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Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg

Große romantische Oper in drei Aufzügen
Musik und Libretto von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 1/2 Stunden – zwei Pausen

Premiere im Badischen Staatstheater am 7. Oktober 2012

 
 
Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

Qual, überall Qual

Von Chrisopht Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus

Schon der Komponist selbst hat sich mit seinem Werk genug herumgeplagt. Zwischen 1845 und 1875 hat er die Oper mehrmals umgearbeitet und, auch damit immer noch nicht zufrieden, bedauerte er selbst in seinen letzten Lebenstagen, der Welt noch „den Tannhäuser schuldig“ zu sein. Der Spagat zwischen der lasziven Phantasiewelt des Venusberges und der realen Wartburg-Gesellschaft mit ihren engen Konventionen ist tatsächlich auch die dramaturgische Herausforderung  in dieser Oper. In Karlsruhe hat man sich nun die „Fassung letzter Hand“, Wagners Bearbeitung für die Aufführung in Wien, vorgenommen. Befriedigen konnte diese Premiere indessen auch nicht – und zwar aus szenischen und teilweise auch musikalischen Gründen.

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"Ausgelassenes Treiben im Venusberg“: Corp de ballet

Die Ausstattung, also Bühnenbild und Kostüme samt  Lichtkonzept, wurde von der Künstlerin rosalie übernommen, die, was Wagner betrifft, bereits die Ausstattung des Bayreuther Rings zwischen 1994 und 1998 entworfen hatte, welche seinerzeit als außerordentlich phantasievoll und bildmächtig gerühmt wurde. Jetzt für den Karlsruher Tannhäuser bleibt der entworfene Raum ziemlich steril und uninspiriert. Für alle drei Akte gibt es eine Einheitsbühne mit dem Charme einer postmodernen U-Bahn-Station. Mauern aus weißen Hohlkörper-Elementen umschließen den Bühnen-Guckkasten, der gleichsam den hermetischen Spielraum der Handlung abgibt. Als neutrale Flächen geben die Wände eine geeignete Projektionsfläche für die etwas aufdringliche Lichtsymbolik ab: natürlich in Rot, wenn es um Liebe geht und blau, wenn es innerlich kalt um die Protagonisten wird. Im  ersten Akt thront Venus auf einem schwarzen Gebilde, das wie ein überdimensionales Knäuel aus zur Plastik erstarrten Geschenkbändern anmutet (was die Sänger übrigens zu unfreiwillig komischem Kraxeln zwingt). Das „schöne Tal mit der Wartburg im Hintergrund“ (hier allerdings ohne) wird ziemlich gequält ironisiert durch herabhängende Paletten mit kitschigen Wald- und Wiesen-Installationen. Die stilisierte Jägerkluft des Landgrafen mit seinen Mannen soll diesen Effekt noch verstärken. Die Sängerhalle im zweiten Akt ist mit Sesseln aus blitzblanken Ölfässern möbliert – ein etwas bemühtes Symbol für Reichtum und Materialismus als tragender Ideologie dieser Gesellschaft. Das hatte man (freilich noch üppiger) jüngst  in Bayreuth schon so ähnlich gemacht mit dem „Alkoholator“ als Chiffre für den Zustand dieser Gesellschaft. Im dritten Akt schließlich schweben merkwürdige Schmetterlingsengel vom Bühnenhimmel herab. Nun ja, von nackten, schlanken, jungen Frauen kommt also die Erlösung! Der Chor (gesanglich nicht immer homogen) dagegen pilgert als langhaarig zotteliges Prekariat in der Gegend herum.

