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Musiktheater
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Dionysos

Eine Opernphantasie
Text von Wolfgang Rihm nach Friedrich Nietzsche
Musik von Wolfgang Rihm


Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Heidelberg am 8. Februar 2013

Logo: Theater Heidelberg

Theater Heidelberg
(Homepage)

Musik als Ausbruch

Von Joachim Lange / Fotos: Florian Merdes

Der Gott Dionysos, nach dem Wolfgang Rihm seine ausufernd mäandernde „Opernphantasie“ benannt hat, kommt in seinem selbst gemachten Text gar nicht vor. Und was heißt schon Text. Es ist ja eher ein freies Spiel mit Bruchstücken und Assoziationen. Bei denen der Komponist ziemlich fasziniert von der dunklen Poesie in Friedrich Nietzsches „Dionysos-Dithyramben“ war, die der kurz vor seinem geistigen Zusammenbruch 1888/89 schrieb. Da irrt der Mensch im Labyrinth Leben und Gott ist sowie schon tot. Weil das „N.“, mit dem der Protagonist der männlichen Gesangshauptrolle benannt wird, wohl am ehesten für Nietzsche steht, hatte sich Jonathan Meese 2010 bei den Salzburger Festspielen für die zurückhaltende Inszenierung von Pierre Audi mit seiner keineswegs zurückhaltenden Ausstattung vom berühmten Schnauzbart des Philosophen anregen lassen und die große graphische Keule herausgeholt (unsere Rezension).

Szenenfoto

Diese von Ingo Metzmacher musikalisch erstklassig zelebrierte Uraufführungsinszenierung war danach in Amsterdam und schließlich auch auf Einladung des früheren Salzburger Festspiel- und jetzigen Staatsopern-Intendanten Jürgen Flimm in einer Ausweichspielstätte der Lindenoper in Berlin zu sehen. Was eher auf Zurückhaltung bei der Kritikerzunft traf. Den Ruhm der echten deutschen Erstaufführung, also Neueinstudierung, freilich darf das Theater in Heidelberg für sich verbuchen. Intendant Holger Schultze und sein Operndirektor Heribert Germershausen füllen damit den neuen Saal des gerade überholten und im Gefüge des Innenstadtquartiers sichtbar und mit freizügigen Einblicken in den Betrieb für 60 Millionen erweiterten Hauses mit einer Opern-Großtat.

Szenenfoto

Was jede Zweitinszenierung einer neuen Oper potentiell ist. Eine in der Qualität wie in Heidelberg aber tatsächlich! Regisseur Ingo Kerkhof und seine Bühnenbildnerin Anne Neuser lassen sich dabei, im Unterschied zur Uraufführung, eher vom dunkel dräuenden Hintergrund leiten. Sie suchen nicht den Blick in die Weite, sondern richten ihn nach innen. Entgehen dabei aber gleichwohl der Gefahr, in die Realismusfalle einer biographischen Anverwandlung des Stoffursprungs zu geraten. Ihr Raum bleibt, trotz seiner realistischen Versatzstücke, genügend weit in der Alptraumwelt verwurzelt.

Szenenfoto

So entsteht eine Spannung zwischen der Szene und einer Musik, die in einem spätromantischen Nachhall auf Orchesterpracht setzt, sich ihr eigenes Hochplateau der Erinnerung schafft und von da aus auch den Sichtkontakt zu den klingenden Hochgebirgen eines Richard Strauss nicht scheut. Samt der klingenden Wasserfälle, die da am Wege liegen. Was unter der geradezu lustvoll leichten Stabführung des Heidelberger GMD Yordan Kamdzhalov vom Orchestergraben in den gerade eingeweihten nagelneuen Heidelberger Theatersaal aufsteigt, ist die pure Opulenz, die dem sinnlichen Genuss allemal den Vorzug vor der avancierten Novität einräumt.

Szenenfoto

Durch die beklemmende Düsternis des Einheitsbühnenraumes, der gut ein von „N.“ geträumter Ort der Enge sein könnte, profiliert sich die Musik gleichsam als Ausbruch: Für einen „N.“ in Bergeshöhen und als Anführer einer Gemeinschaft. In der Grenzüberschreitung und als scheiternder Künstler und erfolgloser Gottsucher. In allem maßlos und ungeordnet. Holger Falk macht ihn zum darstellerisch und vokal überzeugenden Zentrum dieser auf einen Untergang zusteuernden Gesellschaft, die sich auch schon mal in trauerndem Schwarz an einer Tafel versammelt. Während das Leben im irdischen Labyrinth vergeht. Und die Spiegelungen des Protagonisten in die Gestalten eines alten Mannes und eines Kindes sozusagen auf das ganze Leben hindeuten. Mit Weg-Begleitern wie dem als „Gast“ mitspielenden Gott „Apollon“ (Namwon Huh) oder Sehnsuchtsprojektionen wie der Ariadne, für die Sharleen Joynt ihre Präsenz und ihre atemberaubenden Koloraturen aufbietet. Jubel für diesen Kraftakt!


FAZIT

Die deutsche Erstaufführung von Wolfgang Rihms Dionysos am Theater Heidelberg ist eine Großtat. Die musikalische und szenische Qualität der Aufführung stehen beispielhaft für das, was das deutsche Stadttheater zu leisten vermag.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Yordan Kamdzhalov 

Inszenierung
Ingo Kerkhof

Bühne
Anne Neuser

Kostüme
Inge Medert

Video
Philipp Ludwig Stangl

Chor
Jan Schweiger

Dramaturgie
Julia Hochstenbach


Chor und Extrachor des
Theater Heidelberg

Philharmonisches Orchester
Heidelberg


Solisten

N.
Holger Falk

1. hoher Sopran / »Ariadne«
Sharleen Joynt

2. hoher Sopran
Diana Tomsche

Mezzosopran
Carolyn Frank

Alt
Guadalupe Larzabal

»Ein Gast« / »Apollon«
Namwon Huh

Der Alte
Harald Beutelstahl

Das Kind
Matthis Wolfer 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Heidelberg
(Homepage)





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