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Musiktheater
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Eine florentinische Tragödie

Oper in einem Aufzug
nach Oscar Wilde
Text und Musik von Alexander Zemlinsky

Der Zwerg

Ein tragisches Märchen für Musik in einem Akt
Text von Georg C. Klaren nach Oscar Wilde
Musik von Alexander Zemlinsky


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 15. Juni 2013
(rezensierte Aufführung: 28.06.2013)


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Rheinoper
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Zwischen Traum und Wirklichkeit

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Obwohl Alexander Zemlinsky mit seinen acht vollendeten Opern und zahlreichen sehr verschieden weit gediehenen Opernfragmenten neben Richard Strauss und Franz Schreker zu den produktivsten Opernkomponisten seiner Zeit zählte und Arnold Schönberg ihn als einen der begnadetsten Komponisten nach Wagner bezeichnete, fristen seine Werke im Repertoire der Opernhäuser ein ähnliches Schattendasein wie die Kompositionen Franz Schrekers und verschwanden nach seinem Tod 1942 für nahezu 30 Jahre ganz von den Spielplänen, bis 1977 in Kiel eine zaghafte Renaissance eingeleitet wurde. Dass man sich nun an der Deutschen Oper am Rhein genau den beiden Einaktern widmet, die 1977 den Beginn der Wiederentdeckung einleiteten, mag weniger als Reminiszenz an Kiel gedacht, als vielmehr dem dramaturgischen Aspekt geschuldet sein, dass beide Werke auf eine Vorlage von Oscar Wilde zurückgreifen, ohne dabei jedoch inhaltlich in einem Zusammenhang zu stehen. Die beiden recht unterschiedlichen Regie-Ansätze von Barbara Klimo und Immo Karaman versuchen dabei auch keineswegs, einen Bezug zwischen den beiden Einaktern herzustellen. Dennoch lassen sich gewisse Parallelen nicht verleugnen, da sowohl Klimo als auch Karaman die jeweilige Geschichte aus der eigentlichen Erzählung auf eine surreale Traumebene hebt.

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Bianca (Janja Vuletic) zwischen ihrem Mann Simone (Anooshah Golesorkhi, links) und ihrem Geliebten Guido Bardi (Corby Welch, rechts)

Den Anfang macht Eine florentinische Tragödie, in der der Tuchhändler Simone mit ansehen muss, wie seine Frau Bianca ihn mit Guido Bardi, dem Prinzen von Florenz, betrügt. Es kommt zum Duell zwischen den beiden Männern, in dem Simone den Prinzen tötet, was ihm den erneuten Respekt seiner Gattin einbringt. Klimo hält diese Dreiecksbeziehung für so abstrus, dass sie sie als surrealen Traum Biancas in Szene setzt. Dazu schafft sie eine Rahmenhandlung, die allerdings auch einige Fragen aufwirft. Vor der Ouvertüre sieht man einen Ausschnitt eines Kinosaals auf der Bühne. In dem Zuschauerraum finden sich nun mehrere Kinobesucher ein, unter denen sich auch Bianca, ihr Mann Simone und Guido Bardi befinden. Warum dann während der Ouvertüre, wenn der Film beginnt, der sich in flackerndem Lichtspiel von Volker Weinhart auf den Gesichtern der Figuren widerspiegelt, die Statisten zwischen Popcorn und Cola ständig die Sitzplätze und teilweise auch Partner wechseln, bleibt genauso unklar wie unnötig. Lediglich der Blickkontakt zwischen Bianca und Guido markiert die Grundlage dafür, dass Guido in Biancas Traum als Liebhaber auftritt. Sobald Bianca in ihrem Kinosessel einschläft, wird der Kinosaal auf der Bühne nach hinten gezogen. Simone und Guido schlüpfen beide in ein ähnliches Sakko mit asymmetrischen Streifen in unterschiedlichen Blautönen, die wohl mit Blick auf das blaue Kleid Biancas suggerieren sollen, dass beide nur Teil ihrer Psyche sind.

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Das Duell: von links Guido Bardi (Corby Welch), Bianca (Janja Vuletic) und Simone (Anooshah Golesorkhi)

Mehrere quaderförmige weiße Bühnenelemente werden aus dem Schnürboden herabgelassen bzw. tauchen aus dem Bühnenboden auf und tauschen die reale Welt des Kinosaals gegen ein abstraktes Ambiente ein, das durch zahlreiche surreale Projektionen auf die Rückwand noch verstärkt wird. Dabei entsteht allerdings eine derartige Bilderflut, dass man die zahlreichen verschiedenen Projektionen gar nicht alle aufnehmen, geschweige denn deuten kann, was jedoch für einen Traum wiederum gar nicht so ungewöhnlich ist. Dass es bei dem Handel zwischen Simone und Guido nicht um Stoffe sondern um Bianca geht, unterstreicht Klimo zum einen, indem sie Bianca die Stoffe anlegen lässt, die Simone dem Prinzen anbietet und somit selbst zur angebotenen Ware wird, zum anderen, indem Guido seinen Anspruch auf Bianca dadurch manifestiert, dass er sie gewissermaßen wie eine aufgetischte Mahlzeit mit Messer und Gabel zu sich nimmt. Kann man diesen psychoanalytischen Ansatz noch nachvollziehen, bleibt die Rolle des eingefügten stummen Harlekins (Ronaldo Navarro) allerdings unklar. Mit ihm verändern sich die geraden Strukturen der Quader und weichen schrägen Formen. Aus dem kalten hellweißen Raum wird durch zahlreiche dunkelblaue Bögen eine riesige Höhle, in der das Unglück seinen Lauf nimmt. Kurz nach dem Mord an Guido verschwindet das Bühnenbild wieder, und Bianca wacht im Kinosessel auf. Guido hat sich nun wild knutschend einer anderen Besucherin zugewandt, was für Klimo der Grund sein mag, dass Bianca nach diesem Traumerlebnis ihren Mann Simone mit anderen Augen betrachtet.

Bleiben szenisch auch einige Deutungen unklar, lässt die musikalische Gestaltung keinerlei Wünsche offen. Die Düsseldorfer Symphoniker begeistern unter der Leitung von Jonathan Darlington mit einem fulminanten Sound, der den Zuschauer in betörend schöne, surreale Klangwelten eintauchen lässt. Anooshah Golesorkhi agiert als Simone an diesem Abend szenisch aufgrund einer Fußverletzung ein wenig eingeschränkt, was seiner stimmlichen Leistung allerdings keinen Abbruch tut. Wie er sich mit markantem, kräftigem Bass gegen das emotionsgeladen aufbrausende Orchester durchzusetzen vermag, lässt ihn zum Star des ersten Teils des Doppelabends avancieren. Vielleicht ist es auch ganz gut, dass er in seiner Rolle relativ statisch bleibt, da die Regie seinen beiden Mitstreitern Corby Welch und Janja Vuletic einige alberne Verrenkungen im Spiel abverlangt, die zum Verständnis nicht gerade beitragen. Vuletic präsentiert eine vor allem optisch sehr ansprechende Bianca mit weichem Mezzo. Welch gibt den Guido Bardi gewohnt souverän, so dass eine anfängliche Missfallensbekundung bezüglich der Inszenierung nach Ende des ersten Teils bei dem großen Applaus für die Solisten und das Orchester nicht weiter ins Gewicht fällt.

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Geburtstag der Infantin Donna Clara (Sylvia Hamvasi, Mitte) (im Hintergrund: Damenchor und Ensemble als Zofen)

Der zweite Teil des Abends, Der Zwerg, basiert auf Oscar Wildes Märchen The Birthday of the Infanta. Die spanische Prinzessin, bei Zemlinsky Donna Clara, erhält zu ihrem 18. Geburtstag, bei Wilde ist es der 12. Geburtstag, von einem Sultan einen verwachsenen Zwerg, der selbst nicht ahnt, wie hässlich er ist. Durch ihr unbedachtes Verhalten erweckt Donna Clara ein unkontrollierbares Begehren in dem Zwerg. Als er dann in einem Spiegel seine eigene Hässlichkeit begreift, stürzt er zu Boden und stirbt. Wie Klimo im ersten Teil schafft auch Karaman eine Rahmenhandlung, die die Episode mit dem Zwerg in eine Fantasiewelt verlegt. Ein Mädchen wünscht sich an ihrem Geburtstag, eine Prinzessin zu sein, und begibt sich mit einer Pappkrone wie Alice in Through the Looking-Glass durch den Spiegel in ihrem Zimmer in eine surreale Welt, die in vergrößerter Form ihre Kommode mit dem Spiegel vervielfacht. Die Freundinnen und Zofen der Geschichte wirken in ihrem Äußeren, helle Blusen, kurze Röckchen und Zöpfe, wie Projektionen von Donna Clara mit dem einzigen Unterschied, dass sie keine Krone tragen. Der Haushofmeister Don Estoban soll im Frauenkostüm wahrscheinlich ebenso die Surrealität der Szene unterstreichen.

