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Der Untergang eines TribunenVon Roberto Becker / Fotos: Bayreuther FestspieleDie Uraufführung des Rienzi am 20. Oktober 1842 am Königlichen Hoftheater in Dresden brachte für den Komponisten Richard Wagner den Durchbruch und blieb lebenslang eine der für ihn auch finanziell einträglichsten Werke. Gleich im Jahr drauf folgte mit dem Fliegenden Holländer schon sein entscheidender Schritt zu sich selbst und in die Zukunft. Den königlichen Hofkapellmeister auf Lebenszeit gab es obendrauf, was sich freilich mit seinem Ausflug auf die revolutionären Barrikaden fünf Jahre später erledigt hatte. Trotzdem wollte Wagner den Rienzi später nicht im Kanon der Werke haben, die er für sein Festspielhaus vorsah. Irgendwie war ihm das Tschingderassabum dann wohl doch peinlich. Irene (Jennifer Wilson) und Adriano (Daniela Sindram)Dass alle Festspielleitungen nach Wagner daran festhielten, liegt wohl nicht nur daran, dass seine Wünsche auf dem Grünen Hügel als sakrosankt gelten. Der Fünfteiler passt mit seinen exzessiven Grand-Opéra-Ausmaßen einfach nicht dort oben hin. Und wenn Nike Wagner jetzt (in einem Interview für die Westfälischen Nachrichten) dafür plädiert, die Frühwerke des Meisters, nicht wie ihre Cousinen es jetzt gemeinsam mit der Oper Leipzig gemacht haben, in der Oberfrankenhalle zu präsentieren, sondern dort oben, so ist das sicher mehr dem familieneigene Widerspruchsgeist geschuldet als wohlmeinender kluger Rat. Sei's drum Rienzi hat natürlich noch ein anderes Problem. Es war Hitlers Lieblingsoper, das Schlüsselerlebnis, das ihn zum Wagnerianer machte und der Ouvertüre zu Reichsparteitags(un)ehren verhalf. Wobei man sich schon fragt, wie der Diktator sich den Untergang des Tribunen hingebogen hat (ein interessanter Essay von Hans Rudolf Vaget zu diesem Komplex findet sich im Programmheft.) Jede Aufführung des Rienzi heute ist auch ein Anspielen und ein Aninszenieren gegen diese historische Belastung, für die der Komponist nichts kann. Kardinal Orvieto (Tomas Pursio) und Rienzi (Robert Dean Smith, kniend) Christian Thielemann, der in Bayreuth diesmal nicht mit dem Festspielorchester im verdeckten Graben unsichtbar zauberte, sondern mit dem Leipziger Gewandhausorchester vor der eingebauten Bühne in Augenhöhe mit dem Publikum am Werke war, tat das seine, um gegen jeden demagogischen Pomp anzudirigieren. Was nicht heißt, dass er nicht auch mal kräftig, sinnlich zulangte oder sich vom Marschrhythmus inspirieren ließ. Jedenfalls bewies er, dass er auch mit dem zweiten sächsischen Spitzenorchester neben der Sächsischen Staatskapelle Dresden gut kann und in Sachen Wagner auch für die Frühwerke erste Wahl ist. Die Leipziger waren freilich durch ihre eigene, noch frische Rienzi-Inszenierung bestens präpariert. In Bayreuth wurde die Strichfassung verwendet, die man auch daheim (in einer anderen Inszenierung) spielt. EnsembleDas Beste, was man von Matthias von Stegemanns Inszenierung sagen kann, ist, dass sie sich nicht auf ein Historienspektakel einlässt, das uns in die Zeit des historischen Cola di Rienzo und in das Rom der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückführt. Und, dass sie auch nicht so tut, als hätte sie eine kluge Interpretation parat (wie die von Philipp Stölzl an der Deutschen Oper in Berlin). Mit ein paar Arkadenversatzstücken aus dem alten Rom, vor allem durch ein Videospiel mit architektonischen Versatzstücken der Oberfrankenhalle, die mit Ausschnitten aus Sergej Eisensteins Filmklassiker Panzerkreuzer Potemkin überblendet werden, liefert Matthias Lippert Bühnenbild- und Videobeiträge, die mehr wie illustrierende Ausreden wirken und die eher dem besonderen Aufführungsort geschuldet sind. Zusammen mit den Kostümen für den Chor, die schlicht auf die Gegenwart verweisen, bleibt das alles mehr Behauptung. Zumal der Rest, also die eigentliche Erzählung der Geschichte über die Führung der Personen, allzu sehr in der Beliebigkeit von konventionellen Operngesten stecken bleibt. Irene (Jennifer Wilson) und Rienzi (Robert Dean Smith, liegend) Zum besonderen Handicap wird dabei Robert Dean Smith, der als Rienzi zwar vokal durchhält, dabei aber auch erhebliche Durststrecken zu überwinden hat, vor allem aber kaum gestalterisches Charisma aufbietet. Sein Händeringen ist schon arg. Das berühmte und gefürchtete Gebet Allmächt'ger Vater, blick herab! zu Beginn des fünften Aktes bewältigt Smith immerhin ohne Einbruch mit einer Mischung aus Technik, Erfahrung und Kreativität. Jeniffer Wilson als seine Schwester Irene ist zwar mit ihrer Körperfülle nicht zu übersehen (was ja per se noch kein Nachteil sein muss) und mit ihrer allzu scharfen Höhe auch nicht zu überhören, doch wenn ihr Von-der-Bühne-huschen mitunter unfreiwillig komisch wirkt, dann muss man das vor allem schon dem Regisseur anlasten. Der Lichtblick im Ensemble war einzig der in Irene Verliebte Adriano von Daniela Sindram. Für ihre warm timbrierte Stimme, ihre Eloquenz, aber auch für ihr höchst überzeugendes Hosenrollenspiel kassierte sie ganz zu Recht den größten Beifall neben Thielemann und dem Orchester. Das übrige Ensemble war solide, wobei man die extremen Temperaturen in der fremd genutzten Sporthalle mildernd in Rechnung stellen muss.
Unter den besonderen Bedingungen des Aufführungsortes war diese Rienzi- Produktion eine Herausforderung. Dabei bewies Christian Thielemann auch am Pult des Gewandhausorchesters sein Format als Wagnerdirigent. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Komparserie
Rienzi
Adriano
Irene
Steffano Colonna
Paolo Orsini
Kardinal Orvieto
Baroncelli
Cecco del Vecchio
Friedensbote
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