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Luisa Miller

Melodramma tragico in drei Akten
Libretto von Salvatore Cammarano
nach dem bürgerlichen Trauerspiel
"Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere am 4. Juli 2013 im Theater Duisburg


Homepage

Rheinoper
(Homepage)
Luisa zwischen Kinderzimmer und Märchenwald

Von Thomas Tillmann / Fotos von Hans Jörg Michel



Szenenfoto

Luisa (Olesya Golovneva) in ihrem Kinderzimmer

Mit einem weiteren Misserfolg beendet die Rheinoper eine weitere belanglose, künstlerisch unbefriedigende Spielzeit: Verdis Luisa Miller gerät in der Inszenierung von Carlos Wagner zu einem derart provinziellen, schwachen Abend, dass in der Pause einmal mehr lautstark unter den Kollegen diskutiert wurde, wie lange Christoph Meyer sich als Intendant des Traditionshauses noch wird halten können, zumal der Spielplan für die nächste Saison auch nicht viel mehr als Gähnen auslöst.

Das häßlichste Bühnenbild, das ich in den letzten zwanzig Jahren gesehen habe und das in seiner Beliebigkeit aber für beinahe jedes Stück wiederverwandt werden könnte, hat Kaspar Zwimpfer beigesteuert: Luisa treffen wir immer wieder in ihrem naiv bemalten oder von ihr selber bekritztelten Kinderzimmer an, das in jedem Bild etwas kleiner wird - wir verstehen: Das Mädchen entwickelt und emanzipiert sich durch ihr herbes Schicksal, lässt sich nicht mehr einfach in dieses Zimmer sperren oder ins Bett legen, am Ende wird sie dieses Gefängnis angesichts des nahen Todes mühelos einreißen. Besonders scheußlich sind die Figuren an der Tapete, die bald und nicht unerwartet ein Eigenleben führen und die Bühne bevölkern, und die Welt draußen: Auf der quietschenden Drehscheibe macht man wuchtige Baumstämme aus Pappmasché aus, die durch menschliches Eingreifen zerstört sind, aber doch Halt bieten für die Sänger, die aus luftiger Höhe Bedeutsames beizutragen haben, am Boden liegt jede Menge Müll, ein Ort des überschaubaren Grauens, eine Art Räuberwald, gnadenlos zugestellt, maßlos hässlich. Ähnlich originell ist die ganze Produktion: Man schüttelt den Kopf über eine Handvoll schwacher Ideen, etwa wenn zunächst Rodolfo, dann Luisa schwarze, Unheil verheißende Federn aus Kopfkissen puhlen oder wenn Walter und Wurm (und später auch andere Mitwirkende) ihre schicksalhafte Verbundenheit durch gemeinsame Tanzschritte illustrieren müssen. Soviel szenische Einfalt, Einfallslosigkeit und an vielen Stellen blanke Hilflosigkeit, so viel ungenutzte Möglichkeiten vor allem in der Figurenzeichnung und Personenführung habe ich lange nicht an einem Haus gesehen, das doch eigentlich zu den ersten im Lande gehören sollte. Dazu passt hervorragend, dass Luisa sich sich in einem weißen Lichtkegel aushaucht, was die denkbar platteste Visualisierung der von Verdi so oft beschworenen Verklärung ist.


Szenenfoto

Luisa (Olesya Golovneva) leidet unter ihrem Vater (Boris Statsenko) und seiner übertriebenen Behütung.

Die überflüssigste, vom Duisburger Premierenpublikum mit viel (und ungewohnter) Großzügigkeit aufgenommene Inszenierung kann nicht verhindern, dass an diesem Abend jeder und jede gemerkt haben muss, was für eine wunderbare Oper Verdi auf der Basis der bekannten Schillervorlage geschrieben hat. Großen Anteil daran hatten die Duisburger Philharmoniker unter Leitung ihres neuen Generalmusikdirektors Giordano Bellincampi, der für viel innere Spannung, Drive und Sorgfalt im Detail sorgte, auch wenn er dabei nicht immer entgegenkommend war, was die Lautstärke angeht, wobei er sich ansonsten sehr um Unterstützung für das singende Personal bemühte.

