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Nicht immer sieht man in der ersten Reihe besser
Von Joachim Lange / Fotos: © Bettina Stöß Mit einem Rigoletto zum Verdi-Jahr ist ein Opernhaus eigentlich auf der sicheren Seite. Noch dazu, wenn man, wie jetzt an der Deutschen Oper in Berlin, so einen versierten Bariton wie Andrzej Dobber für die Titelpartie zur Verfügung hat. Glück im Unglück hatten die Berliner, weil sie selbst am Premierentag noch eine Ersatz-Gilda wie die junge Russin Olesya Golovneva aus Wien einfliegen lassen konnten, damit die von der Seite aus zum Spiel der wegen einer Allergieattacke verstummten Lucy Crowe singen konnte. Sie wurde denn auch besonders für ihre Höhensicherheit bejubelt. Wenn dann noch das Ensemble alle anderen Rollen gut bis exzellent (wie Albert Pesendorfer einen eloquent finsteren Sparafucile und Clémentine Margaine eine glutvolle Maddalena) ausstattet, dann braucht man nur noch einen passablen Herzog Der Hof von Mantua als Zuschauer im Theater Schließlich ist für diesen Wüstling ja der Hit der Oper reserviert. Wie wichtig diese Tenorpartie fürs vokale Geleichgewicht ist, merkt man besonders, wenn sein La donna è mobile nicht über die Rampe geschmettert wird, sondern nur wie der redliche Versuch einer zwar schönen, aber viel zu klein dimensionierten Stimme klingt, einen viel zu großen Saal zu füllen. Dass der auf den letzten Drücker in die Produktion eingestiegene Eric Fennell versuchte, zu wenig Stimme mit zu viel Machogeste zu kompensieren, verstärkte den Eindruck der Leerstelle noch. Aus dem Künstlerpech mit Gilda wurde eine überzeugend genutzte Chance für eine junge Einspringerin den Einspringer für den Herzog ließ man dagegen seltsamerweise ins offene Messer rennen. Die Buhs für Fenell müsste die Leitung des Hauses fairerweise auf ihr Konto buchen. Am Pult des Orchesters der Deutschen Oper beeindruckte der spanische Dirigenten-Shootingstar Pablo Heras-Casado immerhin mit einer Mischung aus Präzision und Leidenschaft, mal im hoch- mal im heruntergefahrenem Graben, so dass man gerne seiner eigenwilligen Gestaltung folgte. Ein Teil der musikalischen Abstriche sind dabei sicherlich der Bühne von Stéphane Laimé zuzuschreiben. Jan Bosse beginnt mit einem gewissen Aha-Effekt. Der renommierte Schauspielregisseur hat den Zuschauerraum der Deutschen Oper auf der Bühne nachgebaut und inszeniert dort schon vor Beginn einen Einzug der Gäste. Es geht also um den Blick in den Spiegel, die Suche nach dem Exemplarischen. Dieser Ansatz ähnelt dem des ungarischen Theater-Regisseurs Árpád Schilling kürzlich in München. Doch da war der Hof von Mantua radikal auf zwei gewaltige fahrbare Tribünen reduziert und zeigte eine Männergesellschaft, für die das Leben ein Spiel und die Frauen der Einsatz dabei sind. Was dort in der Abstraktion insgesamt funktioniert, bleibt in Berlin durch den allzu konkreten Nachbau der Realität auf der Strecke. Gilda als Spielball einer Männergesellschaft hinter Masken Vor allem, weil diese Art von behaupteter Nähe so direkt ist, dass die Bilder bald nicht mehr stimmen. Was schon mit dem rüpelhaften Benehmen des mit einem abstrusen goldenen Lametta-Hasen-Kostüm (Kathrin Platz) geschlagenen Rigoletto beginnt, der sich da in die erste Reihe drängelt. Und es geht mit dem Goldkettchen-Herzog im großgemusterten Hemd weiter. Wenn dann Rigoletto den Rachepfad einschlägt, löst sich der Theaterraum auf. Mit einem vorweg genommenen Donnern werden die Kulissenteile in eine aufgelöste Formation gedreht und verschoben. Dass Rigoletto dann die tote Gilda auf einer völlig leer geräumten Bühne betrauert, ist zwar konsequent. Doch diese Inszenierung geht ihrem Konzept-Ehrgeiz in die Falle, weil sie die finstere Sinnlichkeit des Stückes nicht mitliefert. Sondern nur eine Idee dazu behauptet. Wenn der Chor mit Glitzerröcken bestückt wird und von den hinteren Bühnen-Sitzreihen aus den Hof von Mantua mimt, dann singen da halt nur drängelnde Männer in Glitzerröcken und mehr nicht. Und wenn ein paar Sitzreihen hochfahren und in einem mit Gardinen verhangenen Backstage Gilda kampiert, dann wird eben nur vor Gardinen unter hochgefahrenen Sitzen gesungen. Wo man in die finsteren Abgründe einer skrupellosen Gesellschaft blicken könnte, bekommt man eine Mischung aus Mobbing und grobem Theaterscherz serviert. Fürs eigentliche Spiel bleibt dann doch nur ein schmales Stück an der Rampe vor der ersten Reihe. Eine Nummer größer dürfte es schon sein. Jubel für die Protagonisten (außer dem Herzog) und Buhs für die Regie. Da geht's Verdi in Berlin nicht besser als sonst Wagner.
Die Berliner Neuinszenierung war bei den Sängern vom Pech verfolgt, hat aber auch vokal starke Momente, einen überzeugenden Titelhelden und ein überzeugendes Fundament im Graben. Bei der Inszenierung erkennt man die Idee, und ärgert sich über die Unzulänglichkeiten ihrer Umsetzung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten
Der Herzog von Mantua
Rigoletto
Gilda
Der Graf von Monterone
Der Graf von Ceprano
Die Gräfin von Ceprano
Marullo
Matteo Borsa
Sparafucile
Maddalena
Giovanna
Ein Gerichtsdiener
Eine Hofdame
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