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Anna Bolena

Tragedia lirica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Gaetano Donizetti


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Palladium Köln am 17. Februar 2013


 

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Oper Köln
(Homepage)

Belcanto-Abend für zwei große Frauenpartien

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre

Obwohl Gaetano Donizetti 1830 in der Opernszene kein Neuling mehr war und zumindest im Süden Italiens bereits große Erfolge verbuchen konnte, stellte die Uraufführung der Anna Bolena in Mailand einen markanten Wendepunkt seiner Karriere dar, da er sich mit diesem Werk endgültig von Rossinis Einfluss löste und somit den Weg für eine internationale Karriere ebnete. Während sich die Oper bis in die 1870er Jahre hinein großer Beliebtheit erfreute, verschwand sie zum Ende des 19. Jahrhunderts wie die meisten  anderen Donizetti-Opern allmählich von den europäischen Bühnen und erlebte erst 1957 durch Maria Callas ihre Renaissance. Seit den letzten Jahren wird die anspruchsvolle Titelpartie in der Regel mit Edita Gruberova oder neuerdings auch mit Anna Netrebko assoziiert, da Gruberova den Ruf als Primadonna assoluta des Belcanto-Gesangs genießt oder Netrebko in Wien und an der Met auch optisch die Rolle hervorragend ausfüllt. Von daher muss sich jede Sängerin, die sich auf diese Partie einlässt, bewusst sein, dass ein Vergleich unvermeidlich ist. Die Oper Köln hat dieses Risiko gewagt und mit Olesya Golovneva in der Titelpartie eine Sängerdarstellerin gewonnen, die sowohl gesanglich als auch optisch den Ikonen dieser Rolle die Stirn bieten kann.

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Enrico VIII. (Gidon Saks) liebt Giovanna Seymour.

Das Stück wird häufig zusammen mit Maria Stuarda und Roberto Devereux als Tudor-Trilogie bezeichnet, da sich Donizetti in diesen drei Opern auf Vorlagen unterschiedlicher Librettisten mit der Geschichte des englischen Königshauses im 16. Jahrhundert auseinandersetzt. In Anna Bolena beschäftigt er sich mit dem Ende der zweiten Frau von Heinrich VIII. (Enrico VIII.), die auch gleichzeitig die Mutter der späteren Königin Elisabeth I. war. Schon zu Beginn der Oper will Enrico seine Frau loswerden, da er sich leidenschaftlich in ihre Hofdame Jane Seymour (Giovanna Seymour) verliebt hat. Er plant, Anna der Untreue zu überführen, indem er ihren ehemaligen Verehrer Lord Percy aus der Verbannung zurückholt. Doch Anna wehrt sich standhaft gegen Percys Avancen. Dennoch gelingt es Enrico, seine Frau mit Percy und dem Pagen Smeton in ihren Gemächern zu überraschen, und als Percy, der die Königin ebenfalls verehrt, ein Medaillon von Anna verliert, sieht Enrico den Verdacht des Ehebruchs bestätigt und lässt alle in den Kerker werfen. Während Giovanna Anna anfleht, den Treuebruch zu gestehen, um ihr Leben zu retten, weist Anna dieses Ansinnen empört von sich und ist wie Smeton, Percy und ihr Bruder Rochefort bereit, für ihre Ehre in den Tod zu gehen. Kurz vor ihrer Hinrichtung muss sie erleben, dass Enrico Giovanna zum Altar führt.

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Enrico (Gidon Saks, 2. von rechts) glaubt, seine Frau Anna (Olesya Golovneva) der Untreue überführt zu haben (links: Smeton (Katrin Wundsam) und Rochefort (Matias Tosi), rechts: Percy (Luciano Botelho)).

