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Musiktheater
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Lady Macbeth von Mzensk

Oper in vier Akten
Text von Alexandr Preis und Dimitri Schostakowitsch nach der gleichnamigen Novelle von Nikolai Leskow
Musik von Dimitri Schostakowitsch, Urfassung von 1932

In russischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Hannover am 21. Oktober 2012
(rezensierte Aufführung: 26.10.2012)



Staatsoper Hannover
(Homepage)

Faszinierend - wenn nur der Müll nicht wäre...

Von Bernd Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk

Dimitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk gehört nicht zum selbstverständlichen Repertoire deutscher Opernhäuser, erfährt aber in den letzten Jahren immer mehr Beachtung und so bieten sich dem Operninteressierten reizvolle Möglichkeiten, dieses außergewöhnliche Werk in verschiedenen Produktionen zu erleben. Außergewöhnlich erscheint diese Oper heutzutage vor allem, weil Sex, Gewalt und Brutalität auf den Bühnen zwar allgegenwärtig sind, hier jedoch tatsächlich einmal in aller drastischen Darstellung auch hingehören, denn sie stehen geradezu plastisch realistisch im Libretto und noch viel intensiver in der Partitur.

Vergrößerung in neuem Fenster Kelly God (Katerina), Per Bach Nissen (Boris)

Für die Staatsoper Hannover hat Frank Hilbrich diese Oper inszeniert und die Handlung in das Gebäude eines modernen Unternehmers verlegt. Volker Thiele hat höchst ansprechende Bühnenbilder geschaffen. Er hat das Haus der Ismailows ein Stück erhöht auf die Drehbühne gestellt, so, dass die beengte bürgerliche Welt auch optisch sichtbar wird. Wohn- und Schlafzimmer, sowie die Diele mit Treppe bilden die Räume auf dieser Ebene. Darunter, quasi im Keller, liegt Müll, der durch das Gebälk hindurch sichtbar ist. Der Bühnenboden und das Proszenium werden symbolhaft als zweite Spielebene genutzt. Wenn Katerina und Sergej aus der geordneten Bürgerlichkeit ausbrechen, umwabern Nebel die Bühne auf der Bühne, das Haus wird auf die Hinterbühne geschoben und die beiden legen sich zum Beischlafen ins Freie. Ihr Scheitern zeigt der Regisseur nicht als Verurteilung und Marsch in die Gefangenschaft und Zwangsarbeit, sondern als Abstieg in den untersten Teil der Gesellschaft, dorthin, wo Menschen und Ratten im Müll nach Brauchbarem suchen. Dementsprechend zeigt das letzte Bild eine Müllhalde. Schon zuvor, nach dem Mord an Sinowi weht immer wieder Müll auf die Bühne, sammelt sich dort und verdeutlicht so, dass es sich um einen schleichenden oder gärenden Prozess handelt. Die Ratten sind hier genauso zu finden wie im sonst so edlen Haus. Sowohl Ratten als auch Müll sprechen eine symbolische Sprache. Die Ratten, die im Haus die Lebensmittel wegfressen, werden auch im Text erwähnt. Soweit ist das Ganze nachvollziehbar – andererseits aber eben auch die Crux dieser Inszenierung. Müll als Symbol ist so plump und platt und so überstrapaziert – zum Stöhnen lästig. Da könnte einem Regisseur doch auch einmal etwas anderes einfallen.

Vergrößerung in neuem Fenster

Ivan Turšić (Sinowi), Kelly God (Katerina)

Das ist ganz besonders bedauerlich, weil Frank Hilbrich eine richtig gute Personenregie erarbeitet hat, die hochmusikalisch auch die Brüche und Vielfältigkeiten der Partitur aufnimmt. Absolut glaubhaft erscheint die gepflegte Langeweile, die Katerina im edlen Ambiente des Hauses ertragen muss. Bedrohlich langsam füllt sich die Diele mit Männern, bevor es zur Vergewaltigung der Putzfrau kommt, die, sich bückend die Treppe schruppt und mit ihrer Rückansicht die Männer erregt. Die Umdeutung von Köchin (Partitur) zu Putzfrau kann in diesem Zusammenhang wirklich überzeugen. Blutig brutal wird Sergej von Boris ausgepeitscht. Mit dessen Blut besudelt krepiert der Alte danach selbst durch Rattengift. Ganz köstlich sind beispielsweise die Auftritte des Popen und der Polizei überzeichnet – karikaturenhaft,  ohne dabei ins peinlich Alberne abzurutschen und passend zum ironischen Ton der Musik. Quasi allgegenwärtig in der Unternehmerwelt ist der so genannte Schäbige, der eigentlich zur Ratten/Müll-Gesellschaft gehört. Auch die Verlagerung der Handlung in ein modernes Unternehmen ist trotz einiger unlogischer Reibungen ein interessanter Einfall.


