Veranstaltungen &
Kritiken Musiktheater |
|
|
Back to the roots Auf der anderen Seite der Graf. Er bereut bei Susanna, der Verlobten Figaros und schönen Kammerzofe der Gräfin, auf sein altes, feudales Herrenrecht, das "ius primae noctis", verzichtet zu haben und nutzt jede Gelegenheit, die Hochzeit der beiden hinauszuzögern. Welch ein Pech, dass der gerade von ihm gefeuerte Amor und Page Cherubino Zeuge wird, wie sein Herr erneut "Susannas Liebe zu kaufen versucht". Als der Graf die Peinlichkeit entdeckt, bleibt ihm nur die Wahl, sich seiner auf vornehme Art zu entledigen, also den Pagen zum Offizier zu ernennen und ihn in ein entfernt stationierte Regiment zu schicken. Aber auch dieser Plan wird durchkreuzt. Susanna und Figaro bei den Hochzeitsvorbereitungen im 1. Akt 1786, zwei Jahre nachdem die Beaumarchais-Vorlage in
Paris unter stürmischen Begleitumständen
uraufgeführt wurde, kommt Mozarts neue "Opera
buffa" Le nozze
di Figaro im Wiener Burgtheater zur
Erstaufführung. Neben
sozialrevolutionären Anklängen menschelt
es gewaltig. In schnell aufeinanderfolgenden
Aktionen wechseln Liebe, Eifersucht, Heuchelei,
Spott, Verkleidung, Verwechslung, Intrige,
Täuschung, Angst, Streit, Gewalt, um
schließlich in einem merkwürdig
versöhnlichen, allgemeinen "Perdono" und
schwungvollem Happy-End-Ensemble auszuklingen.
Ist es diese besondere Mischung aus Tragik und
Komik, aus politisch, öffentlich und
privat, die dem Stück seine besondere,
zeitlose Aktualität verleiht? Altmeister Michael Hampe, der für die Neuinszenierung der Deutschen Oper am Rhein verantwortlich zeichnet, verlegt die Satire auf die gesellschaftliche Doppelmoral in eine feudal organisierte Klassengesellschaft. Hampe spricht in seinem, im Programmheft abgedruckten Inszenierungskonzept von einem "Türenstück". Passend - auch zum Libretto - die hellen, geschlossenen, hohen Räume der ersten drei Akte bzw. die barocke, am oberen Bühnenrand witzig mit Tannengrün geschmückte, nächtliche Gartenanlage des letzten Aktes. German Droghettis Raum- und Kostümausstattung mit Zylinder, langschößigem Gehrock und hohem Kragen ist edel und schlicht. Zugleich zeigen Fest-, bzw. Gerichtssaalarchitektur im 3. Akt einen gewissen Hang zu antikisierender Monumentalität. Hampe zeigt schön gestellte, bewegte Bilder. Zusammen mit der Personencharakterisierung wirken Gärtner, Musiklehrer Basilio oder etwa Richter Don Curzio wie schrullige, Carl Spitzweg-Bildern entsprungene Sonderlinge. Wenn allerdings die mit einem Morgenmantel bekleidete Gräfin zu Beginn des 2. Aktes entspannt im Bett liegt, dazu das Leiden einer enttäuschten Liebe besingt und sich anschließend von ihrer Kammerzofe Susanna das Frühstück servieren lässt, will man der in der Kavatine deutlich werdenden Tragik und Todessehnsucht so recht keinen Glauben schenken. Der tanzende Festzug im 3. Akt Auf den ersten Blick mag diese am
Libretto orientierte Inszenierung altbacken
erscheinen, auf den zweiten Blick besticht Hampe mit
einer feinsinnigen, die Handlungslogik detailliert
analysierenden Personenregie. Rezitativ, Arie und
Ensemble fließen ineinander über. Und
obwohl Axel Kober nicht die differenzierte und
sprechende, an historischer Interpretation
orientierte Ausdrucksvielfalt eines Konrad
Junghänel pflegt, überzeugt die
temporeiche, bis in die Ensembles transparente,
musikalisch ausgelotete Darbietung.
Hammerflügel, Pauken, Trompeten, Hörner
und Orchesterbesetzung sorgen für ein
transparentes, nicht zu dickes, historisch
ausgerichtetes Klangbild. Hinzu kommt ein passend
ausgewähltes, spielfreudiges
Sängerensemble, das Mozarts
Charakterisierungskunst vor allem auch in den
Ensembles überzeugend vorführt. Allen voran Adam Polka als Figaro.
Sein hell timbrierter, klangvoller, in Höhe und
Tiefe gleichermaßen voluminöser Bariton
verkörpert glaubwürdig den
aufmüpfigen, eifersüchtigen Liebhaber.
Anett Fritschs flexibler, lyrischer Sopran stellt
eine kesse, Intrigenfäden spinnende Susanna
dar. Eine kleine musikalische Kostbarkeit ist ihr
Duett mit Marta Márquez als Marcellina im 1.
Akt. Sylvia Hamvasi ist eine anrührend
gestaltende, empfindsame Gräfin Almaviva mit
schlanken, wunderbar langen, die Spannung bis zum
Stillstand ausreizenden Melodiebögen. Laimonas
Pautienius zeigt mit dramatisch verhaltenem Brustton
einen eher leisen, die Situation reflektierenden,
eifersüchtigen Grafen. Maria Kataeva sprang in
dieser Vorstellung für die erkrankte Annika
Kaschenz ein und gab erfolgreich ihr
Rollendebüt als ewig dazwischen funkender
Cherubino. Bruce Rankins hoher Tenor gibt Basilio
einen leicht ironischen Touch. Sami Luttinen
bezaubert in seiner Bravourarie mit schnellen
Parlandi. Gastsängerin Anna Lucia Richter als
Barbarina bereichert das Ensemble mit glockenhellem
Sopran. Daniel Djambazian als Antonio und Paul
Stefan Onaga als Don Curzio komplettieren die
stimmige, ausgewogene Ensembleleistung.
Neben
Mozarts Musik besticht diese
Figaro-Inszenierung durch schöne
Bilder und Kostüme und eine
detaillierte, am Original ausgerichtete
Personenregie. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung |
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
- Fine -