Quetes die Rolle mit
dem flink artikulierenden Tenor Tadahiro Masujima,
dessen schlankes, leichtes Timbre sich im Terzett
wunderbar mit dem Fritz Steinbachers und Peter Jahreis
ergänzt, im Duett mit Melanie Spitau jedoch zu
wenig klangpräsent ist.
Und trotzdem -
die Musik Offenbachs ist immer wieder ein
Genuss, selbst wenn - zumindest an diesem Abend
- sich Thorsten Schmid-Kapfenburg mit seinen
differenzierten Tempi bei einem selten homogen
einsetzenden, textunverständlich singenden Chor
nicht durchsetzen konnte. Ob im wunderbaren Finale des
1. Aktes oder im Bettlerkanon Chor und Orchester
liefen oft auseinander. Und da man selten etwas
verstehen konnte, wäre - trotz der Darbietung in
deutscher Sprache - eine Übertitelung
wünschenswert gewesen.
FAZIT Offenbach
musikalisch und szenisch genussvoll umzusetzen ist
hohe Kunst. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam Inszenierung Bühne Kostüme Dramaturgie Chorleitung Choreographie
Solisten* Besetzung der rezensierten Vorstellung
Falsacappa Fiorella Pietro Carmagnola Domino Barbavano Fragoletto Herzog von Mantua Campotasso Capitaine Bramarbasso Antonio Prinzessin von Granada/ Bianca Adolphe/ Cicinella Marquise/ Pipetta/ Zerlina Duchesse/ Pipa/ Fiametta Pipo/ Gloria-Cassis Précepteur
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- Fine -