Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Ali Baba und die 40 Räuber

Märchenoper in zwei Akten
Libretto von Tarik Günersel
Deutsche Fassung für die Wuppertaler Bühnen von Johannes Weigand und Ulrike Olbrich
Musik von
Selman Ada

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 25. März 2012


Logo: Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
22 Räuber und ein Räuberhauptmann


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Nachdem Selman Adas Märchenoper bereits in der letzten Spielzeit im Rahmen des türkischen Schwerpunktes seine Premiere im Dezember feiern sollte, die Produktion aber aufgrund technischer Schwierigkeiten mit der Bühne verschoben werden musste, erlebte nun mit etwas mehr als einem Jahr Verspätung das 1991 in der Türkei uraufgeführte Werk, das dort mittlerweile als Einstiegsstück für junge Zuschauer ein unverzichtbarer Teil des Opernrepertoires geworden ist, seine deutsche Erstaufführung im Tal. Und selbst bei einem Jahr Verspätung können sich die Wuppertaler Bühnen immer noch rühmen, als erste deutschsprachige Bühne eine türkische Oper szenisch zu präsentieren. Operndirektor Johannes Weigand hat hierfür gemeinsam mit der Dramaturgin Ulrike Olbrich eine deutsche Fassung für die Wuppertaler Bühnen erstellt und nur drei Lieder im Original belassen.

Bild zum Vergrößern

Der Räuberhauptmann (Michael Tews, Mitte) scheint, seine Bande (Chor, Extrachor und Statisterie) voll im Griff zu haben.

Selman Ada, der in der Türkei nicht nur ein gefragter Komponist und Pianist ist, sondern 2009 auch zum GMD aller türkischen Staatstheater ernannt wurde, hat gemeinsam mit seinem langjährigen Freund, dem Librettisten Tarik Günersel, die 270. Geschichte aus der Märchensammlung Tausendundeine Nacht um Ali Baba und die 40 Räuber mit leichten dramaturgischen Eingriffen zu einem märchenhaften Opernerlebnis für Groß und Klein umgestaltet. So gibt es in der Oper nur einen Toten, nämlich Ali Babas habgierigen Bruder Kasim, der vom Reichtum in der Räuberhöhle geblendet den berühmten "Sesam öffne dich" - Spruch vergisst und sich nicht rechtzeitig vor den zurückkehrenden Räubern in Sicherheit bringen kann. Die Räuber werden, anders als im Märchen, nicht von der schlauen Sklavin Ali Babas, die hier Nurcihan und nicht Morgiane heißt, mit siedend heißem Öl überschüttet und getötet, sondern mit einem Wiegenlied von ihr betört und mit Hilfe von Ali Babas Sohn Abdullah eingesperrt. Auch der Räuberhauptmann wird nicht bei einem sinnlichen Tanz der Sklavin erdolcht, sondern von ihr gemeinsam mit Ali Babas Frau Ayşe und dessen Schwägerin Zeynep als Räuberhauptmann enttarnt. So gibt es für die Räuber, die sich als Ehemänner der Frauen des Dorfes entpuppen, die Möglichkeit zur Läuterung und für die verwitwete Zeynep mit dem Räuberhauptmann einen neuen Ehemann, und Ali Baba wird nicht wie im Märchen zum Bigamisten. Dem Märchen entsprechend schenkt Ali Baba der treuen Sklavin die Freiheit und macht sie zu seiner Schwiegertochter, wobei seine Bemerkung, dass zwischen Schwiegertochter und Sklavin ja kein großer Unterschied bestehe, die ansonsten recht familientaugliche Fassung in der Härte dieser Aussage wieder in Frage stellt.

Bild zum Vergrößern

Ali Baba (Ünüşan Kuloğlu) traut seinen Augen nicht: Die Schätze der Räuberhöhle machen ihn zu einem reichen Mann.

