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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Akten
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Bonn am 28. April 2013


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Theater Bonn
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Die Liebe, die es vielleicht nie gegeben hat

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Worum geht es in Tristan und Isolde? Um Liebe als Grenzsituation, die sich dem rationalem Denken und den Umständen widersetzt, die wider alle Vernunft handeln lässt, die alles aufgeben lässt? Um Liebe als Schutzraum und zugleich als Katalysator für die Befreiung von Zwängen? Um Liebe als ungelebte Utopie, als unerfüllte Traumwelt, auch als ungenutzte Chance, gleichzeitig als Triebfeder für Kunst? Oder steckt darin von allem Genannten etwas? Wie zu allen großen Kunstwerken gehört die Uneindeutigkeit zu dieser Oper. Vera Nemirova, viel gelobt für ihren Frankfurter Ring, und Ausstatter Klaus W. Noack legen viele Spuren aus und Chiffren, die sich einer schnellen Deutung entziehen. Da gibt es beispielsweise eine Skulptur, die vom Bühnenhimmel herab hängt, ein riesiger Kristall, in den Lampen - Insignien der bürgerlichen Welt? Ausdruck der Hell-Dunkel-Thematik, der im zweiten Aufzug verlöschenden Fackel? – wie in einem Bernsteintropfen eingeschlossen sind. Da scheinen Bruchstücke einer einst gefestigten Welt wie nach einer Explosion davon zu schweben. Die seitliche Wand, die vielleicht den Lagerraum eines Transportschiffes begrenzt, ist wie von einem Meteoriten durchschlagen.


Szenenfoto

Ein Liebestrank ist nicht erforderlich: Tristan und Isolde (erster Aufzug)

Das zentrale Bildmotiv des zweiten und dritten Aufzugs ist ein Treibhaus, dessen Verglasung an vielen Stellen eingefallen ist (und dessen Konturen eine Villa andeuten). Im Treibhaus heißt das dritte der Gedichte Mathilde Wesendocks, die Richard Wagner als Wesendonck-Lieder vertonte und dabei die Musik vorweg nahm, die später den dritten Tristan-Akt einleiten wird. Die Liebesbeziehung des Komponisten zu der Unternehmersgattin findet in Tristan und Isolde ihren künstlerischen Ausdruck; darüber ist viel geschrieben und manches inszeniert worden. Vera Nemirova greift das autobiographische Element auf, weniger um es erneut als Erklärungsmodell durchzuspielen, mehr um vielfältige Assoziationen daran anzuknüpfen. Tristan und Isolde sind „wie zwei fremde südliche Pflanzen, die in einem kalten Umfeld wachsen“, schreibt sie im Programmheft, das ähnlich collagenhaft offen gestaltet ist wie diese kluge und vielschichtige Inszenierung.


Szenenfoto

Nächtliche Begegnung im Treibhaus

Die an sich ja ziemlich kitschige Frage, was das Werk uns heute noch zu sagen hat, geht sie offensiv an: Im Programmheft schreiben eine Reihe von Bonner Bürgern anonym kurze Geschichten über ihre Liebe und ihr Scheitern an der Liebe, über die Erfüllung und viel mehr über die Nichterfüllung. Dafür braucht es keinen Liebestrank. Vera Nemirova gibt den Protagonisten provokativ profan Wasser aus handelsüblichen PET-Flaschen in die Hand, und setzt an die Stelle des Wagnerschen Vergiftens mit dem vermeintlichen Todes-, tatsächlichen Liebesserums den gefühlt längsten Kuss der Operngeschichte: Ein tastendes Sich-Durchringen zu den eigenen Gefühlen. Fast jeder zeitgenössische Regisseur sieht den Trank als Symbol, aber das so einfach und so deutlich zu zeigen, das gelingt kaum einmal. Offen bleibt, was danach kommt: Das in der hernieder sinkende „Nacht der Liebe“ die sexuelle Vereinigung in der Luft liegt, daran lässt die Regie keinen Zweifel – aber sie lässt offen, ob es dazu kommt: Halb entkleidet schreiben sich die beiden ihre Namen auf die Haut. Ist das die symbolische Vereinigung, oder die künstlerische Ersatzhandlung eines Paares, das nicht zueinander kommen konnte (oder gar nicht wollte)? Richard und Mathilde wurden kein Paar, zumindest nicht dauerhaft – erst Cosima von Bühlow war die Frau, die alle Konventionen (einschließlich ihrer Ehe) abschüttelte und an der Seite des Komponisten blieb.


Szenenfoto

Wechselseitige Beschreibungen

In der militärisch steifen und sehr grauen Welt Markes und Melots wird Isolde eingehen wie eine schlecht gepflegte Pflanze. Im Austarieren von symbolischer und realistischer Welt streift die Regie mitunter die Komödie, wenn Gärtner Kurwenal die Treibhauspflanzen abstaubt oder Gouvernante Brangäne und er das in offener Liebe entbrannte Paar vor Markes Erscheinen im ersten Aufzug immer wieder trennen müssen. Die sehr genaue, hervorragend auf die Musik abgestimmte Personenregie bringt immer wieder kleine Stiche, lässt von einer Ebene zur anderen wechseln – und sie schafft das Kunststück, das große Drama in den bürgerlichen Niederungen nicht klein werden zu lassen.

