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Idomeneo

Dramma per musica in tre atti
Libretto von Giambattista Varesco nach Antoine Danchets Tragédie Idomenée
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 3 ¾  Stunden – zwei Pausen

Premiere am 12. April 2013


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Theater Basel
(Homepage)
Bilderinflation

Von Christoph Wurzel / Fotos von Hans Jörg Michel

So kindlich, wie es hier suggeriert wird, ist die Prinzessin Ilia eigentlich nicht mehr. Aber in der Basler Produktion von Mozarts Idomeneo scheint sie gerade noch mit Pferdchen (dem trojanischen natürlich), Schiffchen, Bällchen oder Teddybär gespielt zu haben. Aber das Team David Bösch (Regie), Patrick Bannwart und Falko Herold (Ausstattung und Videoprojektionen) deutet in seiner Inszenierung eben mit dem Zeigefinger darauf hin, dass es sich um ganz junge Menschen handelt, die hier in Mozarts Oper Opfer der Erwachsenenwelt, besonders in Gestalt des Königs Idomeneo, werden. Gänzlich ausgeliefert sind sie dessen Unvermögen, einen fragwürdigen Schwur (das Menschenopfer) zu brechen und  dessen Feigheit, über seinen Konflikt zu sprechen. Stattdessen werden sein Sohn Idamante und Ilia, die ihn liebt, immer tiefer mit in Idomeneos seelisches Chaos gezogen, bis die Handlung am Schluss der Katastrophe zutreibt, nämlich der Opferung des Sohnes in der Art einer Kreuzigung. Die wird zwar in letzter Minute durch eine Stimme von oben abgewendet, aber die jungen Leute gehen dennoch in eine düstere Zukunft, erben Zerstörung und  Chaos. Idomeneo gibt sich den Tod durch Gift, Elettra ritzt sich die Pulsadern auf. So schrecklich schwarz endete wohl selten dieses Werk. Und so hatte es auch schon begonnen: zur Ouvertüre mit den Video-Projektionen der Vorgeschichte in der Art von Kinderbuchillustrationen, die auch bereits nur Eines zeigen: Krieg, Zerstörung und Flucht, die diese jungen Leute also schon lange begleiten.  Solche Traumata durchziehen obsessiv die Szenen. Jede Szene wird mit Chiffren von Aggression und Kampf, Angst und Schrecken überbebildert; Oper wird quasi als Anti-Kriegsfilm gezeigt.

Bild zum Vergrößern

Traumatisierte Prinzessin aus Troja im Exil auf Kreta: Ilia (Laurence Guillod)

Solch eine radikale Deutung von Mozarts Oper geht nicht unbedingt an deren Sinn vorbei, erschlägt allerdings in derartig inflationärer Fülle, wie sie hier in Basel gezeigt wurde, leicht das dramatische Geschehen. Denn was außer Bildern an gestischer Aktion, an psychologischem Ausdruck der Protagonisten gezeigt wird, ist dagegen viel weniger. Zum Singen stehen die Akteure zu oft an der Rampe. Während es an Bildern zu viele gibt, mangelt es meist an subtil entwickelter Interaktion. Zudem neigt die Ausstattung zu einer Ästhetik des Hässlichen, deren man im Laufe von mehr als drei Stunden doch ziemlich überdrüssig wird. Es fragt sich also, ob solch ein Regiekonzept letzen Endes dann dem Werk auch wirklich dient.



Bild zum VergrößernLob der Krake Poseidon: Finale des 1. Akts (Ensemble und Chor)

Hier wäre das Orchester gefragt, das in Mozarts erstem wirklichem Bühnen-Meisterwerk enorme musikalische Kräfte entwickeln könnte. Erstaunlich aber, dass ein solches Ensemble wie das La Cetra Barockorchester Basel dermaßen blass und uninspiriert spielte, wie es in der Premiere der Fall war. Andrea Marcon, der mit diesem Orchester in den vergangenen Spielzeiten in Basel so bezwingende Aufführungen wie Cavallis La Calisto (siehe auch unsere Rezension von 2010) oder Händels Ariodante (siehe auch unsere Rezension von 2012) gezaubert hatte, blieb bei Mozart als Stürmer und Dränger meist weich und unverbindlich, konnte oder wollte der Aufdringlichkeit der Bilder nicht viel entgegen setzen. So blieb das Orchester der Musik zu vieles schuldig, was vor allem in der matten Artikulation der Acompagnati schmerzlich zu spüren war. Einzig der Paukist warf sich temperamentvoll ins Zeug, aber auch Windmaschine und Theaterdonner konnten den zurückhaltenden Orchesterklang nicht expressiver machen. Von Klangrede war hier zu wenig zu hören.


 
Bild zum VergrößernDer Sohn am Kreuz, der Vater am Ende: Solenn’ Lavanant-Linke als Idamante (hinten) und Steve Davislim als Idomeneo

Das Solistenensemble war uneinheitlich. Zwei Sänger ragten besonders heraus: Steve Davislim sang trotz des heftigen Aktionismus in seiner Rolle einen sensiblen Kreterkönig. Besonders die Arie seines inneren Aufruhrs Fuor del mar ho un mar in seno gestaltete er musikalisch eindrucksvoll. Als Idamante glänzte die junge französische Sängerin Solenn’ Lavanant-Linke stimmlich absolut souverän und darstellerisch höchst präsent – ein Name, den man sich merken muss! Simone Schneider sang die Rolle der Elettra vor allem in den exaltierten Koloraturen technisch makellos, überpointierte in der letzten Arie (D’ Oreste, d’Aiace) allerdings nicht zuletzt auch dem Regierkonzept geschuldet zu sehr in Richtung der Verzerrung. Die schweizerisch-italienische Sopranistin Laurence Guillod gefiel als empfindsame Ilia in der Rolle der trojanischen Königstochter und Geliebten Idamantes. Wenig gesangliches Profil entwickelte Karl-Heinz Brand als Arbace, dem die Regie die Rolle eines ziemlich kindischen Alten zugedacht hatte. Der Chor, dem die Regie ruhig mehr Aufmerksamkeit hätte schenken dürfen, hätte gesanglich durchaus mehr Homogenität vertragen können.


FAZIT

Mit Ausnahme einiger Gesangsleistungen weitgehend eine Enttäuschung





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrea Marcon

Inszenierung
David Bösch

Bühne

Patrick Bannwart
Falko Herold

Kostüme / Video
Falko Herold

Licht
Michael Bauer

Chorleitung
Henryk Polus

Studienleitung

David Cowan

Dramaturgie
Ute Vollmar




Chor des Theater Basel

La Cetra Barockorchester
Basel

Solisten

Idomeneo
Steve Davislim

Idamante
Solenn’ Lavanant-Linke

Elettra
Simone Schneider

Ilia
Laurence Guillod

Arbace
Karl-Heinz Brandt


Gran Sacerdote
Hans Schöpflin

La Voce
Alexey Birkus


Chorsoli
Eva Buffoni
Lisa Westermann
Ingo Anders
Vivian Zatta



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Basel
(Homepage)



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