Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Die Regimentstochter
(La fille du régiment)

Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges und Jean-François Bayard
Musik von Gaetano Donizetti

In französischer Sprache mit deutschen Dialogen und deutschen Übertiteln

Dauer: 3 Stunden – eine Pause

Premiere am 20. April 2013
(besuchte Vorstellung: 24.04.2013)

 
 
 
Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

Ein Himmel voller Unterhosen

Von Christoph Wurzel / Fotos: Falk von Traubenberg

Die Regimentstochter bietet zu ihrer zündenden Musik, den brillanten Arien und einer charakteristischen tinta, eine Handlung voll ironischem Hintersinn. Auf den ersten Blick erscheint der Plot aberwitzig: dass mitten im Krieg Napoleons gegen Österreich das Findelkind Marie von den 2000 Männern des französischen Regiments als Tochter adoptiert worden ist, von denen sie auch noch irgendwann einmal einen heiraten soll, was sie dann aber lieber doch nicht will, weil sie sich in einen Tiroler Bauern (Tonio) verliebt hat; dass dieser wiederum in die feindliche Armee eintritt, um die Angebetete doch noch zu bekommen; dass zwischenzeitlich aber eine vermeintliche Tante (Gräfin Berkenfield) auftaucht und Marie zwingt, mit auf ihr Schoss zu kommen, wo sie standesgemäß verkuppelt werden soll; dass dieser Plan schließlich kläglich scheitert, weil die Tante sich als ledige Mutter der Regimentstochter herausstellt, worauf die fürstliche Schwiegermutter in spe (Herzogin von Crakentorp) die Flucht ergreift und Tonio nun freie Bahn hat, seine Marie zu bekommen; und dass beide zum endlich glücklichen Opernschluss triumphal in die französische Armee zurückkehren. Mit einem "Salut à la gloire! Salut à la France!" endet das Stück – und scheint so französisch, dass die Oper in Paris noch viele Jahre nach ihrer Uraufführung alljährlich zur Feier des Bastille-Sturms  gegeben wurde. Dabei allerdings dürfte es sich um eine Verkennung ihrer satirischen Qualitäten handeln, denn nicht nur die Adelsgesellschaft, auch Militär und Patriotismus werden hier in gleicher Weise persifliert. Das Lebensideal der „Regimentstochter“ Marie mit ihrem Bauernjungen Tonio scheint eher im beschaulichen Tiroler Landleben zu liegen, so wie es die Musik auch verrät. Maries Entsagungsarie "Par le rang et par l’opulence" gegen Reichtum und Rang endet nach artifiziell wohlgesetztem Belcanto nämlich in einem fröhlich geträllerten Ländler. In dieser Sphäre liegt also wohl eher das Glück.

Bild zum Vergrößern

Zwischen „Marianne“ und „Austria“: der Tiroler Soldat Tonio (Anna-Magdalena Beetz, Eleazar Rodriguez, Konstanze Mazur)

Leider hat man in Karlsruhe diese komische Oper aber mit einer Operettenklamotte verwechselt. La fille du régiment  ist eine Satire, doch die Oper selbst zeigt ihre komischen Seiten eher subtil und steckt daneben auch voller Sentiment und Melancholie. In Donizettis Oper wird mit Anspielungen und feinem Humor in Inhalt und Musik ein ironischer Blick auf die Zeit geworfen, wie der Komponist selbst auch später die Überführung der Gebeine Napoleons in den Pariser Invalidendom  ironisch kommentierte. Wird sie wie eine Boulevard-Komödie inszeniert, verliert der Humor seinen Charme, so wie in der neuen Karlsruher Produktion, wo die Regisseurin Aurelia Eggers eher derbe Komik benutzt und auch vor Klamauk nicht zurückschreckt. Da muss dann die mannstolle Gräfin Berkenfield (Rebecca Raffell mit Zarah-Leander-Stimme) auch mal mit dem Serganten Sulpice in eindeutiger Pose zu Boden gehen, wie man es eben aus einschlägigen Possen kennt. Und der Auftritt der Adelsgesellschaft zu Beginn des 2. Akts wird in grotesker Vergröberung zum „Tanz der Vampire“. Zudem hat man zwecks historischer Einordnung eine Rahmenhandlung erfunden, in welcher eine kecke Marianne und eine züchtige Austria sich allegorisch Gefechte liefern, bei denen die Trefferquote jeweils durch Schilder vermeldet wird. Auch dass Unterhosen zigfach von der Decke baumeln und Sänger sogar vor dem Publikum selbige wechseln, lässt den Humorlevel nicht großartig steigen. Rar sind  wirklich originelle Ideen, wie Tonios „Blumen“ für seine Traumfrau in Form einer Waschmaschine.

