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La fanciulla del West
(Das Mädchen aus dem goldenen Westen)

Oper in drei Akten
Text von Guelfo Civinini und Carlo Zangarini nach dem Schauspiel The Girl of the Golden West  von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (zwei Pausen)

Premiere an der Oper Frankfurt am 12. Mai 2013

 

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Oper Frankfurt
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Braves Mädchen

Von Thomas Tillmann / Fotos von Monika Rittershaus

Puccinis La fanciulla del West war in Frankfurt zuletzt 1958 in einer szenischen Realisierung von Hans Hartleb und unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Rennert zu erleben (ein paar Szenen daraus sind als Anhang auf der Gala-Aufnahme des Werkes zu hören, die einen Mitschnitt einer ORF-Produktion aus demselben Jahr festhält; die Minnie war damals übrigens niemand geringerer als Anny Schlemm). Höchste Zeit also, das häufig unterschätzte oder gar belächelte Stück erneut dem Publikum zu präsentieren, zumal es in den letzten Jahren eine Art Fanciulla-Renaissance gegeben hat, die sich in der kommenden Saison mit Premieren in Wien, Paris und Zürich fortsetzt.

Vergrößerung in neuem Fenster Minnie (Eva-Maria Westbroek) träumt von dem Fremden, den sie getroffen hat.

Christof Loy hat gut daran getan, dem Werk "mit entsprechendem Respekt" zu begegnen und die "verborgene Melancholie" in ihm aufzuspüren (es handelt sich um die im Dezember 2011 ursprünglich für Stockholm entstandene Produktion, die man komplett bei YouTube anschauen kann und die wohl auch im Pay TV gelaufen ist - und die Intendant Bernd Loebe zu übernehmen sich entschieden hatte, nachdem der ursprünglich für diese Produktion vorgesehene Richard Jones von seinem Engagement zurückgetreten war). Der deutsche Regisseur findet es falsch, das Stück zu aktualisieren, weil dann "die Naivität, welche die Menschen in dem Stück aufweisen, verloren gehen würde. Das Stück funktioniert aber für uns als heutige Zuschauer, weil wir uns noch mühelos mit der Sehnsucht der Figuren identifizieren können", ihrer "Sehnsucht nach Licht", die Loy im Verbund mit seinem Ausstatter Herbert Murauer und dem exzellenten Light Designer Bernd Purkrabek illustriert, indem er die Handlung in "klaustrophobischen Kästen" spielen lässt, so dass man das Gefühl entwickelt, "dass es doch etwas Sinngebendes außerhalb dieser Mauern geben muss". Und er ergänzt: "Ironisiert oder bricht man das Stück ..., dann wird der ganze Abend sinnlos." Nun hat der Berichterstatter in den vergangenen Jahren manche Inszenierung des Werkes gesehen, die durchaus auch aufging, aber er muss zugeben, dass man dabei stets das eine oder andere Zugeständnis machen musste, während man sich in Frankfurt nun weitgehend ungetrübt auf die Geschichte um die "selbstbewusste, starke" Minnie mit ihrem großen Herz und ihre Jungs konzentrieren kann, die Loy allesamt mit sehr viel Liebe (auch zum Detail) als sehr menschliche Personen, nicht als "monströse Opernfiguren" zeichnet, und das ist keine kleine Leistung, in diesem Bereich sehe ich seit vielen Jahren die eigentliche Stärke der Regiearbeiten Loys. Anders als in manch anderer Produktion schafft man es auch problemlos, die Herren auseinander zu halten, und zwar weil es dem Regisseur gelingt, ihnen allen unaufdringlich, aber mit großem handwerklichen Geschick ein eigenes Profil zu geben. Dem einen oder der anderen wird das vielleicht zu wenig sein, zu konventionell, zu wenig spektakulär, zu wenig modern oder kontrovers, aber diese wenigen meldeten sich beim Schlussvorhang an diesem Abend nicht zu Wort.

Vergrößerung in neuem Fenster

Minnie (Eva-Maria Westbroek) lässt sich von Dick Johnson (Carlo Ventre) den ersten richtigen Kuss ihres Lebens geben.

Sehr nostalgisch geht das Ganze auch los: Zu den Einleitungstakten Puccinis zeigt Loy einen Vorspann wie zu einem klassischen Schwarz-Weiß-Western (Video: Hobi Jarne, Nils Fridén und Emil Gotthard), in dem wir Minnie bei einem Ausritt beobachten, bevor sie auf die Kamera zu rennt und durch eine Papierwand den eisernen Vorhang durchbricht und sich dem Publikum präsentiert, das erwartungsgemäß den Szenenapplaus nicht verweigert. Und auch im Folgenden wird es immer wieder einzelne Szenen geben, die per Schwarz-Weiß-Kamera vergrößert im Bühnenhintergrund gezeigt werden, was nicht weiter stört, aber auch keinen größeren Eindruck hinterlässt.

Vergrößerung in neuem FensterMinnie (Eva-Maria Westbroek) spielt mit Jack Rance (Ashley Holland) um das Leben des schwer verletzten Dick Johnson (Carlo Ventre).

