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Musiktheater
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City of Angels

Musical in zwei Akten
Buch von Larry Gelbart, Gesangstexte von David Zippel, Übersetzung von Michael Kunze
Musik von Cy Coleman


In deutscher Sprache   

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 18. Mai 2013
(rezensierte Aufführung: 21.05.2013)
 


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Hommage an den Film noir

 Von Thomas Molke / Fotos von Matthias Stutte


Bei dem Titel City of Angels denkt manch einer vielleicht an das gleichnamige Filmdrama von 1998 mit Meg Ryan und Nicholas Cage in den Hauptrollen, das das Thema von Wim Wenders' Der Himmel über Berlin aus dem Jahr 1987 nach Los Angeles verlegte. Dass es aber ein gleichnamiges Musical gibt, welches Cy Coleman und Larry Gelbart  in bereits fortgeschrittenem Alter gemeinsam mit dem noch deutlich jüngeren Songtexter David Zippel für den Broadway schufen und nichts mit dem neun Jahre später entstandenen Film zu tun hat, dürfte den meisten unbekannt sein, zumal man den Namen Cy Coleman in Deutschland heutzutage hauptsächlich nur noch mit dem berühmten Song "Hey Big Spender" aus dem Musical Sweet Charity in Verbindung bringt. Das Theater Bielefeld, das sich in den letzten Spielzeiten mit Produktionen wie The Scarlet Pimpernel  und Company (siehe auch unsere Rezension) zu einem regelrechten Geheimtipp für in Deutschland selten gespielte Werke des Musical-Genres entwickelt hat, bringt nun mit dieser Produktion eine weitere Rarität auf die Bühne.

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Roberta Valentini als Bobbi bei ihrer Ballade "Bei jedem Atemzug"

Das Stück spielt Ende der 1940er Jahre in Los Angeles und hat zwei parallele Handlungsstränge. Die eine Ebene erzählt von dem erfolgreichen Romanautor Stine, der für den Filmproduzenten Buddy Fidler ein Drehbuch zu einem Krimi über seinen berühmte Romanfigur Stone, einen mäßig erfolgreichen Privatdetektiv, schreibt, das Fidler allerdings aus unterschiedlichen Gründen stets irgendwelchen Änderungen unterzieht, was sich für Stine nicht nur zu einem absoluten Ärgernis, sondern auch zum Problem mit seiner Ehefrau Gabby entwickelt, die von ihm verlangt, sich endlich gegen Fidler durchzusetzen. Die andere Ebene zeigt die Entwicklung des Drehbuchs, in der die eine oder andere Szene bisweilen auch rückwärts läuft, wenn Stine dabei ist, eine Szene umzuschreiben. Die Figuren des geplanten Hollywood-Films sind von den Personen der realen Ebene insofern beeinflusst, dass sie deren Charaktereigenschaften in das Drehbuch projizieren. So stellen fast alle Darsteller zwei Figuren dar. Nur Stine und sein Alter Ego Stone sind mit zwei unterschiedlichen Solisten besetzt, so dass die Romanfigur Stone am Ende, wenn er im Film von dem Schnulzensänger Jimmy Powers dargestellt werden soll, als einzige Figur die Drehbuch-Ebene verlassen kann und Stine die Kraft gibt, sich endlich gegen Fidler durchzusetzen und sein eigenes Finale zu schreiben.

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Buddy Fidler (Norbert Wendel, Mitte) schlägt Stine (Veit Schäfermeier, links) Änderungen am Drehbuch vor (rechts: Donna (Sarah Kuffner)).

Das Drehbuch, das im Stück entsteht, ist eine Hommage an den Film noir der späten 40er Jahre des letzten Jahrhunderts, das mit vielen Anspielungen auf den ersten Film dieser Gattung, The Maltese Falcon, der in Deutschland unter dem Titel Die Spur des Falken lief, versehen ist. So erinnert der Privatdetektiv Stone als gebrochener Held nicht nur an Sam Spade, sondern auch sein Darsteller Alexander Franzen klingt in den gesprochenen Monologen zum jazzigen Krimi-Sound der Bielefelder Philharmoniker wie eine Reinkarnation Humphrey Bogarts. Um auch das Flair eines in Schwarz-Weiß gedrehten Filmes einzufangen, versucht Ulv Jakobsen die Kostüme in den Drehbuch-Szenen relativ blass zu halten, während in den realen Szenen bunte Farben betont werden. Johann Kaiser unterstützt dies mit einer geschickten Lichtregie, so dass der Zuschauer bereits allein dadurch gut zuordnen kann, ob eine Szene nun im Drehbuch oder in der "Realität" spielt. Der Einsatz der Drehbühne ermöglicht bei dem äußerst zweckmäßigen Bühnenbild schnelle Szenenwechsel zwischen diversen Hotel- und Schlafzimmern und der Villa von Buddy Fidler bzw. Alaura Kingsley, in der es im Finale zum Showdown kommt. Auf der rechten Seite der Bühne befinden sich in zwei Ebenen weitere Räume des Drehbuchs, die im ersten Teil das Vorzimmer von Stones Büro und im zweiten Teil eine Gefängniszelle darstellen. Die beiden Räume auf der linken Seite werden für die andere Handlungsebene genutzt und stellen entweder Stines Arbeitszimmer oder Fidlers Büro dar.

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Stine (Veit Schäfermeier, oben links) schreibt eine Szene zwischen Lieutenant Muñoz (Carlos H. Rivas, Mitte) und Stone (Alexander Franzen).

Musikalisch weist das Stück einen bunten Stilmix aus, der Colemans Vielseitigkeit zeigt, aber alles in allem dem Genre der 40er Jahre im Klang treu bleibt. Dies gilt sowohl für die jazzigen Nummern, die gesprochene Passagen oder Szenenübergänge untermalen, als auch für das Vokalquartett Angel City Four, das die vier Mitglieder der Cologne Voices Valerie Bruhn, Susanne Riediger, Adrian Kroneberger und Frank Bahrenberg, als beeindruckende Stilkopie des Manhattan Transfer präsentieren. Thomas Klotz persifliert als aalglatter Schmusesänger Jimmy Powers gefühlsduselige und schmalztriefende Melodien der Nachkriegszeit. Gekonnt ist hierbei auch der Übergang vom Live-Gesang zum rauschenden Klang aus dem Radio in Buddy Fidlers Schlafzimmer. Im Ohr bleibt der Song "Dafür bin ich gut", den Stones Sekretärin Oolie (Sarah Kuffner) verzweifelt anstimmt, wenn sie sich beklagt, dass sie von ihrem Boss, den sie heimlich liebt, ständig ausgenutzt wird. Auch Kuffners erstes Duett mit Roberta Valentini, in dem die beiden Frauen (Gabby in der Realität und Oolie im Drehbuch) frustriert feststellen, dass Stine / Stone nichts von Frauen versteht, markiert eine interessante Verknüpfung der beiden parallelen Handlungsebenen. Zu erwähnen ist auch Bobbis Ballade "Bei jedem Atemzug", den Valentini (in der Drehbuch-Ebene) anstimmt, als Stone ihr in einer Cocktailbar einen Heiratsantrag macht, den sie allerdings ablehnt, und die in ihrer Intensität trotz aller Gefühlsduselei zu bewegen vermag.

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Stone (Alexander Franzen, rechts) hat Alauras (Brigitte Oelke) falsches Spiel durchschaut (links: Luther Kingsley (Helmuth Westhausser)).

Dramaturgisch beeindruckend ist, wie die Figuren der realen Ebene den Fortgang der Geschichte in der Drehbuch-Ebene beeinflussen. So wie Gabby ihren Mann Stine drängt, nicht zuzulassen, dass Fidler ständig das Skript ändert, ist es Bobbi, die im Drehbuch den Film-Mogul Irwin S. Irving erschießt. Doch auch wenn Stone im Drehbuch die Schuld dafür auf sich nimmt, gibt es für ihn kein Happy End mit Bobbi, die im Bordell endet, während Gabby nach New York geht und es unwahrscheinlich ist, dass sie nach Stines Affäre mit Fidlers Sekretärin Donna zu ihm zurückkehren wird. Gleiches gilt für das Starlet Avril Rains, die durch ihr Verhältnis zu Fidler durchsetzt, dass Mallory Kingsley gegen Stines Willen im Drehbuch nicht stirbt, während Fidler sich an seiner Frau Clara, die im Film Alaura spielt rächen will, indem er den Privatdetektiv mit Jimmy Powers, Claras heimlichem Liebhaber, umbesetzt und wahrscheinlich für beide am Schluss ein tödliches Ende plant. Bis dahin greifen die Handlungen gut ineinander. Dass am Schluss allerdings Stine gemeinsam mit seiner Romanfigur Stone diesem Spuk ein Ende macht und seine eigene Geschichte schreibt, die dann sogar noch mit dem Oscar prämiert wird, wirkt ein wenig zu dick aufgetragen, selbst wenn dieser Schluss ironisch gemeint sein sollte.

