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Ein Fall für die PathologieVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Die letzte Opernaufführung der Intendanz von Klaus Weise sollte eine ganz besondere sein, und so verpflichtete die Oper Bonn einen Stargast: Ursprünglich sollte Ildebrando d'Arcangelo den Don Giovanni in Klaus Weises Inszenierung singen; als er kurzfristig absagen musste, übernahm kurzerhand Bo Skovhus die Partie. Das ist natürlich spektakulär und mag noch einmal für ein volles Haus gesorgt haben. Ganz schlüssig ist der Plan, mit einer solchen Gala zu schließen, freilich nicht, denn auf der Haben-Seite der Amtszeit Weises steht ganz sicher, in Bonn ein gutes hauseigenes Ensemble aufgebaut und gepflegt zu haben, dem konsequenterweise auch der Schlusspunkt hätte gehören sollen. Sei's drum, Bo Skovhus hört und sieht man natürlich gerne. Leichenschau mit verstorbenem Giovanni
Auch ist Don Giovanni ein Ensemblestück, noch dazu eines, in dem der Titelheld als einziger vom schnell versterbenden Komtur abgesehen keine wirklich große Arie hat: Eigentlich also kein Stück für's große Star-Theater. Bo Skovhus fügt sich allerdings szenisch glänzend in das Ensemble ein, als sei er schon immer Teil der Produktion gewesen. Sein sonorer, eleganter Bariton macht den Charmeur und Verführer unbedingt glaubhaft, lässt die Figur beinahe schon allzu sympathisch erscheinen die schwarze, abgründige Seite kommt trotz der durch und durch souveränen, in allen Lagen klangvollen Stimmführung ein wenig kurz. Seine Canzonetta Deh, vieni alla finestra ist von betörendem Wohlklang, die kurze Arie Finch'han dal vino (als Champagner-Arie bekannt) nimmt Dirigent Erich Wächter nach ein paar Wacklern in der Szene zuvor leider in arg gemäßigtem im Sicherheitstempo. Finale 1. Akt
Überhaupt hat Erich Wächter, seinerzeit im Jahr 2005 Dirigent der Produktion (die Wiederaufnahme in dieser Spielzeit leitete Kapellmeister Robin Engelen), stellenweise erhebliche Schwierigkeiten, Orchester und Bühne zu koordinieren. Das Finale des ersten Aufzugs mit drei Bühnenorchestern lief völlig aus dem Ruder, an manchen anderen Stellen wird die Musik ausgebremst, weil die Feinabstimmung fehlt und Wächter auf Kosten der Differenzierung die sichere Variante wählt so fehlt es doch an musikalischem Witz, mancher überraschende Harmoniewechsel erscheint unterbelichtet, der Klang des insgesamt guten Beethoven Orchesters ist nicht immer transparent, die dramatischen Akzente im Finale bleiben recht blass. Eine ziemlich gemäßigte Interpretation also, die wenig eingespielt klingt ob man bei aller Wertschätzung für Erich Wächter - da nicht doch besser Robin Engelen, der beiden Aufführungen zuvor geleitet hat und vermutlich besser auf das Ensemble eingespielt war, auch hier mit dem Dirigat beauftragt hätte? Bo Skovhus
Sängerisch allerdings ist die Aufführung durchweg sehr gut besetzt. Die junge Sopranistin Hale Soner verleiht der Donna Anna ein sehr sinnliches Timbre und ist blitzsauber in den Koloraturen, was ihr (noch) fehlt, ist der Furor der opera seria ihre Donna Anna ist ein wenig zu brav. Glühend leidenschaftlich und mit dem richtigen Maß zwischen tragischer und komischer Figur gibt Julia Kamenik die Donna Elvira, und Anna Virovlansky ist eine zupackende Zerlina jenseits allzu niedlicher soubrettenhaftigkeit. Großen Szenenapplaus erhält Tamás Tarjányi für seinen schlanken und klangschönen, in der Höhe noch etwas engen, aber durchaus strahlenden Ottavio, der hier auch noch blendend aussieht. Giorgios Kanaris, bei den vorangegangenen Aufführungen noch in der Titelpartie zu hören, ist ein ausgezeichneter, jugendlich kraftvoller (aber nicht kraftmeiernder) Masetto, Ramaz Chikviladze ein etwas behäbiger, aber souveräner Leporello, Aleksander Teliga ein zuverlässiger Komtur. Eine Wiederaufnahme der nicht sehr spannenden Inszenierung von Klaus Weise wäre unter künstlerischen Aspekten gesehen verzichtbar gewesen Weise hat sicher bessere (auch schlechtere) Regie-Arbeiten vorzuweisen. Er verlegt das Geschehen in einen unterkühlten Einheitsraum, so etwas wie die pathologische Abteilung einer Klinik. Giovanni ist bereits zu Beginn aufgebahrt; an seiner Leiche entwickelt sich wie im Rückblick das insgesamt konventionelle, durch das Fehlen eines geeigneten Rahmens oft unnötig abstrakte Spiel mit Giovanni und Diener Leporello im historisierenden Kostüm als Triebfedern einer modernen Gesellschaft. Falsch ist das nicht, bremst das spielfreudige Ensemble, dem ein paar passende Requisiten sicher hilfreich gewesen wären, aber immer wieder aus. Dass der allgegenwärtige Tod im Don Giovanni eine zentrale Rolle spielt, wird auf etwas aufdringliche Art sinnfällig, zumal Weise es kaum gelingt, die Ironie von Libretto und Musik einzufangen. Vereinzelte Buh-Rufe für den scheidenden Intendanten, waren deswegen noch lange nicht angebracht - immerhin hat Weise zehn Jahre lang oft gut funktionierendes Theater in Bonn ermöglicht.
Das Ensemble-Theater widersetzt sich dem Starbetrieb: Eine sängerisch an sich großartige Vorstellung leidet ein wenig an der fehlenden Feinabstimmung und der unterkühlten Regie. Trotzdem ein würdiger Abschluss der Intendanz von Klaus Weise. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Szenische Leitung der Wiederaufnahme
Dramaturgie
Solisten
Don Giovanni
Donna Anna
Don Ottavio
Komtur
Donna Elvira
Leporello
Masetto
Zerlina
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