Das Bühnenbild und die farbenfrohen orientalischen Kostüme von Markus Pysall unterstützen den märchenhaften Ansatz der Inszenierung. So ist auf einem Bühnenprospekt eine weite Wüstenlandschaft sichtbar, hinter der je nach Bedarf eine fantasievolle Räuberhöhle mit zahlreichen Schätzen aus dem Bühnenboden emporgefahren werden kann oder eine orientalisch anmutende Häuserwand den Eingang in Kasims Haus, das nach dessen Tod in Ali Babas Besitz übergeht, zeigt. Das gleiche Bühnenbild errichtet Pysall noch einmal in kleinerer Ausfertigung von der Rückseite, um zum einen an der Räuberhöhle das weit entfernte Dorf anzudeuten und zum anderen mit Puppen während einer Instrumentalphase im zweiten Akt szenisch darzustellen, wie Hazim, einer der Räuber, mit Hilfe des Schneiders den Eingang zu Ali Babas Haus markiert und Nurcihan den Plan der Räuber vereitelt, indem sie auch die anderen Türen mit diesem Zeichen versieht. In einer Videoprojektion von Thomas Dickmeis erscheint dem Räuberhauptmann auf dem Bühnenprospekt der Geist des gevierteilten Kasim. Auch die Projektion des Räubers Hazim, der auf einem fliegenden Teppich in die Stadt schwebt, während die Räuber auf der Bühne zur Musik schnarchen, unterstreicht die amüsante szenische Umsetzung.

Bild zum Vergrößern

Aber Ali Baba hat die Rechnung ohne seinen habgierigen Bruder Kasim (Olaf Haye) und dessen Frau Zeynep (Joslyn Rechter) gemacht.

Adas Musiksprache bewegt sich zwischen türkischer Volksmusik mit orientalischen Tänzen und luzider Harmonik des französischen Neoklassizismus, der sich vor allem in den zart anmutenden Liebesliedern Abdullahs und Nurcihans widerspiegelt. Dabei wird Abdullahs Liebeserklärung an Nurcihan in türkischer Sprache belassen, was die romantische Musik mit einem Hauch orientalischer Poesie versieht, auch wenn dieser innige Moment dadurch gebrochen wird, dass Abdullah der Angebeteten als Liebesbeweis eine Mokkakanne überreicht. Neben dem Liebesduett im zweiten Akt wird auch Nurcihans Wiegenlied im Original belassen, was auch dank Banu Bökes authentischer Interpretation so anmutig klingt, dass man gut nachvollziehen kann, wieso die Räuberbande von diesem exotischen Gesang überwältigt wird. Die beschwingten Räuberchöre und der furiose Dolchtanz machen die Musik recht eingängig und nachvollziehbar, warum sich dieses Werk in der Türkei solch großer Beliebtheit erfreut, auch wenn der Handlungsablauf durch zahlreiche Umbaupausen einige Längen aufweist. Teile des Märchens werden in einem Text auf den Bühnenprospekt projiziert, was bei der an klassische alte Filmmusik erinnernden Ouvertüre zum Einstieg in das Märchen recht passend wirkt, im weiteren Verlauf die Geschichte auf der Bühne allerdings zu häufig unterbricht und somit ein wenig holzschnittartig werden lässt.

Bild zum Vergrößern

Ali Babas Sohn Abdullah (Miljan Milović) liebt die Sklavin Nurcihan (Banu Böke) (im Hintergrund ein versteckter Räuber (Chor)).

Auch wenn die Wuppertaler Bühnen Chor und Extrachor aufbieten und diesen sogar noch um ein paar tanzende Statisten erweitern, sprengt es die Möglichkeiten des Hauses eine aus 40 Räubern bestehende Bande auf die Bühne zu stellen. Aber Johannes Weigand macht aus der Not eine Tugend, indem er den 23 männlichen Räubern genau 17 Frauen aus der Stadt gegenüberstellt. Da diese Frauen ja mit den Räubern verheiratet sind, und am Ende nicht ganz klar wird, ob der Räuberhauptmann nicht weiter auf Raubzüge geht, um sich einen neuen Schatz und eine andere weitere Höhle zu beschaffen, ist man also letztendlich mit den Frauen bei der Zahl des Märchens. Während der von Jens Bingert einstudierte Opern- und Extrachor der Wuppertaler Bühnen durch große Spielfreude gefällt, wirken die Choreographien bei den Tänzen doch recht hölzern. Besonders die tanzenden Räuber machen deutlich, wie schade es ist, dass man in Wuppertal für derartige Inszenierungen kein hauseigenes Ballett zur Verfügung hat, das den Dolchtanz professioneller präsentieren kann. Vor allem im Vergleich mit den drei Solistinnen Banu Böke, Joslyn Rechter und Arantza Ezenarro, die den Räuberhauptmann im zweiten Akt mit einem recht erotisch anmutenden Tanz verzaubern, fallen die Tanzdarbietungen der Statisterie stark ab.

