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L'Elisir d'amore (Der Liebestrank)

Melodramma in zwei Akten
Libretto von Felice Romani nach Le Philtre von Eugène Scribe
Musik von Gaetano Donizetti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 7. April 2013




Theater Dortmund
(Homepage)
Belcanto-Romantik im Arbeiterviertel

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas M. Jauk (Stage Pictures)

Was eigentlich als Lückenbüßer für das Mailänder Teatro della Canobbiana gedacht war und in einer Rekordzeit von zwei bis vier Wochen entstand, zählt heute zu den gängigen Stücken des Opernrepertoires und weist mit der Arie "Una furtiva lagrima" eine der populärsten Nummern der Opernliteratur aus, die nahezu jeder Tenor bei einem Konzert zumindest als Zugabe in petto haben dürfte. Die Rede ist von Gaetano Donizettis L'Elisir d'amore, einem Werk das bei seiner Uraufführung einen der größten Erfolge für den Komponisten markierte und sich schnell über ganz Europa verbreitete. Dabei wurde das Libretto nahezu eins zu eins aus dem Französischen übernommen, welches Eugène Scribe für die ein Jahr zuvor uraufgeführte Oper Le Philtre von Daniel-François-Esprit Auber verfasst hatte. Dass Donizettis Melodramma Aubers Werk um Klassen übertraf, mag zum einen am italienischen Sprachwitz liegen, den Romani schon bei der Namensfindung der Hauptpersonen einsetzte. So bedeutet Nemorino in etwa "das kleine Nichts", was durchaus zu einem mittellosen Landarbeiter passt, während der Name Dulcamara aus den Adjektiven "dolce" (süß) und "amaro" (bitter) besteht und damit für die Vielzahl von Tränken steht, die er seinen leichtgläubigen Kunden anpreist. Zum anderen dürfte Donizettis breites Spektrum von komischen und gefühlvollen Szenen, die hier kongenial nebeneinander gestellt werden, den musikalischen Charme des Werkes ausmachen.

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Belcore (Gerardo Garciacano, vorne links) macht Adina (Julia Amos) den Hof. Nemorino (Lucian Krasznec, Mitte) muss hilflos zusehen (im Hintergrund: Chor).

Aus heutiger Sicht ist es kaum vorstellbar, dass das Werk über 30 Jahre vor Richard Wagners Tristan und Isolde entstand, da sich die Geschichte um einen Trank, dessen Einnahme einen Menschen absolut begehrenswert und unwiderstehlich für das andere Geschlecht machen soll, nahezu wie eine Parodie auf den fatalen Liebestrank in Wagners Musikdrama liest. Doch auch zu Donizettis Zeit erfreute sich der Tristan-Stoff, dessen Urfassung in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden war, mit der schicksalhaften Liebe, die der Trank auslöst und Tristan seine Vasallentreue und Isolde ihre Ehe vergessen lässt, einer so großen Beliebtheit, dass den Zeitgenossen die Ironie vollkommen bewusst gewesen sein dürfte. Trotzdem bleibt in der Dortmunder Aufführung die Anspielung auf Richard Wagner nicht aus, schimmert doch in einem Rezitativ kurz der berühmte Tristan-Akkord durch, was Donizetti sicherlich so nicht komponiert hat.

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Dulcamara (Christian Sist, links) preist Nemorino (Lucian Krasznec, Mitte) einen einfachen Bordeaux als angeblichen Wundertrank an (im Hintergrund mit dem Rücken: Gianetta (Tamara Weimerich) und Mitglieder des Chors).

Christian Tschirner verfolgt mit seiner Inszenierung die Absicht, Donizettis Oper von jeglicher romantischen Verklärung zu befreien und die Geschichte in der Realität anzusiedeln. So ist Adinas Landgut ein Verschlag aus übereinander gestapelten Bretterbuden und Kisten, die eher an ein Slum-Viertel als an eine Schäferidylle erinnern. Adina bewohnt in diesem Viertel einen schäbigen Wohnwagen, vor dem ein alter Sessel mit einem großen Sonnenschirm aufgebaut ist. Die Landarbeiter sind hier tatsächlich arme Analphabeten, die am Rande der Gesellschaft leben. In diesem Ambiente verwundert es nicht, dass Adina Nemorinos Liebesbekundungen gegenüber taub bleibt. Schließlich kann sie sich als Frau mit einem gesunden Menschenverstand nicht auf einen jungen, ungebildeten und mittellosen Mann einlassen, auch wenn Lucian Krasznec mit großartigem Spiel diesen Nemorino als absolut liebenswerten Tölpel darstellt. In seinen Bewegungen wirkt er wie ein niedliches Riesenbaby. Bis zu diesem Punkt bleibt die Inszenierung glaubwürdig. Wenn allerdings Belcore mit einer Riege von Sergeanten auftritt, die rigoros die Ausweise der Arbeiter kontrollieren und scheinbar willkürlich mit roher Gewalt gegen diese vorgehen, ist es schwer nachvollziehbar, dass sich Adina mit so einem brutalen Menschen einlassen soll. Da können auch die Geldscheine nicht überzeugen, die ihr im zweiten Akt an das Brautkleid geheftet werden. Dass Gerardo Garciacano folglich in der Partie des Belcore darstellerisch blass bleibt, ist somit eher der Personenregie als dem Darsteller anzulasten.

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Adina (Julia Amos) und Belcore (Gerardo Garciacano) wollen heiraten.

Diesen recht ernsten Ansatz durchbricht Christian Sist als Dulcamara, wenn der hünenhafte Sänger mit einem kleinen Automobil auf die Bühne fährt und man sich ernsthaft die Frage stellt, wie er sich überhaupt in dieses winzige Gefährt quetschen konnte. Mit großer Stimme und viel Spielwitz preist er bei den Arbeitern seine diversen Tränke und Heilmittel an, auch wenn die Übertitelung an einigen Stellen hier extrem platt ist. Des Weiteren wird nicht ganz klar, wieso er im ersten Akt mit einigen Damen in Adinas Wohnwagen verschwindet. Aber von diesen kleinen Unstimmigkeiten kann abgesehen werden, was dem Spielwitz der Protagonisten zu verdanken ist. Eine herrliche Szene gelingt den Chordamen im zweiten Akt, wenn sie von Nemorinos Erbschaft erfahren und alle plötzlich riesengroßes Interesse an dem jungen Mann entwickeln, die dieser natürlich der Wirkung seines Trankes zuschreibt. Die Schilder, die sie bei ihrem Kampf um Nemorino hochhalten und mit stereotypen Formulierungen in Kontaktanzeigen werben, verursachen im Zuschauerraum wohl auch wegen des einen oder anderen bewussten Rechtschreibfehlers einige Lacher, wobei der schwarze Bühnenhintergrund mit den Lichtern, die an einen Sternenhimmel erinnern, schon fast wieder in romantischen Kitsch abdriftet. Den setzt Tschirner dann auch bewusst ein, wenn er, nachdem Adina und Nemorino zueinander gefunden haben, zunächst Rosenblätter und dann ganze Sträuße aus dem Schnürboden herabregnen lässt, die anschließend - und da schließt sich der Kreis zum Beginn des Stückes - von der Arbeitern für den Versand an Blumenmärkte in Kisten verpackt werden. Belcore wendet sich nun Gianetta zu, und Dulcamara preist, dass sein Trank nicht nur unwiderstehlich sondern auch reich macht. Die schwarzgelben Fähnchen, die am Ende des Stückes Wohlstand und Reichtum verkünden, dürfen wohl als Lokalpatriotismus in der Fußballstadt Dortmund verstanden werden.

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Doch Adina (Julia Amos) erkennt, dass sie eigentlich Nemorino (Lucian Krasznec) liebt.

Neben der größtenteils stimmigen Inszenierung wissen auch die Sänger in vollem Umfang zu begeistern. Tamara Weimerich glänzt in der kleinen Partie der Gianetta mit großem Spielwitz. Gerardo Garciacano kann als Belcore aufgrund des Regie-Ansatzes die komischen Momente der Figur zumindest am Anfang nicht richtig zur Geltung bringen, spielt sich aber im Laufe des Abends frei und gewinnt zum Ende hin darstellerisch an Profil. Stimmlich überzeugt er mit kräftigem Bariton. Die Stars des Abends sind Christian Sist als Dulcamara, Lucian Krasznec als Nemorino und Julia Amos als Adina. Sist begeistert mit großem Bass in der Buffo-Partie und gestaltet den Krämer als einen Scharlatan, dem man eigentlich nicht richtig böse sein kann. Krasznec verfügt über einen weichen Tenor, der in den Höhen noch ein wenig an Strahlkraft zulegen könnte, aber darstellerisch eine Idealbesetzung ist. Wenn er zu Beginn unter Adinas Liebesentzug leidet, spielt er dies mit hervorragender Mimik und Gestik aus, wobei er mit seinen Ungeschicklichkeiten an Komiker wie Buster Keaton oder Charlie Chaplin erinnert. Amos gestaltet Adinas Wandel in ihren Gefühlen zu Nemorino beeindruckend aus. So wird glaubhaft, wieso diese Landgutbesitzerin sich letztendlich doch für den einfachen Landarbeiter entscheidet. Stimmlich begeistert sie mit perlenden Koloraturen. Der von Granville Walker einstudierte Opernchor überzeugt ebenfalls durch große Spielfreude. Das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Motonori Kobayashi rundet die Aufführung zu einem rundum gelungenen Abend ab, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus und Jubel für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Dem Theater Dortmund ist ein Liebestrank gelungen, der musikalisch begeistert und in der Inszenierung überzeugt. (Weitere Termine: 12. und 28. April, 3. und 18. Mai 2013, 21. und 29. Juli und 12. Juli 2013)

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Motonori Kobayashi

Inszenierung
Christian Tschirner

Bühne
Aljoscha Begrich

Kostüme
Esther Krapiwnikow

Licht
Ralph Jürgens

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek

 

Opernchor des
Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*Besetzung der Premiere

Adina, Gutsbesitzerin
*Julia Amos /
Anke Briegel

Nemorina, Bauer
*Lucian Krasznec /
John Zuckerman

Belcore, Sergeant
Gerardo Garciacano

Dulcamara, Arzt
Christian Sist

Gianetta, Bauernmädchen
Tamara Weimerich

 


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
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