Tobias Hoheisel und Imogen Kogge konzentrieren sich in ihrer Inszenierung ganz auf die beiden Frauengestalten, was sich zum einen in der Raumgestaltung und zum anderen in den Kostümen ausdrückt. So hebt sich Giovanna von Anfang bis zum Ende in ihrem leuchtend roten Kleid deutlich von den anderen Protagonisten ab, wobei dem Farbton auch symbolischer Charakter zukommt, repräsentiert er doch ebenfalls das Feuer der Leidenschaft, in dem Enrico für Giovanna entbrennt und das die Triebfeder für die grausame Behandlung seiner Ehefrau ist. Auch der inneren Zerrissenheit Giovannas zwischen Liebe zum König und schlechtem Gewissen räumen Kogge und Hoheisel großen Raum ein, indem sie Giovanna schon während der Ouvertüre die Bühne betreten lassen und die aufwühlende Musik der Ouvertüre einen Teil des inneren Kampfes dieser jungen Frau auszutragen scheint. In anderen Sequenzen wird die Geschichte häufig mit Giovanna als stiller Beobachterin gezeigt, die zwar versucht, den fatalen Gang der Geschichte aufzuhalten, diesem allerdings machtlos ausgesetzt ist.

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Die Hofdamen (Chor) bedauern Annas (Olesya Golovneva) Schicksal.

Während Anna zu Beginn der Aufführung in einem aufwändigen schwarzen Kleid auftritt, das ihre tiefe Trauer widerspiegelt, präsentiert sie sich später in einem silbrig-grauen Gewand, das zwar herrschaftlich wirkt, aber im Gegensatz zu dem leuchtenden Rot Giovannas deutlich macht, dass ihr Stern im Begriff ist zu sinken. In ihrer finalen Wahnsinns-Szene tritt sie in einem weißen Kleid auf, was zeigt, dass sie unschuldig hingerichtet wird. Den Bühnenraum hat Hoheisel in zwei Teile geteilt. In der Mitte dominiert ein steriles weiß getäfeltes Zimmer, das sich farblich von den wesentlich wärmeren dunklen Tönen des Raumes auf der rechten Seite abhebt, der in der Ausstattung an ein britisches Schloss mit einer riesigen Treppe erinnert, wobei ein Portrait des Königs und zahlreiche weitere Gemälde die Wände schmücken. Während der sterile Raum in der Bühnenmitte den Interaktionen mit Anna vorbehalten ist und sie diesen Raum bis zu ihrer Wahnsinns-Szene ganz am Ende nicht verlässt, agieren die anderen Personen, wenn die Königin nicht involviert ist, auf der rechten Seite oder vor dem weißen Raum. So wird deutlich, dass Anna sich bereits von Anfang an in einer anderen Welt bewegt und Enrico bereits mit ihr abgeschlossen hat. Unterstützt wird dieser Ansatz von einer weißen Leinwand über diesem Raum, hinter der Giovanna mehrere Male während des Stückes den Henker sieht, der die vor ihm kniende Anna hinrichtet.

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Giovanna (Regina Richter, kniend) bittet Anna (Olesya Golovneva) um Vergebung.

Nur mit der Positionierung des Chors haben Kogge und Hoheisel bisweilen Probleme. Wenn sie die Herren von den Emporen auf der rechten und linken Seite singen lassen und die Hofdamen in Annas Raum auftreten lassen, wirken die Positionierungen noch gut durchdacht und stimmig. Ansonsten scheinen durch die Teilung der Bühne die Wege für die Masse des Chors jedoch ein wenig zu weit und der rechte Raum zu eng zu sein, so dass zum einen die Chordamen regelrecht über die Bühne hetzen müssen, um Enrico die Gnadengesuche für die Königin vorzulegen, und die Herren absolut unmotiviert wirken, wenn sie sich Getränke schlürfend über den Fortgang der Ermittlungen im Prozess gegen die Königin erkundigen. Unklar bleibt auch, wieso Kogge und Hoheisel Rochefort und Percy in ihrem Duett, nachdem sie die Begnadigung durch Enrico abgelehnt haben und für die Hinrichtung voneinander Abschied nehmen, die Tragik nehmen, die in der Musik zum Ausdruck kommt, und sie stattdessen wie zwei alberne Schuljungen über die Bühne fegen lassen. Da gelingt die Personenregie bei den anderen Figuren und in den anderen Szenen wesentlich stimmiger.

