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Der Zigeunerbaron

Operette in drei Akten
Libretto von Ignaz Schnitzer nach der Novelle Saffi von Mór Jókai
Musik von Johann Strauß (Sohn)

Konzertante Aufführung im Rahmen MiR Goes Operette in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 20. April 2013

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Musiktheater im Revier
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Aber die Musik ist so schön

Von Thomas Molke


Seit einigen Spielzeiten präsentiert das Musiktheater im Revier im Frühjahr immer eine konzertante Produktion. Während man sich in den letzten beiden Jahren mit Richard Wagners Rheingold und Richard Strauss' Salome eher ernsten Opernwerken gewidmet hat, ist der Zuschauer vielleicht in diesem Jahr zunächst verwundert, womöglich auch enttäuscht, dass in dieser Spielzeit eine Operette ausgewählt worden ist, bei der auf eine szenische Umsetzung verzichtet wird. Doch Intendant Michael Schulz, der auch als Moderator durch den Abend führt, hat direkt zu Beginn eine Erläuterung parat: Einen Großteil der beim Publikum sehr beliebten Gattung könne man, wenn man den Text und die Handlung ernst nehme, heute nicht mehr in Szene setzen. Weil die Musik aber doch so schön sei, dass man darauf nicht verzichten wolle, starte das Musiktheater im Revier nun eine neue Reihe unter dem Titel MiR Goes Operette, in der man in den folgenden Jahren musikalische Perlen der Operettenliteratur konzertant zum Besten geben werde. Den Anfang macht dabei Johann Strauß' Zigeunerbaron.

Mit diesem Werk hatte Strauß zehn Jahre nach seinem triumphalen Erfolg mit der Fledermaus erneut einen Versuch unternommen, vom "Walzerkönig" und "Operettenfürsten" endlich den Sprung zum Opernkomponisten zu machen. Die Pläne, das Stück an der Wiener Hofoper zur Uraufführung zu bringen, waren auch schon sehr weit gediehen, als das altehrwürdige Theater an der Wien sein Veto einlegte und auf die Einhaltung bestehender Verträge pochte, wonach der Zigeunerbaron dort zur Uraufführung gelangen müsse. Auch an der künstlerischen Ausgestaltung wurden Änderungen verlangt. So kommt es, dass neben den typischen Operetten-Protagonisten wie dem reichen Schweinezüchter Zsupán und dem Buffo-Paar Arsena und Ottokar das Zigeunermädchen Saffi musikalisch eine gewisse "Opernschwere" aufweist, die von Strauß' ursprünglichen Plänen übrig geblieben ist.

Die Handlung spielt zunächst in Temesvár, was damals noch zu Ungarn gehörte. Sándor Barinkay kehrt nach vielen Jahren aus dem Exil in seine Heimatstadt zurück, um sich mit Hilfe des königlichen Kommissärs Conte Carnero die elterlichen Besitztümer wieder anzueignen, die mittlerweile der Schweinezüchter Zsupán besetzt hat, weil er dort nach einem Schatz sucht, den der türkische Statthalter, der Pascha von Temesvár, vor seiner Flucht dort zurückgelassen haben soll. In dem verfallenen Schloss der Barinkays leben mittlerweile Zigeuner, unter anderem auch Saffi, in die sich Sándor sofort verliebt, und da Arsena, Zsupáns Tochter, eine Eheschließung mit Sándor brüsk ablehnt, da sie heimlich in Ottokar, den Sohn ihrer Erzieherin Mirabella und, wie sich später herausstellt, des königlichen Kommissärs, verliebt ist, beschließt Sándor kurzerhand, Saffi zu heiraten. Anschließend wird er von den Zigeunern zum Zigeunerbaron ernannt. Als sich Saffi jedoch als Tochter des Paschas entpuppt, die Sándor auch noch den Weg zum vergrabenen Schatz weist, glaubt Sándor, seiner Braut nicht mehr würdig zu sein, und lässt sich vom Grafen Homonay für das Militär anwerben. In Wien treffen dann nach dem glücklichen Ausgang des Krieges alle Figuren wieder aufeinander und es gibt ein Happy End für Sándor und Saffi und natürlich auch Arsena und Ottokar.