Die Bielefelder Philharmoniker überzeugen unter der Leitung von William Ward Murta mit einem flotten Sound, der stellenweise ein wenig übersteuert und zu laut für das Haus ist. Gleiches gilt für die Solisten, was gerade zu Beginn des Stückes zu einigen Rückkopplungen führt. Die Kampfszenen wirken bisweilen arg aufgesetzt und könnten noch ein wenig verbessert werden. Hervorragend setzen die Solisten allerdings die Szenen um, in denen sie rückwärts sprechen, weil die Szene zurückgedreht und neu geschrieben wird. Brigitte Oelke begeistert als mondäne Clara Haywood und geheimnisvolle Alaura Kingsley. Norbert Wendel überzeugt als schmieriger und unsympathischer Buddy Fidler und Irwin S. Irving. Annabelle Mierzwa mimt glaubhaft das Starlet Avril Rains, das sich durch diverse Betten auf der Erfolgsleiter nach oben schläft. Sarah Kuffner gestaltet die beiden Sekretärinnen Donna und Oolie mit großem Sympathiefaktor. Auch Roberta Valentini, Veit Schäfermeister und Alexander Franzen überzeugen als Bobbi / Gabby, Stine und Stone in den Hauptpartien, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Auch wenn die Auflösung der Geschichte inhaltlich nicht ganz überzeugen kann, sollten sich Musical-Fans diese Rarität in Bielefeld nicht entgehen lassen.     



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
William Ward Murta   

Inszenierung
Thomas Winter    

Bühne und Kostüme
Ulv Jakobsen

Choreographie
Thomas Klotz

Kampfchoreographie
Benjamin Armbruster

Licht
Johann Kaiser

Dramaturgie
Jón Philipp von Linden


 

Bielefelder Philharmoniker


Solisten

Stine, Romanautor
Veit Schäfermeier

Stone, Privatdetektiv
Alexander Franzen

Gabby, Stines Ehefrau / Bobbi, Stones Ex-Frau
Roberta Valentini

Donna, Fidlers Sekretärin / Oolie, Stones Sekretärin
Sarah Kuffner

Buddy Fidler, Filmproduzent /
Irwin S. Irving, Film-Mogul

Norbert Wendel

Clara Haywood, Fidlers Ehefrau /
Alaura Kingsley / Margie

Brigitte Oelke

Werner Kriegler, Schauspieler /
Luther Kingsley, Alauras Ehemann

Helmut Westhausser

Gerals Pierce, Schauspieler /
Peter Kingsley, Alauras Stiefsohn

Fabian Kaiser

Avril Rains, Starlet /
Mallory Kingsley, Alauras Stieftochter
Annabelle Mierzwa

Pancho Vargas, Schauspieler /
Lieutenant Muñoz, Kriminalbeamter
Carlos H. Rivas

Jimmy Powers, Schlagersänger
Thomas Klotz

1. Krankenpfleger / Schuhputzer /
Sonny, kleiner Schläger / Mann am Telefon /
Mahoney, Reporter / Tonmeister /
Studio-Wachmann
Nico Gaik

Big Six, Schlägertyp / Ansage im "Blue Note" /
Studio-Wachmann
Benjamin Armbruster

Anna / Margaret / Boothie /
Gina, Regieassistentin
Jessica Krüger

2. Krankenpfleger / Harlan Yamato, Gerichtsmediziner /
Gilbert, Friseur / Pianist / Gefängniswächter /
Neffe / Ansage Radio
Marvin Meinold

Angel City Four Sopran / Requisiteurin
Valerie Bruhn

Angel City Four Alt / Lichtdouble
Susanne Riediger

Angel City Four Tenor / Dr. Mandril, Esoteriker /
Tim, Beleuchter
Adrian Kroneberger

Angel City Four Bass / Officer Pasco, Polizist /
Jack, Kameramann
Frank Bahrenberg


 

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)




Da capo al Fine

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