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Der Tor stolpert durch die Zeiten Von Christoph Wurzel / Fotos: Matthias Baus Vielleicht hat Philipp Stölzl mit seiner Inszenierung ja die Opernwelt vom Regietheater erlösen wollen, indem er angekündigt hat, Wagners religiöse Absichten in seiner Inszenierung des Parsifal ganz ernst zu nehmen. Sollte das vielleicht die berühmte „Werktreue“ bedeuten? Dann wäre ihm eine solche Rolle rückwärts allerdings mit dieser Produktion gründlich misslungen. Denn herausgekommen ist ein Bogen zwar intensiver, aber eher vordergründiger Bilder aus der Kiste religiösen Kitsches, eben weil der Regisseur die Handlung nur als bloße Oberfläche zeigt. Schon zum 1. Akt - Vorspiel kommt es ganz dick. Im Stil von Heiligenbildchen wird uns, im milden Gegenlicht, die Kreuzigung Christi vorgeführt, damit wir sehen, was es mit Gral und Lanze auf sich hat. Regie wird hier verwechselt mit Kulissenbauen. Nicht Oberammergau und nicht Ben Hur, sondern Parsifal an der Deutschen Oper Berlin: Statisten der Leidensgeschichte und oben rechts Kundry (Evelyn Herlitzius) als Tableau vivant. Philipp Stölzl denkt die Oper offenbar vom Film her: Tableaus illustrieren die Handlung. Was als Vorgeschichte in der Oper als epische Rückblende berichtet wird, wird im Spotlight auf einer Nebenfläche nachgestellt: wie Klingsor sich entmannt oder wie Amfortas Kundry in Liebe umfängt, Klingsor ihm den Speer entwendet und ihm die Wunde schlägt. Derweil stolpert Parsifal in gegenwärtigem Outfit mit Anzug und Schlips durch die Zeiten vom Mittelalter (echte Kreuzritterkostüme) in die Neuzeit (Gralsgesellschaft beiderlei Geschlechts) und Kundry ist sogar (im geschlitzten, neutral schwarzen Kleid) schon bei der Kreuzigung dabei. Zeitlos erscheint auch im Anzug Gurnemanz und mit Brille. Im Gegensatz zu Herheims Bayreuther Parsifal, der auch die Zeiten durchmisst, ist hier aber keine Metaebene der Deutung eingezogen. Es bleibt im Grunde bei der Dekoration. Eins zu eins wird die Geschichte nacherzählt. Die Regie kommt dem tieferen Sinn der Handlung kaum nahe, schon gar nicht bezieht sie kritisch Position zur Ideologie der Lustfeindlichkeit und erlösenden Entsagung in Wagners Alterswerk. Als einzig fassbare Aussage bleibt am Ende die Ratlosigkeit des Helden Parsifal mit seiner Rolle als Erlöser und die verzweifelte Einsamkeit Kundrys, die ausgegrenzt bleibt wie ehedem. Und dass Religionen eine Tendenz zum Missbrauch für aggressive Zwecke innewohnt (wie hier an den Kreuzrittern gezeigt), ist auch keine so ganz neue Erkenntnis.
Am Ende verstört und ausgegrenzt: Kundry (Evelyn Herlitzius) inmitten der Gralsritter Ein buntes Panoptikum entfaltet sich im Klingsor-Akt. Sein Reich liegt anscheinend in fernem Indianerland, wo Menschenopfer und wilde Tänze zur Tagesordnung gehören und die Blumenmädchen einen stark folkloristischen Einschlag haben. In diesem exotischen Felsentempel wirken Kundrys Verführungskünste als Zentrum des Aktes merkwürdig deplatziert, aber wenn nicht Evelyn Herlitzius mit (hier durchaus passender) stimmlicher Exzentrik und beträchtlichem darstellerischen Talent gewuchert hätte, wäre auch diese Szene im Ungefähren geblieben. Im dritten Akt schließlich zeigt Stölzl die Gralsburg in Trümmern liegend und die Ritterschaft als verzweifelte, sich selbst geißelnde Menge, die nach Erlösung giert. Als sein Leiden beendende Tat stößt sich Amfortas schließlich den von Parsifal ihm entgegen gehaltenen Speer in den Leib. Diese Schlusswendung lässt wie die ganze szenische Einrichtung ein überwiegend unzufriedenes Publikum zurück. Entsprechend stark war der Buh-Orkan für das Regieteam am Schluss.
Klingsor, der wilde Indianer (Thomas Jesatko) und sein Volk (Statisterie) Mit Klaus Florian Vogt bekam es allerdings einen Parsifal zu hören, der gegenwärtig diese Rolle außerhalb jeder Konkurrenz zu singen vermag. Dass er aber die Entwicklung dieser Figur nur wenig verdeutlichte, geht wohl eher zu Lasten der schwachen Regie. Thomas Johannes Mayers Amfortas war wohl auch ein Schmerzensmann, aber einer, der gegen das eigene Leiden kämpft. Stimmlich sparte er durchaus nicht mit Kraft. Erstaunlich fest war die Stimme von Matti Salminen vor allem im 1. Akt, wo er einen eindrucksvollen Gurnemanz gestaltete, im 3. Akt dagegen vergurgelte er so manche Textpassage. Dennoch, dieser wohl dienstälteste Gurnemanz (bereits in der letzten Parsifal-Premiere der Deutschen Oper vor 14 Jahren hatte er in dieser Partie auf der Bühne gestanden) erscheint in noch beträchtlicher Präsenz auf der Bühne, entsprechend begeistert wurde er auch gefeiert.
Massentaufe in der Schlucht: Während Parsifal (rechts: Klaus Florian Vogt) mit der Taufe beschäftigt ist, preist Gurnemanz (links. Matti Salminen) ihn als den neuen Erlöser und Kundry (rechts im Vordergrund: Evelyn Herlitzius) wartet ab. Ein wenig
dauerte es anfangs, bis das Orchester in den Fluss der Musik fand,
spielte dann aber symphonisch breit und mit großem Gespür für Wohlklang
und Fülle. Allerdings hielt Donald Runnicles es im Ausdruck eher sachlich als
feierlich und pathetisch. Aus dem offenen Graben kam der Klang natürlich
direkt, aber stets kontrolliert, was der Textverständlichkeit der
Sänger sehr zugute kam. Ein Lob dem exzellent singenden Chor. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung
Solisten
Amfortas
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E-Mail: oper@omm.de
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