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Der Zwerg (Raymond Very, Mitte) erkennt seine Hässlichkeit (rechts daneben: Donna Clara (Sylvia Hamvasi), im Hintergrund der Damenchor als Projektion von Don Estoban).

Raymond Very tritt als Zwerg dabei weder als verwachsener Gnom, noch als übermäßig hässliches Wesen auf. Aus einem riesigen Geschenkkarton krabbelt er in einem schwarzen Kostüm mit ungekämmten Haaren und passt so mit seinem ungepflegten Äußeren nicht zu der biederen Umwelt des Mädchenzimmers. Wie Very beim Öffnen des Kartons zunächst nur seine Hände wie Spinnenbeine erscheinen lässt und die Mädchen auf der Bühne zum Kreischen bringt, ist genauso großartig in Szene gesetzt wie beispielsweise Anke Krabbe, die als Lieblingszofe Ghita wie ein Spiegelbild Donna Claras agiert, bevor letztere den Spiegel durchschritten hat. Ob der Zwerg in Karamans Ansatz am Ende wirklich tot ist, bleibt offen, da der Zwerg nach der Erkenntnis seiner Hässlichkeit sich lediglich verzweifelt von der Bühne schleppt und nur noch einmal aus dem Off zu hören ist. Letztendlich ist es für die Inszenierung allerdings auch unbedeutend, da die Geschichte sich ja sowieso nur in Donna Claras Kopf abspielt und sie sich am Ende wieder in ihrem Zimmer vor dem Spiegel befindet. Alles in allem bleibt Karamans Regie-Ansatz stimmiger als der erste von Klimo inszenierte Einakter.

Musikalisch können neben den Düsseldorfer Philharmonikern auch die Solisten im zweiten Einakter glänzen. Aufhorchen lässt Anke Krabbe als Ghita, die mit mädchenhaftem und leuchtendem Sopran die Lieblingszofe Ghita eindringlich gestaltet. Bewegend spielt sie das Mitleid aus, das sie für den Zwerg empfindet und mit dem sie verzweifelt versucht, ihn schonend auf die Wahrheit vorzubereiten. Sylvia Hamvasi präsentiert Donna Clara mit vollem Sopran als unbedachtes Mädchen, das sich nicht bewusst ist, was sie mit ihrem gedankenlosen Spiel bei dem Zwerg anrichtet. Elisabeth Selle, Alma Sadé und Iryna Vakula überzeugen ebenso wie der Damenchor durch boshaftes Spiel und homogene Stimmführung. In dieser ganzen Frauenriege weiß sich Stefan Heidemann als Don Estoban trotz der Frauenkleidung mit strengem Bass-Bariton Respekt zu verschaffen. Star des zweiten Teils ist Raymond Very in der Titelpartie. Mit kräftigem Tenor, der in den Höhen eine enorme Durchschlagskraft besitzt, braucht auch er das fulminante Aufspiel der Düsseldorfer Philharmoniker an keiner Stelle zu fürchten und kann sich auch in den musikalisch aufbrausenden Momenten scheinbar ohne Anstrengung gegen die Musik durchsetzen. So gibt es im zweiten Teil nicht nur für die Solisten und Musiker, sondern auch für die packende Inszenierung lang anhaltenden Applaus.

FAZIT

Musikalisch sind beide Einakter ein Hochgenuss. Szenisch kann Der Zwerg wesentlich mehr überzeugen, was aber vielleicht auch an der Vorlage liegen könnte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jonathan Darlington

Licht
Volker Weinhart

Chor (Der Zwerg)
Christoph Kurig

Dramaturgie
Hella Bartnig




Damenchor der Deutschen Oper
am Rhein (Der Zwerg)

Statisterie der Deutschen Oper
am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Eine florentinische Tragödie

Inszenierung
Barbara Klimo

Bühne
Veronika Stemberger

Kostüme
Frank Bloching

Solisten

Guido Bardi
Corby Welch 

Simone
Anooshah Golesorkhi

Bianca
Janja Vuletic

Harlekin
Ronaldo Navarro

 

Der Zwerg

Inszenierung
Immo Karaman

Bühne und Kostüme
Nicola Reichert

Solisten

Donna Clara
Sylvia Hamvasi

Ghita
Anke Krabbe

Der Zwerg
Raymond Very

Don Estoban
Stefan Heidemann

Die erste Zofe
Elisabeth Selle

Die zweite Zofe
Alma Sadé

Die dritte Zofe
Iryna Vakula

Die erste Freundin
Jessica Stavros

Die zweite Freundin
Luiza Fatyol



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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