Bild zum Vergrößern

Wäscherin für 2000 Soldaten: Die Regimentstochter Marie (Sharleen Joynt) mit einem ihrer Ziehväter (Gabriel Urrutia Benet als Sulpice)

Glücklicherweise wird musikalisch nicht so plakativ agiert, sondern das Orchester spielt unter Johannes Willig nicht nur weitgehend klangschön, sondern der Dirigent arbeitet auch die unterschiedlichen Stilebenen der Musik deutlich heraus, lässt dem militärischen Idiom schwungvollen Lauf, gibt aber ebenso den lyrischen Passagen romantische Tiefe. Auch Donizettis Parodien der „alten“ Musik zu Beginn des 2. Akts gestaltet das Orchester mit augenzwinkernder Grazie. Und auch sängerisch kann diese Produktion Pluspunkte sammeln. Die junge kanadische Sopranistin Sharleen Joynt, Ensemblemitglied in Heidelberg, zeigt sich darstellerisch äußerst präsent und brilliert technisch perfekt in der koloraturgespickten Partie der Marie. Hier wächst in der Opernwelt sicher ein großes Talent heran. Als Tonio überzeugt der Mexikaner Eleazar Rodriguez besonders mit lyrischer stimmlicher Wärme und Sicherheit in der Höhenlage.  Der spanische Sänger Gabriel Urrutia Benet gibt die Partie des Sergeanten Sulpice kernig und spielfreudig. Tiny Peters schlüpft überaus lustvoll aus ihrer Rolle als verdatterte Herzogin in die der Can Can tanzenden Grisette.

Bild zum Vergrößern

Mit erfrischendem Temperament ein Lichtblick in der allzu routinierten Inszenierung: Sharleen Joynt in der Titelrolle

Von den beiden Fassungen der Oper hatte man in Karlsruhe die französische Erst-Fassung gewählt. Die Dialoge wurden aber auf Deutsch gegeben, was allerdings angesichts der Fremdsprachigkeit der Solisten relativ schwerfällig geriet. Zudem hätte man zu einer erheblich moderneren Übersetzung greifen müssen. Die gebotenen biederen Texte verstärkten noch den allgemeinen Eindruck einer ziemlich altbackenen szenischen Realisierung.

 

FAZIT

Der Witz dieser Oper kommt mit der Brechstange. Dagegen fächern Dirigent und Orchester die Palette der musikalischen Farben feinsinnig auf. Vor allem aber stehen besonders in den beiden Hauptrollen glänzende Sänger zur Verfügung.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Willig

Inszenierung
Aurelia Eggers

Bühne und Kostüme
Rainer Sellmaier

Licht
Rico Gerstner

Chorleitung

Ulrich Wagner

Dramaturgie

Raphael Rösler


Badische Staatskapelle

Badischer Staatsopernchor

Statisterie des
Staatstheaters Karlsruhe


Solisten

*Abendbesetzung

Marie, eine junge Marketenderin
Sharleen Joynt*
Ks Inga Schlingensiepen

Tonio, ein junger Tiroler
Milos Bulajic
Eleazar Rodriguez*

Sergent Sulpice

Ks Edward Gauntt
Gabriel Urrutia Benet*

Marquise de Berkenfeld
Sandra Alexandra Hudarew
Rebecca Raffell*

Hortensius, ihr Kammerdiener

Lucas Harbour*
Luiz Molz

Herzogin von Crakentorp
Ks. Tiny Peters

Ein Offizier
Thomas Rebilas

Ein Bauer

Ks. Johannes Eidloth*
Jan Heinrich Kuschel

Ein Notar
Martin Beddig

Marianne
Anna-Magdalena Beetz
(stumme Rolle, von der Regie hinzugefügt)

Austria
Konstanze Mazur*
Christina Mohari
(stumme Rolle, von der Regie hinzugefügt)

Bühnenpianist/in
Paul Harris
Julia Simonyan*

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Badischen Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2013 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -