Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Csárdás und Walzer im Schnee Von Thomas Molke / Fotos von Thomas M. Jauk (Stage Pictures)
Nachdem man in Dortmund im Musical-Genre mit Funny Girl ein heutzutage eher selten aufgeführtes Werk auf den Spielplan gestellt hat (siehe auch unsere Rezension), setzt man mit Emmerich Kálmáns wohl erfolgreichster Operette auf Bewährtes, um das Publikum auch mit bekannten und sehr beliebten Stücken ins Theater zu locken. Die Gemeinsamkeit bei beiden Produktionen besteht darin, dass es sich jeweils um eine Übernahmeproduktion anderer Theater handelt, was sich in Zeiten knapper finanzieller Mittel als kluger Schachzug erweist, da man auf diesem Weg bei den Kosten für aufwändige Bühnenbilder gewiss Einsparungen erzielen kann. Des Weiteren dürften Nürnberg bzw. Chemnitz so weit von Dortmund entfernt sein, dass man nicht Gefahr läuft, Publikum zu verlieren, da die Produktion schon andernorts gesehen wurde. Edwin (Peter Bording) liebt die Varieté-Sängerin Sylva Varescu (Heike Susanne Daum). Während bei den diversen Inszenierungen der Csárdásfürstin in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren in der Regel gravierende Einschnitte in den Handlungsablauf vorgenommen wurden - so verlegte man im Aalto-Theater die Handlung in die Nazi-Zeit und ließ die Chansonnette Sylva Varescu als Jüdin auftreten, die natürlich für einen arischen von und zu Lippert-Weylersheim keine geeignete Partie ist, oder stellte in der Kölner Inszenierung Sylva gar als Mann dar, um eine homosexuelle Beziehung zu demonstrieren -, bleibt Ricarda Regina Ludigkeit in ihrer Inszenierung nah am Libretto, was sowohl die Handlung als auch die zeitliche Einordnung betrifft. Dennoch scheint Ludigkeit der Geschichte nicht ganz zu trauen und bemüht sich, mit einem Tanzensemble eine psychologisierende Ebene einzubauen, die die musikalischen Höhepunkte bebildern. Während im ersten Akt beim Liebesduett zwischen Sylva und Edwin "Mädchen gibt es wunderfeine" der mit einem roten Herz-Luftballon schwebende Mann noch als kitschiges ironisches Augenzwinkern betrachtet werden kann, nehmen sich die Tanzeinlagen im zweiten Akt dann doch zu ernst. Doch seine Eltern, Fürst Leopold Maria von zu Lippert-Weylersheim (Andreas Ksienzyk) und Fürstin Anhilte (Johanna Schoppa), haben andere Pläne mit ihm. So treten beim Duett "Machen wir's den Schwalben nach" von Edwin und seiner Verlobten Stasi hinter riesigen Glastüren mit kleinen quadratischen Fensterscheiben vier junge Paare auf, die wohl für die gemeinsam verbrachte Jugend Edwins und seiner Cousine stehen. Während diese Paare bei dem Lied jedoch hinter den Glastüren bleiben und den beiden nur durch die Scheiben andeuten, dass sie dem vorgezeichneten Weg folgen sollen, öffnen sich dann beim Liebesduett "Weißt du es noch", in dem Edwin und Sylva erneut zueinander finden, die Türen, und vier Paare, die wie Edwin und Sylva im ersten Akt kostümiert sind, tanzen in den Raum hinein. Aber warum tragen diese Paare schwarze Strumpfmasken? Dass sie für Edwin und Sylva stehen, hätte man auch ohne die albernen Masken verstanden. Im anschließenden Quartett von Edwin, Sylva, Boni und Stasi das Tanzensemble als Clowns auftreten zu lassen, die bei ihrem Abgang den beiden Paaren auch noch die roten Clownsnasen aufsetzen, wirkt dann völlig albern, zumal die vier Sängerdarsteller auch ohne diesen Schnickschnack über genügend Bühnenpräsenz verfügen, die Szene zu gestalten. Edwin (Peter Bording) soll seine Cousine Stasi (Tamara Weimerich) heiraten. Das Bühnenbild von Rainer Sinell gibt sich trotz der aufwändigen Bühnenelemente nicht einer gewissen Operettenseligkeit hin, sondern atmet die Schwermut des aufziehenden Ersten Weltkriegs. So deutet bereits leicht abblätternder Putz an den Wänden auf das Ende der k. u. k. Monarchie hin. Wenn sich die Türen öffnen, blickt man in kaltes Dunkel und sieht permanent Schnee aus dem Schnürboden herabrieseln. Warum im zweiten Akt im Wiener Palais des Fürsten von und zu Lippert-Weylersheim überall Stühle auf der Bühne stehen, wird nicht ganz klar. Wie der Saal allerdings auf offener Bühne in das Wiener Hotel des dritten Aktes verwandelt wird, ist beeindruckend. Am Schluss dürfen beim Happy End die Soldaten nicht fehlen, um zu zeigen, dass es mit dem Krieg nun wirklich gar nichts zu feiern gibt. Dazu passt dann auch das Tanzensemble, das im dritten Akt zu "Jai Mamám, Bruderherz, ich kauf' mir die Welt" in Soldatenjacken mit schwarzen Strapsen darunter mit einem riesigen Globus spielt. Fast wundert es schon, dass man diesen Erdball zur Andeutung des Weltuntergangs nicht platzen lässt. "Jai Mamám, Bruderherz, ich kauf' mir die Welt": Sylva (Heike Susanne Daum) mit Graf Boni (Philippe Clark Hall, rechts) und Feri Bácsi (Hannes Brock, links) Das Ensemble lässt stimmlich und darstellerisch keine Wünsche offen und beschert dem Publikum einen unterhaltsamen Operettenabend mit zahlreichen Ohrwürmern. Allen voran ist Heike Susanne Daum zu nennen, die für die Titelpartie an ihre alte Wirkungsstätte nach Dortmund zurückgekehrt ist. Mit viel Temperament und Spielfreude präsentiert sie die Sylva und weiß stimmlich mit einer kräftigen Mittellage und klaren Höhen, vor allem aber mit großer Textverständlichkeit zu überzeugen. Bereits in ihrer ersten Auftrittsarie "Heia, heia, in den Bergen ist mein Heimatland" stellt sie unter Beweis, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes Feuer im Blut hat. Peter Bording, der die Partie des Edwin bereits am Aalto-Theater interpretiert hat, stellt optisch und stimmlich mit seinem kräftigen Bariton einen hervorragenden Partner dar. Hannes Brock überzeugt als Feri von Kerekes, auch wenn er sein komisches Talent in der Rolle des Leopold Maria noch etwas intensiver hätte ausspielen können. Andreas Ksienzyk gibt einen unnachgiebigen Fürsten, der allerdings von Johanna Schoppa als Anhilte mit ihrer überragenden Bühnenpräsenz ein wenig an die Wand gespielt wird. Als Buffo-Paar begeistern Philippe Clark Hall als Graf Boni und Tamara Weimerich als Komtesse Anastasia, genannt Stasi. Hall präsentiert den jungen Lebemann mit leichtem beweglichem Tenor und stellt in den Tanzeinlagen sein Temperament unter Beweis. Weimerich verfügt über einen weichen Sopran und gestaltet die Stasi mit kokettem Spiel. Auch der von Granville Walker einstudierte Chor präsentiert sich stimmlich homogen und mit großer Spielfreude. Philipp Armbruster lässt mit den Dortmunder Philharmonikern beschwingte Operettenseligkeit aus dem Graben erklingen, die die Sänger an keiner Stelle zudeckt. Kleine Ungenauigkeiten bei der Abstimmung mit den Solisten in den Tempi lassen sich wahrscheinlich auf eine leichte Premierennervosität zurückführen. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten. FAZIT Wer eine relativ nah am Libretto inszenierte Csárdásfürstin sehen und sich nicht über etwaige Regie-Umdeutungen ärgern möchte, ist gut beraten, sich diese Produktion in Dortmund anzusehen. (Weitere Termine: 18. und 27. Januar 2013, 3., 10., 14. und 17. Februar 2013, 1., 8. und 17. März 2013, 13. und 19. April 2013 und 12. Mai 2013)
Ihre Meinung
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Inszenierung und Choreographie
Szenische Einstudierung Bühne Kostüme Choreinstudierung Dramaturgie
Opernchor und Statisterie des Dortmunder Philharmoniker
Solisten *rezensierte Aufführung Leopold
Maria, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim Anhilte, seine Frau Edwin, beider Sohn Komtesse Anastasia, seine Cousine Graf Bonifaz Káncsiánu Sylva Varescu,
Varieté-Sängerin Feri von Kerekes, genannt Feri
Bácsi Eugen von Rohnsdorff Juliska Aranka Cleo Vihar Endrey Kisch, Notar Imre / Leopold Metternich Schwaiger, Nachtportier Miklos, Zigeunerprimas Tanzensemble
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