Musikalisch gehört der Abend den Frauen und dem Gürzenich-Orchester Köln unter der Leitung von Alessandro De Marchi, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er nicht nur ein Spezialist für Barockmusik ist, die unterschiedlichen Klangfarben der Partitur differenziert herausarbeitet und dabei stets darauf achtet, die Sänger nicht zu überdecken. Katrin Wundsam glänzt mit warmem Timbre in der Hosenrolle des Smeton und begeistert vor allem in der Kavatine des ersten Aktes, mit der er die traurige Königin aufzuheitern versucht. Regina Richter gestaltet die Giovanna stimmlich und darstellerisch so intensiv, dass sie der zentralen Rolle, die das Regie-Team der Figur einräumt, mehr als gerecht wird. Besonders ergreifend gelingt ihr das Duett mit Anna im zweiten Akt, in der sie der Königin gesteht, selbst die verhasste Rivalin zu sein. Olesya Golovneva stattet die Titelpartie mit einem großartigen dramatischen Sopran aus, der in den Tiefen genügend Durchschlagskraft besitzt und sich scheinbar spielerisch in koloraturgespickten Höhen bewegt. Auch darstellerisch gestaltet sie die Partie mit einer königlichen Grandezza. Auch sie bewegt im Duett mit Richter, wenn sie der Rivalin zwar mit Worten verzeiht, vor einer Berührung aber rigoros zurückweicht. In der großen Final-Arie lockt sie mit ihrer eindrucksvollen Gestaltung das Publikum aus der Reserve, das ansonsten mit Zwischenapplaus recht sparsam agiert.

Leider können die männlichen Sänger das Niveau der Damen nicht ganz halten. Luciano Botelho verfügt als Percy zwar über eine sehr wohlige Mittellage, klingt in den Höhen aber bisweilen arg angestrengt, wobei er im zweiten Akt seine Stimme wesentlich weniger durch hohe Spitzentöne strapaziert. Gidon Saks klingt als Enrico sehr rau, so dass man sich fragt, ob diese stimmliche Belegtheit einer Erkältung zuzuschreiben ist und er sich vielleicht besser hätte als leicht indisponiert ansagen lassen sollen. Ob es wirklich erforderlich ist, sich in der Partie mehrere Zigaretten anstecken zu müssen, ist ebenfalls diskutabel. Für die Stimme ist es sicherlich nicht förderlich. Nur Matias Tosi lässt als Annas Bruder Rochefort mit fulminantem Bass aufhorchen. Alexander Fedin präsentiert die kleine Rolle des Hervey solide. Trotz der kleinen Abstriche gibt es am Ende großen Applaus für die Sänger und Musiker, mit dem man bei der zurückhaltenden Akklamation nach einzelnen Arien nicht unbedingt gerechnet hat. Beim Regie-Team scheint sich das Publikum eher uneinig zu sein. Unmutsbekundungen bleiben größtenteils aus, aber auch der Zuspruch fällt weniger herzlich als bei den Sängern aus.

FAZIT

Kogge und Hoheisel gelingt im Großen und Ganzen ein stimmiger Ansatz, der das Stück nicht gegen den Strich bürstet, und musikalisch durchaus seine Meriten hat, so dass man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen sollte, dieses Werk im Palladium zu erleben.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alessandro De Marchi

Inszenierung
Tobias Hoheisel
Imogen Kogge

Bühne und Kostüme
Tobias Hoheisel

Licht
Andreas Grüter

Chorleitung
Jens Olaf Buhrow

Dramaturgie
Birgit Meyer


Chor der Oper Köln

Statisterie der Bühnen Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

*Besetzung der Premiere

Enrico VIII.
*Gidon Saks /
Marco Spotti

Anna Bolena
Olesya Golovneva

Giovanna Seymour
Regina Richter

Lord Rochefort
Matias Tosi

Lord Riccardo Percy
*Luciano Botelho /
Jeongki Cho

Smeton
Katrin Wundsam

Sir Hervey
Alexander Fedin



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