Eine Fanciulla steht und fällt, so trivial es klingt, mit der Fanciulla selber, und da hatte man mit Eva-Maria Westbroek natürlich einen Star zur Verfügung - sie war übrigens die einzige Mitwirkende mit Rollenerfahrung, alle anderen Interpreten debütierten an diesem Abend, auch dies sicher kein Zufall, sondern Programm des hoch gelobten Hauses. Die Sopranistin hat schon in London und Amsterdam die Minnie gegeben - im Dezember 2009 hatte ich festgehalten: "Man bewundert die unangestrengte Mittellage und Tiefe, den schlichten Ton für die Bibelstunde, das selbstverständliche Ansprechen der Stimme, den herrlich 'saftigen', gesunden Klang, das sinnliche Vibrieren, das wunderbare Leuchten der aufregenden Höhe". Ich will ehrlich sein: Ein bisschen besorgt war ich schon, in welcher Verfassung die Niederländerin sich präsentieren würde, die mir im Februar diesen Jahres in Brüssel als Puccinis Manon Lescaut nicht mehr uneingeschränkt gefallen hatte ("In der Höhe indes sollte die Stimme nicht noch flackernder werden, mancher Spitzenton wird auch mit einiger Kraftanstrengung erreicht und weist keine geringe Schärfe auf", lautete damals das Urteil). Mag es die Abendverfassung gewesen sein oder die Partie, in Frankfurt war Frau Westbroek wieder auf der Höhe ihres Könnens, da gab es kein unschönes Flackern mehr, der Ton war konzentrierter, da gab es mehr intensives Piano, da waren auch die meisten Spitzentöne wieder selbstverständlicher da, und nicht zuletzt spielte sie einfach auch entspannter, sie fühlte sich wohl in ihrer Haut (was auch nicht ganz selbstverständlich ist, denn die Produktion war ja schon auf Nina Stemme zugeschnitten), sie war einfach dieses etwas späte, ungeschickte, aber ungeheuer sympathische, zupackende Mädel. Vergrößerung in neuem Fenster

Minnie (Eva-Maria Westbroek) hat gewonnen.

Carlo Ventre war mit seinem tenore robusto eine erste Wahl für den Dick Johnson, er präsentierte kraftvoll-virile, stählerne Töne in der Höhe am laufenden Band, aber auch den einen oder anderen rauhen, belegten in der Mittellage und das eine oder andere Piano, aber leider war der in Montevideo geborene Tenor noch sehr mit der rein musikalischen Bewältigung beschäftigt, denn es verging kaum ein Augenblick, in dem er nicht deutlich sichtbar nach dem Dirigenten oder einem Monitor suchte. Ashley Holland bot als Jack Rance manche Feinheit, die im allgemeinen Gepolter manches Kollegen häufig untergeht, er hatte auch die nötige Kraft für die eine oder andere mächtige Entladung, nicht aber das darstellerische Charisma, um sich gleich in die erste Garde der Rollenvertreter einzuordnen. Peter Marsh war ein vokal wie szenisch sehr präsenter Nick mit bestechender Diktion, Simon Bailey ein attraktiver, spielfreudiger Sonora, und auch bei den anderen Interpreten gab es nicht den geringsten Grund zur Klage, ebenso wie die Herren des Chores einen exzellenten Eindruck hinterließen. Allein Elisabeth Hornung schien sich mit der Wowkle nicht recht wohlzufühlen, nicht nur während der Vorhänge hatte man das Gefühl, dass sie sich für ihre Mitwirkung meinte entschuldigen zu müssen, wofür es außer dem Umstand, dass sie gern ein bisschen zu tief sang, kaum einen Grund gab, hat sie doch genau das in der Stimme, was man Charakter nennt.

Das ganz große Glück stellte sich bei mir nicht ein angesichts der zweifellos kompetenten musikalischen Leitung von Sebastian Weigle, der eher als Spezialist für Wagner und Strauss gehandelt wird und der sich vielleicht von Anton Weberns berühmten Zitat ("Eine Partitur von durchaus ganz originellem Klang. Prachtvoll. Jeder Takt überraschend. Ganz besondere Klänge. Keine Spur von Kitsch") hat inspirieren lassen, sein Repertoire zu erweitern. Dass das Frankfurter Opern- und Museumsorchester ein erster Klangkörper ist, ist unbestritten, aber seinem Spiel fehlte mir an diesem Abend an der einen oder anderen Stelle ein bisschen Italianità, ein bisschen Sentimentalität, vielleicht auch Herz, das Gehörte war mir angesichts der nostalgisch-naiven Bilder auf der Bühne einfach ein wenig zu akademisch und nüchtern.


FAZIT

Ein sehr traditioneller, aber weitgehend überzeugender Puccini-Abend (nachzuhören ist das Ganze übrigens am 1. Juni 2013 ab 19.05 Uhr im Deutschlandradio Kultur - die Premiere wurde bereits live auf hr2-kultur ausgestrahlt), dem man viele Zuschauer auch in den nächsten Spielzeiten wünscht, eine Wiederaufnahme für die kommende Saison ist bereits angekündigt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sebastian Weigle

Regie
Christof Loy

Szenische Leitung
Anna Tomson

Bühnenbild und Kostüme
Herbert Murauer

Licht
Bernd Purkrabek

Video
Hobi Jarne
Nils Fridén
Emil Gotthard

Choreografie
Thomas Wilhelm

Dramaturgie
Yvonne Gebauer

Dramaturgische Betreuung
Norbert Abels

Chor
Matthias Köhler



Herrenchor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Statisterie der Oper Frankfurt



Solisten

Minnie
Eva-Maria Westbroek

Jack Rance
Ashley Holland

Dick Johnson
Carlo Ventre

Nick
Peter Marsh

Ashby
Alfred Reiter

Sonora
Simon Bailey

Trin 
Michael McCown

Sid
Bálint Szabó

Bello
Sungkon Kim

Harry
Hans-Jürgen Lazar

Joe 
Beau Gibson

Happy 
Nathaniel Webster

Larkens
Björn Bürger

Billy Jackrabbit 
Carlos Krause

Wowkle 
Elisabeth Hornung

Jake Wallace 
Franz Mayer

José Castro 
Cheol Kang

Postillion
Francisco Brito



Weitere Informationen


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