Tristan verblutet nicht, er stirbt an der Wunde Isolde, als Tattoo auf seinem Arm eingraviert. Oder stirbt er, alt geworden, nur für Isolde, die ihn nie hat erreichen können? Isolde stirbt keinen physischen Liebestod. Tristan lässt sie im Regen stehen – in einem Regen aus beschriebenen Papierblättern. Vielleicht hat Richard Wagner dereinst Mathilde Wesendock (die je eigentlich nicht Mathilde, sondern Agnes hieß, aber auf Wunsch ihres Gatten den Namen dessen verstorbener ersten Frau annahm) ähnlich im Regen stehen lassen, als er mit der Tristan-Partitur im Kopf zu neuen Ufern aufbrach. In Bonn geht Isoldes Blick zurück zu dem verfallenen Gewächshaus, das in der genialen Ausleuchtung von Max Karbe auf einmal zu einem Relikt aus der Vergangenheit wird. Es geht in Tristan und Isolde eben auch um die vielen Sehnsüchte, die unerfüllt bleiben.


Szenenfoto

Patient und Krankenpfleger: Tristan und Kurwenal (dritter Aufzug)

Diese letzte Opernpremiere in der Amtszeit des scheidenden Intendanten Klaus Weise ist auch deshalb eine der besten, weil sie musikalisch großartig gelingt. Das Beethoven Orchester Bonn kann sich zwar, was Spielkultur und Klang betrifft, nicht mit den besten Orchestern des Landes messen – dazu „klappern“ die Einsätze zu oft, dazu fehlt ein homogener Klang, und wenn jemand ein Solo hat, dann spielt er es laut und mit viel Vibrato (das müsste sich 'mal ein Essener Philharmoniker bei Stefan Soltesz erlauben!). Aber Chefdirigent Stefan Blunier befeuert das Orchester zu höchster Intensität, spitzt vor allem die schnellen Tempi bis an die Grenzen zu und dirigiert einen sehr spannungsgeladenen, hochdramatischen Tristan.


Szenenfoto

Isoldes Liebestod

Sehr sängerfreundlich ist das nicht immer, und um so höher ist es Robert Gambill anzurechnen, dass er mit leicht baritonal eingedunkeltem, durchsetzungsfähigem Tenor die monströse Partie des Tristan nicht nur souverän durchsteht, sondern klangschön und mit sorgfältig ausgesungenen Linien und guter Legato-Kultur gestaltet. Dara Hobbs spielt mit großer Intensität, war am Premierenabend durch eine Allergie stimmlich außer Gefecht; für sie sang vom Bühnenrand aus Sabine Hogrefe die Isolde. Durch den exponierten Platz nahe der Rampe hat sie es natürlich einfacher als Gambill und imponiert aber mit einer klar fokussierten, strahlkräftigen und leuchtenden, dabei nicht zu hellen Stimme, nicht allzu wandlungsfähig im Timbre, aber nicht scharf und auch gegen geballte Orchestergewalt tragfähig. Mark Morouse ist ein imposant heldenbaritonaler Kurwenal, Daniela Denschlag eine schlanke und (entgegen ihrem gouvernantenhaften Outfit) jugendliche Brangäne, gelegentlich vom Orchester übertönt, aber nicht forcierend und mit angenehmem Tonfall. Draufgängerisch zupackend, dabei etwas unbestimmt im Ausdruck singt Martin Tzonev einen eher wütenden als enttäuschten König Marke, Johannes Mertes ist ein Hirt und junger Seemann mit großer Stimme, Sven Bakin ein sehr ordentlicher Steuermann und Giorgos Kanaris ein akzeptabler Melot.


FAZIT

Vera Nemirova gelingt hier eine der hintersinnigsten und vielschichtigsten Produktionen nicht nur im Wagner-Jubeljahr. Auch musikalisch stark.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Blunier

Inszenierung
Vera Nemirova

Bühne und Kostüme
Klaus W. Noack

Licht
Max Karbe

Choreinstudierung
Sibylle Wagner

Dramaturgie
Ulrike Schumann


Herrenchor des Theater Bonn

Statisterie des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten


* Besetzung der Premiere

Tristan
Robert Gambill

König Marke
* Martin Tzonev /
Kurt Gysen

Isolde
Dara Hobbs (spielt)
Sabine Hogrefe (singt)

Kurwenal
Mark Morouse

Melot
Giorgos Kanaris

Brangäne
Daniela Denschlag

Ein Hirt/Stimme eines jungen Seemanns
Johannes Mertes

Ein Steuermann
Sven Bakin



Weitere
Informationen

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Theater Bonn
(Homepage)



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