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Nicht nur freudiges Wiedersehen: Tannhäuser (John Treleaven, links), Minnesänger und Landgraf (Armin Kolarczyk, Lucas Harbour, Konstantin Gorny, Klaus Schneider, Max Friedrich Schäffer und Luiz Molz)

Sind also schon die Bilder recht bemüht, so trägt die Regie  zu einer zwingenden Deutung nur wenig bei. Was Regisseur Aron Stiehl im Programmheft als „psychologische Führung“ der Figuren beansprucht, reicht auf der Bühne über die übliche Opernkonvention kaum hinaus. Freilich setzt er einige Akzente beim Einzug der Gäste als munterer Bussi-Gesellschaft mit unerzogenen Kindern oder bei der individuellen Profilierung der Minnesänger. Vor allem jedoch die Szene im Venusberg aber bleibt zuerst dramaturgisch spannungslos, bis sie dann zum banalen Beziehungskrach ausartet, statt aus Verführung und Gegenwehr Funken zu schlagen. Dazu können leider die routiniert getanzten Soli und die keusch angedeuteten Paarungen des Balletts auch nur wenig beitragen (Choreografie: Davide Bombana). Was der Einfall,  Tannhäuser seine dichterischen Ergüsse in eine Kladde schreiben zu lassen, zur Erhellung der Geschichte beitragen kann, bleibt auch eher im Dunkeln.

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Tannhäusers Werke (rotes Buch) leben weiter: Ensemble, vorn liegend Tannhäuser (John Treleaven)

Nun ist Heidi Melton zwar eine beeindruckende Sängerin, aber die Ausstrahlung einer Venus war ihr nicht anzumerken. Zweifelhaft also, ob die Doppelbesetzung beider Partien mit dieser Sängerin für Karlsruhe die glücklichste Lösung ist. Viel überzeugender war die Amerikanerin als Elisabeth, ja das Gebet im 3. Akt war gesanglich einer der Höhepunkte der Aufführung, so innig und rein sang sie an dieser Stelle, wie sie auch mit der emphatisch jubilierenden Hallen-Arie triumphieren konnte. Doch als Venus bleib sie mehr das keifende Weib als die lockende Verführerin. Zu den sängerischen Höhepunkten kann uneingeschränkt nur Armin Kolarczyk als belcantistischer Wolfram zählen. Mit balsamischer Stimme sang er in makellosem Legato besonders im 3. Akt das Lied an den Abendstern. Und noch ein sängerischer Glanzpunkt: Tom Volz als junger Hirt mit unerschrockenem, frischem Knabensopran. Solide Leistungen hörte man bei den Minnesängern, insbesondere Klaus Schneider als Walther. Etwas kehlig klang Konstantin Gorny als Landgraf. John Treleaven aber quälte sich förmlich durch die Titelpartie. Mit verbrauchter Stimme ohne Glanz, gepresster Höhe und zudem wenig Treffsicherheit hangelte er sich mühevoll durch die ersten beiden Akte. In der Romerzählung hatte er sich dann gefangen und hatte damit wenigstens einen brauchbaren Abgang.

Im Orchester bleib es leider nicht nur bei einem Wackler vor allem im Blech, ansonsten aber spielte die Staatskapelle flexibel und zumeist auch klangschön. Justin Brown war auf plastische Klangwirkung bedacht, ließ stets die Sänger durch und sorgte für vitale Dynamik.

FAZIT

Dieser Modernismus wirkt gequält. In dem bemüht kunstgewerblichen Ambiente können die sparsamen Regieeinfälle wenig begeistern. Musikalisch hatte die Premiere Glanz-, aber leider auch Schattenseiten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Justin Brown

Inszenierung
Aron Stiehl

Raum, Lichtskulptur und Kostüme
rosalie

Choreografie
Davide Bombana

Licht
Stefan Woinke

Chorleitung
Ulrich Wagner

Dramaturgie
Bernd Feuchtner

 

Badische Staatskapelle

Badischer Staatsopernchor

Ballett des
Badischen Staatstheaters

Statisterie des
Badischen Staatstheaters


Solisten

Hermann Landgraf von Thüringen
Konstantin Gorny

Tannhäuser
John Treleaven

Wolfram von Eschenbach
Armin Kolarczyk

Walther von der Vorgelweide
Klaus Schneider

Biterolf
Lucas Harbour

Heinrich der Schreiber
Max Friedrich Schäffer

Reinmar von Zweter
Luiz Molz

Venus / Elisabeth
Heidi Melton

Ein junger Hirt
Tom Volz
(Cantus Juvenum Karlsruhe)

Edelknaben
Msami Sato
Dagmar Landmann
Ulrike Gruber
Christine Lülf

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Badischen Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)



Da capo al Fine

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