Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Ich will, was der andere hatVon Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg LandsbergCosi fan tutte ist Mozarts letzte Koproduktion mit dem genialen, die Geisteshaltung der Zeit karikierenden Librettisten Da Ponte. Thema dieses im Wiener Burgtheater im Januar 1790 uraufgeführten, skurrilen Dramma giocoso ist die Treue. Der aufgeklärte Don Alfonso will mit tatkräftiger Unterstützung der Kammerzofe Despina den Verlobten Ferrando und Dorabella bzw. Guglielmo und Fiordiligi beweisen, wie schwankend und wechselhaft menschliche Empfindungen sind. Aber anders als in den Da Ponte-Opern zuvor mangelt es den Protagonisten an dramatischer Entwicklung. Ihr leichtfertiges Handeln wirkt unglaubwürdig, lässt sie je nach Regie zu Marionetten, Karikaturen bzw. mythischen Gestalten erstarren. Und erst im Rahmen der aufgeklärten Mozartrezeption des 20. Jahrhunderts werden die immer wieder durchscheinenden, zweideutigen, erotischen Anspielungen thematisiert. Cosi fan tutte hat keine spezielle Libretto-Vorlage. Das Thema Treueprobe taucht in vielen Werken der damaligen Zeit auf und wird von Da Ponte bühnenwirksam zusammengestellt zu einer „unbeschwerten Farce des galanten Zeitalters“. Mozarts Musik ist ebenso rätselhaft. „Parodistische Regression“ nennt Ulrich Schreiber das überwiegende Fehlen psychologisierender Personenzeichnung in der Musik, die Rückkehr zu Nummern, Ensembles und Arien, zu barocken, rethorisch geprägten Affekten und unmittelbar aufeinanderfolgenden Wechseln von Ernst und Komik. Eine für die Bremer Rezeptionsgeschichte der Oper wichtige Besonderheit soll nicht verschwiegen werden: Mozarts Cosi fan tutte ist die erste, nach dem zweiten Weltkrieg, 1947 in der Bremer Neustadt, wieder aufgeführte Oper. Don Alfonso als Philosoph Regisseur Laurent Chétouane, der sich für seine erste Auseinandersetzung mit dem Thema Oper dieses komplizierte Werk vorgenommen hat, konzentriert die Bremer Inszenierung auf ein Zusammenspiel von Wirklichkeit und Theater. Ob SängerInnen, Bühnentechnik und -bild, Kostüme, Chor oder Orchestermitglieder - alle Elemente sind schablonenhaft aus- bzw. nebeneinander gestellt. Der „alte“ Bühnenraum bleibt mehr oder weniger unbespielt. Stattdessen blickt man auf leise vor sich hin arbeitende, überdimensionale Ventilatoren bzw. Windmaschinen, die wenig in das Spiel einbezogen sind und eine mittig aufgestellte, gegen Ende des zweiten Aktes symbolträchtig gefällte Säule der Treue mit gekreuzten Golfschlägern und dem wachenden Freimaurer-Auge der Vorsehung. Seitliche Podeste rücken das Geschehen näher an den Zuschauerraum heran, sodass das szenische Spiel überwiegend vor, unmittelbar hinter und seitlich des angehobenen Orchestergrabens stattfindet. Vor Beginn der Ouvertüre betreten einzelne Musiker langsam, über die Seitenpodeste schreitend und für alle sichtbar, den Orchestergraben, während die übrigen sich wie gewohnt coram publico, aber hinter den Resten einer gewaltsam aufgebrochenen barocken Trennmauer einspielen. Die Kostüme – z.B. beige Anzüge für die Herren, langes, altrosafarbene Kleider für die Schwestern, die langen Haare und der schwarze Rollkragenpullover Don Alfonsos sowie der Theatervorhang - tragen den Charme des leicht angestaubten Historischen. Aufgepeppt werden sie mit skurrilen, dem Stegreifspiel entnommenen Elementen. Die neuen Liebhaber erscheinen in Betttücher gewandet, mit Sommerhut, gemalter Augenmaske und schief sitzender Perücke. Hier und da kommt ein barocker Stuhl hinzu, verteilt Despina aus der Requisitenkiste. Sie ist nicht nur als falscher Doktor mit dem „Mesmerschen Stein aus Frankreich“ ausgerüstet, tänzelt zu Beginn kreisend mit ihm herum oder richtet ihn später wütend gegen das Publikum. Außerdem spielen Fähnchen oder Kokarden in den Farben der französischen Republik auf die Ideen der Aufklärung an. Despina Ob Buffa-Hokuspokus oder nicht – Chétouane deutet an, wirft Schlaglichter, die unverbunden nebeneinander stehen. Die Personenregie ist klischeehaft, vor allem in den nicht buffonesken Szenen wenig differenziert. Man vermisst die interpretierende Deutung der Musik. Wo unterstützt Mozart das Klischee, wo weicht er ab. Don Alfonso, der Regisseur des Experiments wirkt steif und kühl, die ihre Partner tauschenden Verlobten stehen marionettenhaft ausgestellt. Hier passt der Kunze-Begriff des „organisierten Leerlaufs“. Am Ende kehren die Protagonisten schließlich - wie bei Mozart vorgesehen – formal und freudlos zu ihren alten Partnern zurück, aber die Leidenschaft für den Anderen bleibt. Die Bremer Philharmoniker spielen in reduzierter Orchesterbesetzung. Unter der Leitung Clemens Heils erklingt Mozarts Musik anmutig und homogen, dynamisch und rhythmisch, artikulatorisch geschärft. Heils sensible Interpretationskunst zeigt sich vor allem auch in der hervorragenden, sprechend die verschiedenen musikalischen Floskeln einsetzenden Hammerflügelbegleitung in den Secco-Rezitativen. Als Primadonnen distanziert komisch, als Liebende zerrissen glänzen Nadine Lehner und Ulrike Mayer mit klangvoll vibrierendem Sopran, wohlklingender Tiefe, bruchlosen Sprüngen, lupenreinen Verzierungen, Koloraturen und Höhen. Martin Kronthaler ist ein solider Guglielmo, Christoph Heinrich ein distanzierter Don Alfonso. Mit wohlklingender Stimme und differenziert im Ausdruck gestaltet Marysol Schalit die Rolle der Despina. An einigen Stellen nicht ganz höhensicher, aber ausdrucksstark und dynamisch differenziert zeichnet Luis Olivares Sandoval das Bild eines empfindsamen Ferrando. FAZIT Laurent Chétouanes Neuinszenierung kann nicht überzeugen. Sie wirkt starr, unbewegt und ist weit entfernt von der Sensibilität der musikalischen Darbietung. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Solisten
Fiordiligi
Dorabella
Guglielmo
Ferrando
Despina
Don Alfonso
|
- Fine -