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Der Schatzgräber

Oper in einem Vorspiel, vier Aufzügen und einem Nachspiel
Text und Musik von Franz Schreker

In deutscher Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere in Het Muziektheater Amsterdam am 1. September 2012
(rezensierte Vorstellung: 4. September 2012)


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De Nederlandse Opera
(Homepage)
Auf die richtige Gehhilfe kommt es an

Von Joachim Lange / Fotos von Monika Rittershaus


Mut hat der Amsterdamer Langzeit-Intendant Pierre Audi ja. Gleich zum Spielzeitauftakt mit einer Neuproduktion des Schätzgräbers (1920) der etwas erlahmten Franz Schreker-Renaissance auf die Sprünge zu helfen und dann gleich Georges Benjamins Novität Written on Skin“ folgen zu lassen, - das ist für ein Stagione-Haus schon kühn. Gegen das Vergessen und als Verbündeter des Neuen sozusagen. Wobei er im ersten Fall die pure Klangpracht eines diffamierten Meisters auf seiner Seite hat und im Zweiten einen echten, in Aix-en-Provence schon heftig akklamierten Glücksgriff der zeitgenössischen Oper. Auch dass dann ein Ringete (das klingt nach dem, was es ist: ein Ring für Kinder) der Wiederaufnahme seines eigenen Rings vorgeschaltet ist, verrät Ambition.


Vergrößerung v.l.n.r.: Raymond Very (Elis), Manuela Uhl (Els), Koor van De Nederlandse Opera

Franz Schreker (Jahrgang 1878) gehörte in die Phalanx der Komponisten, die die Oper am Anfang des vorigen Jahrhunderts aus der Dominanz des Wagnerschen Musikdramas in die Moderne zu befreien und - auf einem anderen Weg als Richard Strauss - auch dabei zu bleiben versuchten. Schreker starb 1934 nach Vertreibung aus seinen Ämtern und von den Spielplänen, noch bevor er, wie viele seiner Kollegen, vor den Nazis hätte fliehen müssen.
In Amerika aber ging es für die den Nazis entkommenen nicht um einer Weiterführung abgebrochener Entwicklungsansätze. Da galt es, den rabiaten Marktgesetzten vor allem das eigene Überleben abzutrotzen. Kaum einer konnte dort an die Überzeugungskraft früherer Kompositionen anknüpfen – Kurt Weill etwa wurde seicht, Korngold immerhin zu einer Art Vorreiter für den Sound heutiger cineastischer Großevents. Aber auch nach dem Ende der braunen Barbarei gelang es keinem, in der alten Heimat wieder Fuß zu fassen oder gar an die Erfolge der Zwanziger Jahre anzuknüpfen, ja sie durften nicht einmal auf die rezipierende Aufmerksamkeit im Repertoire hoffen. Die Radikalität des programmatischen Bruchs und die elitäre Selbstbezogenheit der Darmstädter Avantgarde ließ den vorurteilsfreien Anschluss – oder zumindest die kontinuierliche Neubefragung von Zeit zu Zeit – nicht zu. Wenn Moderne, dann seriell, und wenn schon nicht seriell, dann gleich Richard Strauss. Längst vergessen, dass Schreker beispielsweise in Sachen Opernerfolg eine Zeitlang in der gleichen Liga spielte wie Strauss.

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v.l.n.r.: Kay Stiefermann (Der Vogt), figuratie, Raymond Very (Elis), Manuela Uhl (Els)

Wenn heute die Handlung des selbst gemachten Librettos zum „Schatzgräber“ so skurril anmutet, liegt das eben auch daran, dass Schrekers Helden nicht den Bonus des Vertrauten haben wie die seines übermächtigen Zeitgenossen Richard Strauss.
Den hochoffiziellen Rahmen des doppelbödig aufgeladenen Märchens bildet eine Staatskrise, denn der Königin sind ihre Juwelen, eigentlich aber ihre Jugend und Schönheit, abhanden gekommen. Sie sollen wiederbeschafft werden, weil dieses alternde Verdämmern, jedenfalls bei Regisseur Ivo van Hove, für auf das ganze Staatswesen übergreift. Gegen Ende tappert das Volk bei ihm nur noch mit diversen Geh-Hilfen Richtung Rampe. Den Helfer in der Not, nämlich den Schatzgräber, den kennt allein der Narr. Er selbst ist hier unverkennbar Teil der politischen Klasse (von heute). Graham Clark ist dafür genau der Richtige.

Vergrößerung Mitte: Manuela Uhl (Els), Koor van De Nederlandse Opera

Für das hohe Paar der Oper hat Schreker eine Liebesszene im Tristan-Format und ein für ihn typisches Psychopäckchen vorgesehen. Elis (Raymond Very) ist der naive Künstler-Gutmensch, der mit seiner Laute Schätze finden kann. „Seine“ Els ist eine Frau, die nach schwerer Jugend (bei van Hove wird mit Videos Missbrauch suggeriert) keine Skrupel hat, ungeliebte Bewerber aus dem Weg schaffen zu lassen. Und Elis sein Wunderinstrument und den Schatz abzujagen. Um ihm die Schmuckstücke dann gegen ein „Nie sollst du mich befragen“ als Liebesgabe zu offerieren. Dabei balancieren beide immer auf einem Grat, der ihn unschuldig unter den Galgen und sie (nicht ganz so unschuldig) in die Nähe des Scheiterhaufens führt. Wovor sie einzig der Narr bewahrt.

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Raymond Very (Elis), Manuela Uhl (Els), Graham Clark (Der Narr)

Marc Albrecht, diesmal am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest, lässt die pulsierende, Fin de Siècle-parfümierte Orchester-Klangpracht immer wieder aus der Weite des Amsterdamer Grabens aufsteigen, krönt sie mit funkelnden Bläsern und berauschenden Tutti. Wenn er sie zurücknimmt, nur um dann erneut die pure Opulenz aufleuchten zu lassen, werden die gut ausgesuchten Stimmen (vor allem die frei sopranglitzernde, manchmal deutsch, meist vokaleuropäisch klingende von Manuela Uhl als Els) zum Teil eines Klangfeuerwerkes, dessen Sog zwar ohne narrative Strenge, aber nicht ohne Pathos auskommt.

Davor freilich geht Ivo van Hove szenisch auf Jan Versweyvelds Bühne auf überdeutlich auf Distanz. Leider auch zu einer wirklich eingreifenden Personenregie. In einer nüchternen Sperrholzwand liefern zwei Häuschen- Ausschnitte die nötigen Schauplätze als viel- (eigentlich wenig-)sagendes Yin und Yang. Bärtig abgerissen das Milieu der bardamenverruchten Els zwischen ihren Transen-Kollegen. Zu banal die Zuschauertribünen und der moderne Hinrichtungsraum, dem der Delinquent nach Belieben entweichen kann. Zu platt illustrierend aber auch die Video-Liebesspiele zum großen Duett im dritten Akt. Und das gerade da, wo die Musik ganz bei sich ist und genügend Suggestionskraft für die Film im Kopf aufbietet. Sei's drum.


FAZIT

Marc Albrecht und Ivo van Hove haben sich in Amsterdam mit unterschiedlichem Erfolg als Schatzgräber betätigt. Auch wenn szenisch Wünsche offen bleiben ist der Amsterdamer Oper damit zumindest musikalisch und programmatisch ein imponierender Saisonstart gelungen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Albrecht

Regie
Ivo van Hove

Bühne und Licht
Jan Versweyveld

Kostüme
An D'Huys

Video
Tal Yarden

Choreinstudierung
Alan Woodbridge

Dramaturgie
Janine Brogt
Klaus Bertisch



Koor an De Nederlandse Opera

Nederlands Philharmonisch Orkest


Solisten

Der König
Tijl Faveyts

Die Königin
Basja Chanowski

Der Kanzler/ Der Schreiber
Alasdair Elliott

Herold/ Der Graf
André Morsch

Der Magister/ Der Schultheiss
Kurt Gysen

Der Narr
Graham Clark

Der Vogt
Kay Stiefermann

Der Junker
Mattijs van de Woerd

Elis
Raymond Very

Der Wirt
Andrew Greenan

Els
Manuela Uhl

Albi
Gordon Gietz

Ein Landsknecht
Peter Arink

Erster Bürger
Cato Fordham

Zweiter Bürger
Richard Meijer

Mezzosopran Solo
Marieke Reuten

Alt-Solo
Inez Hafkamp

Alt-Solo
Hiroko Mogaki





Weitere Informationen
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De Nederlandse Opera
(Homepage)



Da capo al Fine

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