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Falstaff

Lyrische Komödie in drei Akten
Libretto von Arrigo Boito
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Übernahme-Premiere im Opernhaus Wuppertal am 27. November 2011
(Premiere im Teo Otto Theater in Remscheid am 2. November 2011)


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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Sommernachtstraum am Badestrand


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Eigentlich sollte mit Otello 1887 sein letztes Bühnenwerk entstehen, bevor sich Giuseppe Verdi auf seinem Landgut Sant'Agata in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen wollte. Aber Arrigo Boito konnte ihn aufgrund eines erstklassigen Librettos dann doch noch einmal überreden, eine Oper auf einen Shakespeare-Stoff zu vertonen, und gerade mit seinem Alterswerk Falstaff konnte der Komponist, dessen Name wohl für die größten Tragödien der Opernwelt steht, der Nachwelt zeigen, dass er nach dem Fiasko, das er mit seinem Frühwerk Un giorno di regno erlebt hatte, durchaus in der Lage war, auch komische Opern zu schreiben. So verabschiedete sich Verdi mit einem Meisterwerk, das bei allem Witz auch die Lebenserfahrung seines Schöpfers in sich trägt, augenzwinkernd mit einem schlimmen Gesellen von der Opernbühne, der bei all seinen schlechten Eigenschaften eine große Portion Humor besitzt. Die Wuppertaler Bühnen präsentieren dieses Ensemble-Stück nun fast vier Wochen nach der Premiere im Teo Otto Theater in Remscheid im Opernhaus an der Wupper.

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Falstaff (Kiril Manolov, Mitte) heckt mit seinen beiden Dienern Bardolfo (Ralf Rachbauer, links) und Pistola (Thomas Schobert, rechts) neue Missetaten aus.

Arrigo Boito greift beim Libretto gleich auf drei Shakespeare-Dramen zurück, aus denen er 10 Charaktere herausschält und zu einer Geschichte um den alternden Ritter Sir John Falstaff zusammenfasst: die beiden Königsdramen Henry IV. und Henry V. und natürlich The Merry Wives of Windsor. Falstaff, der mit seinen beiden Dienern Bardolfo und Pistola ein ausschweifenderes Leben führt, als es seine Finanzen eigentlich zulassen, plant, durch eine lukrative Liaison mit den beiden verheirateten Damen, Alice Ford und Meg Page, zum einen seine Libido zu befriedigen, zum anderen seine finanziellen Probleme zu lösen. Doch Alice und Meg sind nicht darüber begeistert, von Falstaff einen identischen Liebesbrief zu bekommen, und beabsichtigen, dem eitlen Geck eine Lektion zu erteilen. Folglich lässt sich Alice scheinbar auf ein Rendezvous ein, versteckt aber, als ihr Gatte unerwartet nach Hause kommt, den vermeintlichen Liebhaber in einer Wäschekiste, die die Diener mit der schmutzigen Wäsche in den Fluss kippen. Doch damit haben die beiden Frauen noch nicht genug. Unter dem Vorwand der Reue locken sie den Ritter des Nachts zu einer Eiche, wo sie ihm nahezu unter Beteiligung des ganzen Dorfes einen Mummenschanz mit Elfen und Kobolden vorspielen, an dessen Ende Falstaff von der maskierten Schar gepiesackt und verprügelt wird. Falstaff ist allerdings nicht der einzige, dessen Pläne durchkreuzt werden. Auch Fords Idee, seine Tochter Nanetta mit dem etwas älteren Dr. Cajus zu verheiraten, wird bei der Maskerade verhindert, indem Nanetta in ein anderes Kostüm schlüpft und somit mit ihrem Geliebten Fenton vermählt wird. So bleibt am Ende für alle die Erkenntnis: "Alles auf der Welt ist Spaß, und der Mensch ist als Narr geboren".

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Alice (Banu Böke, rechts) liest Meg (Joslyn Rechter, links), Mrs. Quickley (Diane Pilcher, 2. von links) und Nanetta (Dorothea Brandt, 2. von rechts) Falstaffs Liebesbrief vor.

Das Regieteam um den Opernintendanten Johannes Weigand hat die Handlung an den Anfang des 20. Jahrhunderts verlegt, um die Figuren einerseits realistisch darzustellen, andererseits aber die Übermittlung der Liebesbriefe durch einen Boten noch glaubhaft zu machen. Um die Geschichte zu motivieren, hat Moritz Nitsche eine Strandkulisse in einem Einheitsbühnenbild konzipiert, das auf der linken Seite mit weißen Tischen und Stühlen die Bar als Strandcafé darstellt, in dem Falstaff mit seiner Gefolgschaft seine Zechgelage feiert, und in dem auf der rechten Seite mit zwei Umkleidekabinen und einem Steg, der zum Meer führt, der Badebereich für die bürgerliche Gesellschaft gezeigt wird. Die Figuren befinden sich also im Urlaub, weswegen sie sich auf das ganze Theater überhaupt einlassen. Warum auf dem Prospekt im Bühnenhintergrund noch ein Jahrmarkt mit Riesenrad und Achterbahn dargestellt wird, erschließt sich nicht. Vielleicht soll damit der Spaßfaktor der Handlung betont werden. Auch lässt es sich schwer motivieren, warum der Wäschekorb im zweiten Akt ins Meer gekippt werden sollte. Das Boot, mit dem Falstaff im zweiten Akt zu seinem ersten Rendezvous bei Alice erscheint, stellt auch im dritten Akt die Eiche dar, an der Falstaff um Mitternacht Alice treffen soll. Dabei wird der Name des Bootes "Ernie's Boat" kurzerhand durch leichte Ergänzungen und Striche in "Herne's Oak" umgewandelt.

Großes Lob gebührt der Lichtregie von Henning Priemer, der mit Unterstützung eines schwarzen Gaze-Vorhangs im dritten Akt einen herrlichen Nachthimmel zaubert, unter dem der nächtliche Spuk mit Elfen und Kobolden stattfinden kann. In diesem Akt kann sich auch Judith Fischer mit sehr fantasievollen Kostümen regelrecht austoben. So sitzt Nanetta mit einem langen türkisfarbenen Fischschwanz auf dem Dach einer Umkleidekabine, und Meg Page führt in einem herrlich grünen Kostüm die Schar der Elfen um das Boot, in dem sich Falstaff als Jäger mit großem Geweih versteckt. Auch Nanettas Liebhaber Fenton und Alices Ehemann Ford machen als Biene und Meeresgott mit langem Rauschebart eine gute Figur. Dieser knallbunte Sommernachtstraum entwickelt sich szenisch zum Höhepunkt der Aufführung.

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Falstaff (Kiril Manolov) erscheint um Mitternacht zum vereinbarten Treffen bei Herne's Oak.

Für die Titelfigur konnte der bulgarische Bass Kiril Manolov als Gast gewonnen werden, der in dieser Partie bereits in Wiesbaden und an der Hamburgischen Staatsoper brillierte. Dabei begeistert Manolov nicht nur stimmlich mit einem kernigen Bass, sondern gibt auch optisch einen grandiosen Falstaff ab, der zum einen über die nötigen Ausmaße verfügt, diesen behäbigen Lebemann glaubhaft darzustellen, andererseits mit überbordender Spielfreude den Ritter mit seinen ganzen schlechten Manieren fast schon wieder sympathisch macht. Sein komisches Talent zeigt er, wenn er sich im zweiten Akt vor Ford in der Wäschekiste verstecken muss und immer wieder ein Arm oder ein Bein aus der Kiste herauskommt, was Meg und Mrs. Quickley schnell wieder mit schmutziger Wäsche bedecken. Auch in seiner Verkleidung als Jäger mit großem Geweih gelingt es Manolov, selbst dieses lächerliche Kostüm mit einer gewissen Würde zu tragen. Mit Ralf Rachbauer steht ihm als Bardolfo ein ebenso spielfreudiger wie stimmlich mit kräftigem Tenor überzeugender Diener zur Seite.

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Mitternächtlicher Spuk an der Eiche (vorne in Rot: Alice (Banu Böke), auf dem Dach: Nanetta (Dorothea Brandt), Elfen (Chor)).

Neben den Ensemblemitgliedern sind in dieser Produktion auch einige Ehemalige zu erleben. Da ist zunächst Stephan Boving als Dr. Cajus, der von 2005 bis 2008 zum Wuppertaler Ensemble gehörte, bevor er nach Dortmund wechselte. Mit leichtem Tenor und viel Komik interpretiert er Dr. Cajus, der zunächst von Falstaff und seinen Dienern um sein Vermögen geprellt wird und dann auch noch die ihm versprochene Braut Nanetta an den jungen Fenton verliert und stattdessen den verkleideten Bardolfo als Angetraute erhält. Auch Thomas Schobert ist für die Rolle des Pistola an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt. Mit großem Bass mimt er Falstaffs zweiten Diener, der seinem Herrn optisch nachzueifern scheint, auch wenn ihm mit den ungepflegten langen Haaren die Eleganz des Ritters fehlt. Diane Pilcher, die in der letzten Spielzeit bereits als Zita in Gianni Schicchi in Wuppertal zu erleben war, gastiert erneut an der Wupper, dieses Mal als Mrs. Quickley. Mit großem Mezzo gelingt es ihr, Falstaff immer wieder einzuwickeln und zu einem zweiten Rendezvous mit Alice zu überreden.

Auch die hauseigenen Kräfte überzeugen auf ganzer Linie. Banu Böke gibt mit warmem Sopran eine sehr verführerische Alice Ford, die ihre Reize bei Falstaff geschickt einsetzt und auch ihren Mann im Griff hat. Thomas Laske stattet den Ford mit profundem Bariton aus und arbeitet die komischen Züge der Figur glaubhaft heraus, indem er einerseits den eifersüchtigen Ehemann mimt und andererseits glaubt, seine Tochter gegen ihren Willen mit Dr. Cajus verheiraten zu können. Christian Sturm und Dorothea Brandt bilden stimmlich und optisch ein schönes junges Liebespaar. Brandt überzeugt als Nanetta in den Höhen mit sehr klarem Sopran, und Sturm verfügt über weichen tenoralen Schmelz in der Stimme, der ihn für die Rolle des Liebhabers prädestiniert. Den Glanzpunkt des Ensembles setzt Joslyn Rechter, die die Meg Page mit großem Mezzo und unglaublicher Komik gestaltet, sei es nun, dass sie in den Wogen baden geht oder die Elfen zu einem Reigen anführt. Hilary Griffiths rundet mit dem frisch aufspielenden Sinfonieorchester Wuppertal die großartige Leistung der Solisten formvollendet ab, so dass es am Ende verdienten und lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt.


FAZIT

Wer einen unterhaltsamen Abend mit großartiger Musik erleben will, ist gut beraten, es einer Gruppe aus Münster nachzumachen, die für diese Produktion extra nach Wuppertal angereist ist (Weitere Termine: 29. November, 4., 8. und 17. Dezember 2011 und 8. und 20. Januar 2012).


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Peter Kuhn / *Hilary Griffiths

Inszenierung
Johannes Weigand

Bühnenbild
Moritz Nitsche

Kostüme
Judith Fischer

Licht
Henning Priemer

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Ulrike Olbrich

 

Opernchor und Statisterie der
Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

*Besetzung der Premiere

Sir John Falstaff
Kiril Manolov

Ford
Thomas Laske

Mrs. Alice Ford
Banu Böke

Nanetta
D
orothea Brandt

Fenton
Boris Leisenheimer /
*Christian Sturm

Dr. Cajus
Stephan Boving

Bardolfo
Ralf Rachbauer

Pistola
Thomas Schobert

Mrs. Meg Page
Joslyn Rechter

Mrs. Quickley
Diane Pilcher

Wirtin
Christine Eckelmann

Ned
Sebastian Klopotowski

Will
Faton Mistele

Tom
Mathieu Otto

Isaac
Hedie Rzgar


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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