Vergrößerung in neuem Fenster Edward Mout (der Schäbige), Herrenchor

Bei einer nicht gerade häufig gespielten Oper ist es eine echte Herausforderung, einen Ersatz zu finden, wenn die Sängerin der Titelpartie wegen Krankheit ausfällt. Als Katerina Lwowna Ismailowa konnte für die hier besprochene Aufführung Gitta-Maria Sjöberg von der Königlichen Oper in Kopenhagen gewonnen werden. Nach nur einem Tag proben gelang es ihr, sich wie selbstverständlich in dieser Produktion zu bewegen und sie erhielt zu Recht am Ende des Abends besonders herzlichen Dank von Mitwirkenden und Publikum. Per Bach Nissen singt ganz großartig mit gewaltigen Tönen und großem Stimmvolumen einen angemessen brutalen Seniorchef Boris. Ivan Turšić gibt dem impotenten Sinowi auch stimmlich den Charakter, der seine Frau in fremde Arme treibt. Mit schönen, aber eben nicht kernigen Klängen gestaltet er damit ganz und gar überzeugend diese Figur. Da ist es kein Wunder, dass sich die untreue Gattin von Sergej verführen lässt, zumal Alexey Kosarev alles hat, was ein Liebhaber braucht. Eine attraktive männliche Erscheinung und einen kraftvollen, wohltimbrierten, höchst ansprechenden und nicht zu hell klingenden Tenor. Michael Dries ist ein köstlich spielender und singender Pope, Julie-Marie Sundal eine verführerische Sonjetka und Edward Mout ersingt sich als Schäbiger mit herzzerreißend innigen, wunderschön klingenden Passagen besondere Aufmerksamkeit. Auch das weitere Ensemble zeigt, dass in dieser Produktion insgesamt ein hohes Niveau erreicht wird.

Vergrößerung in neuem FensterAlexey Kosarev (Sergej), Kelly God (Katerina)


Das gilt auch für Chor, Orchester und Dirigentin. Hannovers Generalmusikdirektorin Karen Kamensek bewirkt mit knappen, exakten, dabei aber sehr dynamischen Gesten genau die richtige Kombination von Präzision und Emotionalität. Ein durch und durch packendes Dirigat. Das Staatsorchester folgt ihr in Höchstform. Ein besonderes Lob geht an das die Leidenschaften darstellende Blechbläserensemble auf der Bühne. Angemessen prachtvoll-gewaltig klingt der Chor, den Dan Ratiu bestens einstudiert hat.



FAZIT

Musiktheater auf musikalisch sehr hohem Niveau und auch szenisch erlebt man in Hannover eine spannende Inszenierung in eindrucksvollen, aufwändigen Bühnenbildern - wenn nur der Müll nicht wäre…



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Karen Kamensek

Inszenierung
Frank Hilbrich

Bühnenbild
Volker Thiele

Kostüme
Gabriele Rupprecht

Chor
Dan Ratiu

Licht
Susanne Reinhardt

Dramaturgie
Klaus Angermann


Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover

Chor und Extrachor
der Staatsoper Hannover


Solisten

Boris Ismailow
Per Bach Nissen

Sinowi Ismailow
Ivan Turšić

Katerina Lwowna Ismailowa
Gitta-Maria Sjöberg
für die erkrankte Kelly God

Sergej
Alexey Kosarev

Axinja
Christine Graham

Der Schäbige
Edward Mout

Verwalter
Marek Durka

Pope
Michael Dries

Polizeichef/Stepanitsch
Brian Davis

Lehrer
Tivadar Kiss

Sonjetka
Julie-Marie Sundal

Ein Ausgestoßener
Daniel Eggert

Hausknecht
Peter Michailov

Erster Vorarbeiter/
betrunkener Gast

Marek Popinski


Zweiter Vorarbeiter/
Kutscher
Vladi Slobinov

Dritter Vorarbeiter
Seok-Ho Park

Mühlenarbeiter
Sang-Ho Lee

Polizist
Valentin Kostov

Eine Ausgestossene
Corinna Jeske



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)




Da capo al Fine

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