Für die Titelpartie konnte der türkische Tenor Ünüşan Kuloğlu gewonnen werden, der erst kürzlich zum besten männlichen Opernsänger der Türkei gekürt worden ist und Ali Baba mit einem kräftigen Tenor ausstattet, dem stimmlich vor allem die veristischen Opern zusagen dürften. Darstellerisch zeichnet er mit einem Hang zur Komik einen recht gemütlichen Charakter, der in gefährlichen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt und in seiner Gutmütigkeit der naiven Figur aus dem Märchen gerecht wird. Auch Michael Tews setzt als bärbeißiger Räuberhauptmann mit kernigem Bass zahlreiche komische Akzente, so dass er keineswegs wie ein blutrünstiger Mörder wirkt, der er ja eigentlich ist, sondern nur einen geldgierigen Mann darstellt, der mit Ali Babas habgieriger Schwägerin Zeynep am Ende der Oper sicherlich seine Meisterin gefunden hat. Joslyn Rechter gibt die misstrauische  Zeynep recht zickig und scheint über den Verlust ihres Mannes sehr schnell hinwegzukommen. Olaf Haye gefällt als Ali Babas Bruder Kasim, dem sein Verlangen nach Gold zum tödlichen Verhängnis wird, vor allem als Geist mit ausdrucksstarker Mimik. Miljan Milović und Banu Böke geben als Abdullah und als Sklavin Nurcihan ein schönes Paar ab, das im Liebesduett hervorragend harmoniert. Milović lässt mit lyrischem Bariton aufhorchen, und Böke begeistert einmal mehr mit großer Beweglichkeit in der Stimme und im Tanz. Florian Frannek arbeitet mit dem Sinfonieorchester Wuppertal die vielschichtige Partitur Adas differenziert heraus und rundet den Abend musikalisch zu einem märchenhaften Spektakel für Jung und Alt ab.

So gibt es am Ende verdienten und lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten. Auch der Komponist und der Librettist, die für die deutsche Erstaufführung nach Wuppertal gekommen sind, werden mit großem Beifall vom Publikum bedacht.


FAZIT

Wer für junge Menschen mal einen anderen Einstieg in die Oper als Hänsel und Gretel oder Die Zauberflöte sucht, ist gut beraten, nach Wuppertal zu kommen. Wer sich ferner davon überzeugen will, dass zeitgenössische Oper nicht zwangsläufig mit Atonalität verbunden sein muss, kann diese Erfahrung ebenfalls im Tal machen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Frannek

Inszenierung
Johannes Weigand

Bühne und Kostüme
Markus Pysall

Choreographie
Isolde Ackermann
Magdy El-Leisy

Licht
Fredy Deisenroth

Video
Thomas Dickmeis

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Ulrike Olbrich

 

Opern- und Extrachor
der Wuppertaler Bühnen

Statisterie der
Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

*Premierenbesetzung

Ali Baba
Ünü
şan Kuloğlu

Räuberhauptmann
Michael Tews

Kasim
Olaf Haye

Nurcihan
Banu Böke

Abdullah
Miljan Milovi
ć

Ayşe
*Arantza Ezenarro /
Elena Fink

Zeynep
Joslyn Rechter

Schlitzohr
Nathan Northrup

Hazim
Tomasz Kwiatkowski

Vekil
Oliver Picker

Salih
Jochen Bauer

Temel
Jaroslaw Nowaczek

Anführerin der Frauen
Katrin Natalicio

Schneider
Kemal To
ğluoğlu

Tanzende Räuber
Jordy Ramon Kaes
Bastian van Kluyve
Laurenz Paas
Anton Ruck
Allan Takaski
Florian Weiß
Asef Yaquby

Puppenspielerinnen
Erika Frey
Heidi Stein
Christel Trösken


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -