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Parsifal


Bühnenweihfestspiel in drei Akten
Musik und Dichtung von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca. 5 ¼  Stunden – zwei Pausen

Premiere am 21.Oktober 2012


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Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
Der Tor stolpert durch die Zeiten

Von Christoph Wurzel / Fotos: Matthias Baus

Vielleicht hat  Philipp Stölzl mit seiner Inszenierung ja die Opernwelt vom Regietheater erlösen wollen, indem er  angekündigt hat, Wagners religiöse Absichten in seiner Inszenierung des Parsifal ganz ernst zu nehmen. Sollte das vielleicht die berühmte „Werktreue“ bedeuten? Dann wäre ihm eine solche Rolle rückwärts  allerdings mit dieser Produktion  gründlich misslungen. Denn herausgekommen ist ein Bogen zwar intensiver, aber eher vordergründiger Bilder aus der Kiste religiösen Kitsches, eben weil der Regisseur die Handlung nur als bloße Oberfläche zeigt.  Schon zum 1. Akt - Vorspiel kommt es ganz dick. Im  Stil von Heiligenbildchen wird uns, im milden Gegenlicht, die Kreuzigung Christi vorgeführt, damit wir sehen, was es mit Gral und Lanze auf sich hat. Regie wird hier verwechselt mit Kulissenbauen.

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Nicht Oberammergau und nicht Ben Hur, sondern Parsifal an der Deutschen Oper Berlin: Statisten der Leidensgeschichte und oben rechts Kundry (Evelyn Herlitzius) als Tableau vivant.

Philipp Stölzl denkt die Oper offenbar vom Film her: Tableaus  illustrieren die Handlung. Was als Vorgeschichte in der Oper als epische Rückblende berichtet wird, wird im Spotlight auf einer Nebenfläche nachgestellt: wie Klingsor sich entmannt oder wie Amfortas Kundry in Liebe umfängt, Klingsor ihm den Speer entwendet und ihm die Wunde schlägt. Derweil stolpert Parsifal in gegenwärtigem Outfit mit Anzug und Schlips durch die Zeiten vom Mittelalter (echte Kreuzritterkostüme) in die Neuzeit (Gralsgesellschaft beiderlei Geschlechts) und Kundry ist sogar (im geschlitzten, neutral schwarzen Kleid) schon bei der Kreuzigung dabei. Zeitlos erscheint auch im Anzug Gurnemanz und mit Brille. Im Gegensatz zu Herheims Bayreuther Parsifal, der auch die Zeiten durchmisst, ist hier aber keine Metaebene der Deutung eingezogen. Es bleibt im Grunde bei der Dekoration. Eins zu eins wird die Geschichte nacherzählt. Die Regie kommt dem tieferen Sinn der Handlung kaum nahe, schon gar nicht bezieht sie kritisch Position zur Ideologie der Lustfeindlichkeit und erlösenden Entsagung in Wagners Alterswerk. Als einzig fassbare Aussage bleibt am Ende die Ratlosigkeit des Helden Parsifal mit seiner Rolle als Erlöser und die verzweifelte Einsamkeit Kundrys, die ausgegrenzt bleibt wie ehedem. Und dass Religionen eine Tendenz zum Missbrauch für aggressive Zwecke innewohnt (wie hier an den Kreuzrittern gezeigt), ist auch keine so ganz neue Erkenntnis.

Am Ende verstört und ausgegrenzt: Kundry (Evelyn Herlitzius) inmitten der Gralsritter

Ein buntes Panoptikum entfaltet sich im Klingsor-Akt. Sein Reich liegt anscheinend in fernem Indianerland, wo Menschenopfer und wilde Tänze zur Tagesordnung gehören und die Blumenmädchen einen stark folkloristischen Einschlag haben. In diesem exotischen Felsentempel wirken Kundrys Verführungskünste als Zentrum des Aktes merkwürdig deplatziert, aber wenn nicht Evelyn Herlitzius mit (hier durchaus passender) stimmlicher Exzentrik und beträchtlichem darstellerischen Talent gewuchert hätte, wäre auch diese Szene im Ungefähren geblieben. Im dritten Akt schließlich zeigt Stölzl die Gralsburg in Trümmern liegend und  die Ritterschaft als verzweifelte, sich selbst geißelnde Menge, die nach Erlösung giert. Als sein Leiden beendende Tat stößt sich Amfortas schließlich den von Parsifal ihm entgegen gehaltenen Speer in den Leib. Diese Schlusswendung lässt wie die ganze szenische Einrichtung ein überwiegend unzufriedenes Publikum zurück. Entsprechend stark war der Buh-Orkan für das Regieteam am Schluss.

 

Klingsor, der wilde Indianer (Thomas Jesatko) und sein Volk (Statisterie)

Mit Klaus Florian Vogt bekam es allerdings einen Parsifal zu hören, der gegenwärtig diese Rolle außerhalb jeder Konkurrenz zu singen vermag. Dass er aber die Entwicklung dieser Figur nur wenig verdeutlichte, geht wohl eher zu Lasten der schwachen Regie. Thomas Johannes Mayers Amfortas war wohl auch ein Schmerzensmann, aber einer, der gegen das eigene Leiden kämpft. Stimmlich sparte er durchaus nicht mit Kraft. Erstaunlich fest war die Stimme von Matti Salminen vor allem im 1. Akt, wo er einen eindrucksvollen Gurnemanz gestaltete, im 3. Akt dagegen vergurgelte er so manche Textpassage. Dennoch, dieser wohl dienstälteste Gurnemanz (bereits in der letzten Parsifal-Premiere der Deutschen Oper vor 14 Jahren hatte er in dieser Partie auf der Bühne gestanden) erscheint in noch beträchtlicher Präsenz auf der Bühne, entsprechend begeistert wurde er auch gefeiert.

Massentaufe in der Schlucht: Während Parsifal (rechts: Klaus Florian Vogt) mit der Taufe beschäftigt ist, preist Gurnemanz (links. Matti Salminen) ihn als den neuen Erlöser und Kundry (rechts im Vordergrund: Evelyn Herlitzius) wartet ab.

Ein wenig dauerte es anfangs, bis das Orchester in den Fluss der Musik fand, spielte dann aber symphonisch breit und mit großem Gespür für Wohlklang und Fülle. Allerdings hielt Donald Runnicles es im Ausdruck eher sachlich als feierlich und pathetisch. Aus dem offenen Graben kam der Klang natürlich direkt, aber stets kontrolliert, was der  Textverständlichkeit der Sänger sehr zugute kam. Ein Lob dem exzellent singenden Chor.


FAZIT

Die Szene bedient eher naiven Kinderglauben statt Wagners mystische Welt. Musikalisch erreichte die Aufführung zumeist hohes Niveau.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Donald Runnicles

Inszenierung
Philipp Stölzl

Co-Regie

Mara Kurotschka

Bühnenbild
Conrad Moritz Reinhardt
Philipp Stölzl

Kostüme
Kathi Maurer

Lichtdesign

Ulrich Niepel

Chöre
William Spaulding

Kinderchor
Christian Lindhorst

Dramaturgie
Dorothea Hartmann

Orchester der Deutschen Oper
Berlin


Chor, Herren des Extrachores
und
Kinderchor der Deutschen Oper
Berlin

Opernballett der Deutschen Oper
Berlin

Statisterie der Deutschen Oper
Berlin



Solisten

Amfortas
Thomas Johannes Mayer

Titurel

Albert Pesendorfer

Gurnemanz

Matti Salminen

Parsifal

Klaus Florian Vogt

Klingsor

Thomas Jesatko

Kundry

Evelyn Herlitzius

Gralsritter

Burkhard Ulrich
Andrew Harris

Vier Knappen
Kim-Lilian Strebel
Annie Rosen
Paul Kaufmann
Matthew Pena

Blumenmädchen
Hulkar Sabirova
Martina Welschenbach
Rachel Hauge
Hila Fahima
Annie Rosen
Dana Beth Miller

Stimme aus der Höhe

Dana Beth Miller








Weitere
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Deutschen Oper Berlin
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