Olesya Golovneva ist eine charismatische Darstellerin, der man das unschuldige Mädchen sofort abnimmt, aber ihr leichter, beweglicher, luftiger Sopran entwickelt allein in der Höhe und im Forte ein gewisse Durchschlagskraft, verfügt aber in der Mittellage und Tiefe über viel zu wenig Substanz, um dieser häufig zu leicht besetzten Partie gerecht werden zu können, und so kommt die Künstlerin schon lange vor dem "Tu puniscimi, o signore" und vor allem dem "A brani, a brani, o perfido" an hörbare Grenzen, die durch berückende, mädchenhafte Piani an anderen Stellen kaum wettzumachen sind. Dass sie in Köln die Anna Bolena gesungen hat und sich auf Tatjana und Rusalka vorbereitet, zeigt, wohin die Richtung gehen soll, eine Richtung, die der Rezensent als Irrtum empfindet.


Szenenfoto

Conte di Walter (Thorsten Grümbel) hat dunkle Geheimnisse.

Ein Totalausfall war Giancarlo Monsalve als Rodolfo mit seinem kehlig-dunklen, schwerfälligen, unkultivierten, flackernd-vibratösen, nur unter erheblichem Druck ansprechenden und dann natürlich hinsichtlich der Intonation katastrophal unsauberen, technisch völlig unfertigen Tenor (man wüsste doch gern, was Kolleginnen wie Mirella Freni oder Montserrat Caballé, bei denen er angeblich studiert hat, zu dieser Stimme gesagt haben), absoluter Tiefpunkt der Vorstellung war seine Arie, nach der er dann auch - leider völlig zurecht - mit einigen kräftigen Buhs abgestraft wurde. Wie kann die Stimme beim Vorsingen so völlig anders gewesen sein? Wie bei der Regie fragte man sich auch hier, wozu dieses Haus einen Intendanten hat. Boris Statsenko präsentierte sich in einer weiteren Vaterrolle Verdis und hatte seine Bewunderer, sein reifes Timbre passte hier ebenso wie das bevorzugte Forte, das das Aufbrausende der Rolle unterstrich; ich bleibe dabei, dass ich die Stimme im Piano attraktiver finde, im Quartett beispielhaft demonstriert. Sami Luttinen ist ein erfahrener Interpret, als Wurm allerdings gelang es ihm nicht, eine faszinierende Figur zu kreieren (dabei hätte ihm natürlich auch die Regie mehr helfen müssen), auch vokal nicht, als er entweder bedeutungsschwanger flüsterte oder polterte und dabei nicht eben vorteilhaft die in die Jahre gekommene Stimme ausstellte. Thorsten Grümbel, der zuletzt in einigen wichtigen Wagnerbasspartien durchaus reüssieren konnte, war kein schlechter Conte, aber das letzte bisschen Italianità (trotz wohl überlegter Kadenz und beeindruckenden Fermaten) und Durchdringung des gesungenen Wortes fehlten mir, um ihn als guten zu beschreiben.
Szenenfoto

Rodolfo (Giancarlo Monsalve) und Luisa (Olesya Golovneva) entfliehen der Welt mittels Gift.

Die beste Sängerin des Abends war für mich Susan Maclean als Federica und damit in einer Partie, die sie stimmlich nicht an Grenzen führt, sondern die Vorzüge ihres üppigen, expressiven Mezzos bestaunen ließ. Die Figur der Laura ist in dieser Produktion ein vom Himmel schwebender, ebenfalls gezeichneter Engel (Katarzyna Kuncio singt ihn tadellos, aber ohne größeren Eindruck zu hinterlassen), der Chor trägt düstere, nicht besonders attraktive Jagdkostüme, singt aber ausgezeichnet, was die Hauptsache ist.


FAZIT

Wie schön, dass Luisa Miller endlich Einzug ins Verdirepertoire der Rheinoper gefunden hat. Wie schade, dass dem herrlichen Werk keine adäquatere Umsetzung beschieden ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giordano Bellincampi

Inszenierung
Carlos Wagner

Bühne
Kaspar Zwimpfer

Kostüme
Christof Cremer

Licht
Volker Weinhart

Chor
Gerhard Michalski

Dramaturgie
Bernhard F. Loges



Chor der
Deutschen Oper am Rhein

Duisburger
Philharmoniker


Solisten

Der Graf von Walter
Thorsten Grümbel

Rodolfo
Giancarlo Monsalve

Federica
Susan Maclean

Wurm
Sami Luttinen

Miller
Boris Statsenko

Luisa
Olesya Golovneva

Laura
Katarzyna Kuncio

Ein Bauer
Paul Stefan Onaga



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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