Mit scharfzüngigen und pointierten Bemerkungen führt Michael Schulz durch die Handlung und lässt weder inhaltlich noch textlich irgendeine Passage aus, um seine These zu belegen, dass man dieses Stück in der heutigen Zeit nicht mehr inszenieren könne. Sei es nun der Begriff "Zigeunerbaron", den man wohl kaum, um sprachlich korrekt zu sein, in "Sinti und Roma" - Baron umwandeln könne, seien es die Beschreibungen der "Zigeuner", die als zufriedene und glückliche unterdrückte Masse wahrscheinlich die besseren Bürger der k. u. k. Monarchie gewesen seien und die Bestrebungen eines Karl Marx als völlig unnötig betrachten würden, oder seien es die teilweise den Krieg verherrlichenden und verharmlosenden Texte, die der Chor in aller Operettenseligkeit schmettert und die Schulz extra vor der Präsentation zitiert, damit sich das Publikum von den wunderbaren Melodien nicht einlullen lässt sondern sich bewusst macht, was dort eigentlich gesungen wird. Aber auch wenn Schulz auf diese ganzen Unmöglichkeiten hinweist, zeigt er sich am Ende versöhnlich, in dem er die Zeit respektiert, in der das Werk komponiert worden ist, und gibt sich schlussendlich auch der Schönheit der Musik hin.

Die Neue Philharmonie Westfalen setzt unter der Leitung von Rasmus Baumann aber auch alles daran, den Abend zu einem musikalischen Erlebnis zu machen. Baumann lotet die Vielschichtigkeit zwischen schmissiger Polka, Walzerseligkeit und lyrischen Bögen differenziert aus und beweist bereits bei der Ouvertüre, welch überbordende Freude in der Musik steckt. Der Chor und Extrachor unter der Leitung von Christian Jeub präsentieren einen homogenen und stimmgewaltigen Zigeunerchor, bei dem in den schmissigen Melodien die Textverständlichkeit allerdings bisweilen auf der Strecke bleibt. Das ist aber nicht weiter schlimm, weil ja Schulz dem Publikum mit der Unmöglichkeit des gesungenen Textes sowieso vor Augen geführt hat, dass man die Musik besser genießen könne, wenn man den Text nicht verstehe. Von den Solisten begeistern vor allem Almuth Herbst, Michael Dahmen und Joachim-Gabriel Maaß. Herbst stattet die alte Zigeunerin Czipra mit einem satten Mezzo aus und besticht durch eine hervorragende Diktion. Dahmen klingt als Graf Homonay mit dem Werberlied so überzeugend, dass man beinahe nachvollziehen kann, wieso das Militär auf viele eine solche Faszination ausgeübt hat. Maaß ist mit seinem komödiantischen Talent für den Schweinezüchter Zsupán natürlich eine Idealbesetzung und macht das berühmte Couplet "Ja, das Schreiben und das Lesen" zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends.

Petra Schmidt gefällt als Saffi mit lyrischem Sopran und macht in ihrem Zigeunerlied "O habet Acht" deutlich, dass Strauß mit diesem Werk ursprünglich eine andere Gattung bedienen wollte. Schmidt überzeugt durch saubere Spitzentöne und eine kräftige Mittellage. Über tenoralen Glanz in der Mittellage verfügt auch Lars-Oliver Rühl in der Titelpartie. Allerdings kann er die Strahlkraft seiner Stimme in den Höhen nicht in allen Momenten durchhalten. An einigen Stellen stößt er dort leicht an seine Grenzen. Insgesamt überzeugt aber auch er als leicht eitler und selbstgefälliger Kriegsheld. Dorin Rahardja stattet Arsena mit einem leichten Sopran aus und setzt auch die zickigen Allüren der Tochter des Schweinezüchters gekonnt um. E. Mark Murphy, Anke Sieloff und William Saetre runden mit stimmigen Rollen-Portraits als Ottokar, Mirabella und Carnero den Abend ab, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Musik rechtfertigt die Aufführung dieser Operette allemal, auch wenn man Michael Schulz bei seiner Einstellung zu diesem Werk vielleicht dankbar sein muss, dass er es bei einer konzertanten Produktion belässt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Moderation
Michael Schulz

Kostüme
Andreas Meier

Chor
Christian Jeub

Licht
Helmut Justus

Dramaturgie
Anna Grundmeier
 

Chor und Extrachor
des Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

Graf Homonay
Michael Dahmen

Conte Carnero, königlicher Kommissär
William Saetre

Sándor Barinkay, ein junger Emigrant
Lars-Oliver Rühl

Kálman, Zsupán, ein reicher Schweinezüchter
Joachim-Gabriel Maaß

Arsena, seine Tochter
Dorin Rahardja

Mirabella, deren Erzieherin
Anke Sieloff

Ottokar, ihr Sohn
E. Mark Murphy

Saffi, ein Zigeunermädchen
Petra Schmidt

Czipra, Zigeunerin
Almuth Herbst


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