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Die Großherzogin von Gerolstein

Operette in drei Akten
Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Deutsche Fassung des Theater Hagen unter Verwendung der Übersetzungen von Michael Quast, Rainer Dachselt und Bettina Bartz
Musik von Jacques Offenbach

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)


Premiere im Theater Hagen am 13. Januar 2013

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Wann ist ein Mann ein Mann? Na klar: Wenn er Uniform trägt!

Von Stefan Schmöe / Fotos von Stefan Kühle (© Theater Hagen)

Es ist eine hübsche Idee des Theater Hagen, zwei sehr unterschiedliche Werke nebeneinander auf den Spielplan zu setzen, die im Frühjahr 1867 fast zeitgleich in Paris zur Uraufführung kamen: Giuseppe Verdis großes Freiheitsdrama Don Carlo (in Philipp Kochheims Hagener Inszenierung leider oft allzu kleinmütig abgehandelt - unsere Rezension) und Jacques Offenbachs Großherzogin von Gerolstein als spöttisch-parodistische Antwort auf das Pathos der Grand opéra. Die großen Ideale zwischen Liebe und Treue, Staatsraison und Freiheitskampf, die bei Verdi beschworen werden – werden, wenn auch in anderem Kontext, von Offenbach als hohle Phrasen der Lächerlichkeit preisgegeben. „So ist es“, soll Bismarck angesichts der säbelrasselnden Gerolsteiner gemurmelt haben – der Wahrheitsgehalt dieser Anekdote darf bezweifelt werden; im Vorfeld des deutsch-französischen Krieges und der anschließenden Reichsgründung jedenfalls war diese Operette eine durchaus politische Angelegenheit.

Vergrößerung in neuem Fenster Kräftig gebaute Männer in Uniform findet die Großherzogin ungeheuer erotisch, und deshalb staffiert sie den muskulösen Soldaten Fritz gleich mit diversen Abzeichen aus und befördert ihn zum Oberbefehlshaber der Gerolsteiner Truppe.

Ein Kleinstaat zieht in den Krieg, um die Regentin zu amüsieren – aus Sorge von Adel und Generalität, sie könne sich ansonsten aus purer Langeweile in die Politik einmischen. Doch die Großherzogin, anstatt den infantilen Prinz Paul zu ehelichen, verguckt sich in den einfachen Soldaten Fritz und befördert diesen flugs zum Oberbefehlshaber - und degradiert ihn ebenso schnell, als er ihr Werben nicht erhört. Ach ja, der Krieg wird zwischendurch unblutig gewonnen, weil Fritz den gegnerischen Truppen etwas mehr Alkohol zukommen lässt als den eigenen, und dieser Fritz übersteht auch noch knapp ein opernmordsmäßiges Komplott der düpierten Herren des Establishments. Daneben räumen Offenbach und seine Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy dem Repräsentationsbedürfnis der Epoche viel Platz ein: Der Degen, ein Erbstück aus großer Geschichte, ist ein zentrales Element (und übersteht diese Offenbachiade natürlich nicht unbeschadet), wie auch das Morden und Meucheln zur guten Tradition dieses deutschen Kleinstaates gehört und allein aufgrund eben dieser Tradition die moralische Rechtfertigung erfährt.

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Graf Pück (links) und General Bumm fürchten um ihren Einfluss, wenn die Regentin eine ernst zu nehmende Affäre begänne, und sinnen daher auf eine Intrige nach traditioneller Gerolsteiner Art.

In Roman Hovenbitzers pointierter und scharfzüngiger Inszenierung sieht die Gerolsteiner Armee in ihrer Kaserne doch sehr nach einem Schützenverein in heimischer Übungshalle aus, und eine kleine Militärkapelle, die täglich in einer strengen Zeremonie dem Bild der Landesmutter huldigt, könnte gebenso auf irgendeinem Schützenfest (oder Rosenmontagszug) aufmarschieren. Die Regie nimmt die bis heute ungebrochene Liebe zur Uniform und zu militärischen oder zumindest militärähnlichen Formen aufs Korn. Von da aus scheint der weg in den echten Krieg nicht allzu weit, jedenfalls wandelt sich die Bühne schnell von der Turnhalle zum Bunker. Die Haubitze, mit der sich General Bumm einfahren lässt, ist unschwer als Phallus-Symbol zu erkennen, wie überhaupt alles Soldatische Ausdruck eines stark sexuell geprägten Männlichkeitswahns ist. So ganz viel hat sich da seit der Uraufführung gar nicht geändert, will die Inszenierung sagen und zeigt damit viel Offenbach'schen Biss.

Vergrößerung in neuem Fenster Dieser Herr würde selbst als Gatte der Großherzogin das diffizile Gerolsteiner Machtgefüge nicht stören: Prinz Paul besticht weder durch besondere Intelligenz noch durch Machtwillen.

Hier und da schießt das Regieteam über das Ziel hinaus, verliert sich in allzu vielfältigen Anspielungen und Assoziationen. Der Löwe, der wie das Maskottchen „Goleo“ zur Fußball-WM 2006 aussieht, wäre ebenso entbehrlich wie die (von Ricardo Fernando viel zu gefällig und harmlos choreographierte) Balletteinlage einer Kampftruppe im Stil der legendären GSG9. Vor allem im allzu zerfahren und zu sehr auf Effekte hin inszenierten dritten Akt wäre etwas mehr Selbstbeschränkung durchaus sinnvoll gewesen. Auch ist die Aufführung mit drei Stunden insgesamt zu lang. Aber davon abgesehen ist die Mischung aus amüsantem Unterhaltungstheater und böser Satire sehr gut gelungen, zumal ein ausgesprochen spielfreudiges Ensemble die sehr genaue Personenregie lustvoll umsetzt.

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Hier sehen wir die Großherzogin nebst Kammerdiener, letzterer gespielt von Horst Fiehl - der wurde im Anschluss an die Premiere für sein 50-jähriges Bühnenjubiläum geehrt und gefeiert. Das OMM schließt sich den Gratulationen gerne an.

Musikalisch litt die Premiere darunter, dass Jefferey Krueger, optisch eine Idealbesetzung, in der Partie des Fritz sich zunächst als indisponiert ansagen ließ, vom zweiten Akt dann nur noch spielen konnte (während William Saetre vom Gelsenkirchener Musiktheater im Revier ziemlich angestrengt aus dem Graben sang). Beiden mangelt es an Textverständlichkeit beim Singen, gerade in der Operette ein Unding. In der Titelpartie glänzt Dagmar Hesse mit warmem, in den schnellen Abschnitten nicht immer durchsetzungsfähigem Sopran. Sie spielt mit großem Einsatz eine attraktive, vor allem aber liebestolle und darin rücksichtslos naive Frau. Wanda, Fritz' Verlobte, wird von Tanja Schun mit hübscher, sehr leichter Soubrettenstimme gesungen. Brillant spielt das Verschwörer-Terzett: Richard van Gemert mit beweglichem Spieltenor als komisch-verzagter Prinz Paul, Andreas Lettowsky als schmieriger Graf Pück, vor allem aber Rainer Zaun als stimmgewaltiger und auch spielerisch auftrumpfender General Bumm (da sitzt jede Geste) – eine Paradepartie für den Bassbariton.

Unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel gab es dieser Premiere noch den einen oder anderen Wackler und Abstimmungsprobleme mit der Bühne, im Zusammenspiel mit dem klangvollen, rhythmisch nicht immer präzisen Chor auch größeren Umfangs. Insgesamt aber spielt das Philharmonische Orchester Hagen sehr zuverlässig und steuert den nötigen Esprit bei.


FAZIT

Gerolstein lauert überall: Trotz kleiner Abstriche gelingt dem Theater Hagen eine der besten Operettenproduktionen der letzten Zeit, weil Offenbachs satirischer Geist ziemlich gut in die heutige Zeit übertragen wird.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Roman Hovenbitzer

Bühne
Hermann Feuchter

Kostüme
Anna Siegrot

Choreographie
Ricardo Fernando

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dorothee Hannappel


Chor des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

Großherzogin von Gerolstein
Dagmar Hesse

Rrinz Paul
Richard van Gemert

General Bumm
Rainer Zaun

Graf Puck
Andreas Lettowsky

Baron Grog
Tillmann Schnieders

Fritz
Jeffery Krueger Spielt
William Saetre a.G. singt

Wanda
Tanja Schun

Nepomuk
Horst Fiehl


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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