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L'Olimpiade

Dramma per musica in drei Akten
Text von Pietro Metastasio
Musik von Antonio Vivaldi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Kassel am 9. März 2013

 



Staatstheater Kassel
(Homepage)

Herrliche Barockklänge in kühlem Ambiente

Von Thomas Molke / Fotos von N. Klinger

Lange Zeit teilte Antonio Vivaldi wie viele seiner Zeitgenossen das Schicksal, in Vergessenheit geraten zu sein. Dann führte ein spektakulärer Fund in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem Dachboden eines Klosters und in einer chaotischen Turiner Privatbibliothek dazu, dass der in Venedig geborene Komponist eine Art Renaissance erlebte. Von den wiederentdeckten Opernpartituren war L'Olimpiade das erste Werk, das 1939 in Venedig zur erneuten Aufführung gelangte. Fast ein halbes Jahrhundert verging, bis die ersten Einspielungen dieser Oper auf CD erfolgten, und erst 2007 kam es beim Festival Winter in Schwetzingen, das sich über mehrere Jahre Vivaldis Kompositionen widmete, zur deutschen Erstaufführung. Das Staatstheater Kassel ist nun im Rahmen seiner Barock-Pflege die zweite deutsche Bühne, die Vivaldis Dramma per musica zur Aufführung bringt.

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Clistene (Marc-Olivier Oetterli, vorne Mitte) verkündet seiner Tochter Aristea (Ulrike Schneider, oben links), wer bei den Olympischen Spielen für sie kämpfen wird (unten rechts vorne: Alcandro (Tomasz Wija), oben rechts hinten: Argene (Belinda Williams), in den anderen Türen: Statisterie).

Die Handlung ist, wie in Barock-Opern meistens, reichlich verworren und weist in der Grundstruktur Parallelen zum Ödipus-Mythos auf. Filinto wächst am Königshof in Kreta unter dem Namen Licida auf, weil sein Vater Clistene, der König von Elis, aufgrund einer Prophezeiung, die besagte, dass der Sohn später die Hand zum Mord gegen den Vater erheben würde, befohlen hatte, seinen Sohn als Baby zu ertränken, was sein Vertrauter Alcandro aber nicht übers Herz brachte, sondern das Kleinkind Aminta übergab, der den Jungen an den Königshof nach Kreta brachte, wo gerade der Sohn des Königs gestorben war. Als mittlerweile erwachsener junger Mann will Licida nun an den Olympischen Spielen teilnehmen, weil Clistene als Preis für den Sieger die Hand seiner Tochter Aristea ausgesetzt hat, in die sich Licida mittlerweile verliebt hat. Da er jedoch körperlich nicht in Form ist, bittet er seinen Freund Megacle für ihn anzutreten und die Königstochter zu gewinnen. Obwohl Megacle selbst in Aristea verliebt ist, lässt er sich auf diesen Betrug ein und gewinnt die Spiele. Aristea ist fassungslos, dass Megacle, den sie ebenfalls liebt, für Licida gewonnen hat, da dieser doch ursprünglich ihrer Freundin Argene, die sich als Schäferin Licori in Olympia versteckt, den Hof gemacht hat. Der Schwindel fliegt auf, und Megacle beschließt, sich das Leben zu nehmen. Licida will daraufhin Rache an Clistene für den Tod des Freundes nehmen, wird allerdings verhaftet und zum Tode verurteilt. Als Argene mit einem Amulett, das sie einst von Licida als Eheversprechen erhalten hat, einfordert, für den Geliebten zu sterben, erkennt Clistene in Licida seinen Sohn Filinto, will allerdings trotzdem an der Verurteilung festhalten und anschließend selbst aus dem Leben scheiden. Doch Megacle, der von Fischern vor dem Freitod gerettet worden ist, schreitet ein, und teilt Clistene mit, dass er nicht länger den Vorsitz in Olympia habe, da die Olympischen Spiele nun beendet seien, und nur das Volk Licida verurteilen könne. Das Volk begnadigt Licida, und so steht einer Doppelhochzeit (Licida - Argene und Megacle - Aristea) nichts mehr im Weg.

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Gibt es noch Hoffnung für ihre Liebe: Megacle (Maren Engelhardt) und Aristea (Ulrike Schneider)?

Das Regie-Team um Dominique Mentha verzichtet, im Gegensatz zu Werner Pichlers Inszenierung beim Winter in Schwetzingen, ganz auf einen Bezug zu Olympischen Spielen und präsentiert die Handlung recht abstrakt auf einer relativ eingeschränkten Bühne in zwei Ebenen. Kurz hinter dem Orchestergraben, der während der dreisätzigen Sinfonia zu Beginn der Oper noch wie bei einem Konzert hochgefahren ist, schließt Justyna Jaszczuk das Bühnenbild mit einer hohen weißen Wand ab, die im unteren Teil aus rechteckigen Elementen besteht, die wie Tore geöffnet werden können und in denen die einzelnen Figuren wie Ausstellungsstücke in einem Setzkasten präsentiert, allerdings auch isoliert werden können, und im oberen Teil eine weitere Spielfläche freigibt, wenn die Wand in den Schnürboden gezogen wird. Während des ersten Aktes sieht man oben hochragende Baumstämme, die einen Hauch von Natur in dem ansonsten sehr kühl gehaltenen Ambiente verbreiten, was vielleicht für die Welt Argenes stehen könnte, die im ersten Akt noch ihr Inkognito als vermeintliche Schäferin Licori wahrt. Im zweiten Akt scheinen diese Bäume gefällt worden zu sein. Auf beiden Ebenen sieht man jetzt nur noch tote Äste. Im dritten Akt ist dann die Zweiteilung der Bühne aufgehoben. Wenn Licida zur Hinrichtung schreitet, scheint er sich einem Scheiterhaufen im Hintergrund zu nähern, aus dem leuchtende Nebelschwaden aufsteigen.

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Aminta (LinLin Fan, umgeben von Mitgliedern des Staatsorchesters Kassel) wundert sich über den Wahnsinn der Liebe.

Mentha assoziiert in seiner Inszenierung die Figuren der Oper mit einem anonymen Ölgemälde, das zwar einen namentlich nicht genannten Violinisten darstellt, der allerdings in der Regel als Vivaldi identifiziert wird. Wenn die Oper beginnt, sitzen die Protagonisten jeweils mit einer Maske dieses Bildes in einem schwarzen Umhang auf weißen Schemeln vor der weißen Wand und schlüpfen erst am Ende der Sinfonia quasi in ihre Rollen, indem sie die Maske und den Umhang ablegen. Dieses Bild wird am Ende der Inszenierung wieder aufgegriffen, wenn das Volk über die mögliche Begnadigung Licidas entscheiden soll. Dann wird im Hintergrund der Bühne ein weißer Kasten sichtbar, in dem die weißen Schemel mit den abgelegten Umhängen und Masken in einer Reihe aufgestellt sind, auf denen die Protagonisten, nachdem sie den Umhang umgelegt und die Maske aufgesetzt haben, Platz nehmen. Zum Schlusschor des Volkes wird dieser Kasten langsam nach vorne gefahren, so dass Anfang und Schlussbild quasi einen Rahmen um die Geschichte bilden, was man als Erzählung aus Sicht des Komponisten deuten könnte. Einige Regie-Einfälle bleiben jedoch unklar. So erschließt sich beispielsweise nicht, wieso zur Ehrung des Siegers die Figuren alle mit einer Tasse Tee hinter den einzelnen Toren stehen. Ansonsten verzichtet Mentha jedoch größtenteils auf unnötige Mätzchen und erzählt die Geschichte stringent und nachvollziehbar, auch wenn man der Inszenierung eine gewisse Statik - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - nicht absprechen kann.

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Argene (Belinda Williams) will sich für den Geliebten Licida (Christiane Bassek) opfern (in der Mitte: Clistene (Marc-Olivier Oetterli), rechts: Alcandro (Tomasz Wija)).

Dass die Aufführung fast eine halbe Stunde länger als im Programmheft abgedruckt dauert, ist wohl vor allem Vivaldis Musik zuzuschreiben, die das Publikum so begeistert, dass es nach jeder Arie Szenen-Applaus gibt. Bei diesen wunderbaren Melodienbögen ist es beinahe schon eine Schande, dass dieses Barock-Juwel nicht häufiger auf den Bühnen zu erleben ist. Jede Figur kann hier mindestens eine Glanzarie präsentieren, die die Sängerdarsteller auf hohem Niveau umsetzen. Den größten Applaus ernten Ensemble-Mitglied LinLin Fan und Belinda Williams als Mitglied des Opernstudios. Fan schießt in der relativ kleinen Partie von Licidas Vertrautem Aminta ein regelrechtes Koloratur-Feuerwerk ab, das seinen Höhepunkt in der Arie im zweiten Akt erfährt, wenn Aminta die Liebe als den größten Wahnsinn bezeichnet. Zu dieser Arie wird der Orchestergraben hochgefahren, so dass Fan während ihres Gesangs quasi in Dialog mit den Musikern tritt. Williams begeistert als verschmähte Argene mit wunderschönem Mezzo, der vor allem durch seine Frische und Jugend besticht. Maren Engelhardt ist als Megacle leider stimmlich indisponiert, so dass Franziska Gottwald die Arien von der Seite einsingt und Engelhardt nur die Szene und die Rezitative übernimmt. Aber auch darüber lässt sich leicht hinwegsehen bzw. -hören, da einerseits Engelhardt die Leiden des jungen Mannes mit glaubhafter Leidenschaft darstellt und in den Rezitativen mit einer sauberen Stimmführung überzeugt und andererseits Franziska Gottwald die Arien, mit deren Einstudierung sie erst vier Tage vor der Premiere beginnen konnte, bravourös meistert.

Ulrike Schneider gefällt als leidende Aristea mit dunkel timbriertem Mezzo, und auch Christiane Bassek, Marc-Olivier Oetterli und Tomasz Wija überzeugen stimmlich und darstellerisch als Licida, Clistene und Alcandro. Jörg Halubek beweist nach Scarlattis Griselda in der vergangenen Spielzeit erneut, dass er ein Fachmann für Alte Musik ist, und verwandelt das Staatsorchester Kassel in einen barocken Klangkörper. So gibt es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Vivaldis Opern haben einen gewissen Suchtfaktor, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. Wenn man also nicht auf eine CD-Aufnahme dieses großartigen Werkes zurückgreifen will, sollte man sich diese Inszenierung in Kassel nicht entgehen lassen. (Weitere Termine: 13., 20. und 23. März 2013, 4. April 2013 und 2. Mai 2013 jeweils um 19.30 Uhr und 21. April 2013 um 18.00 Uhr)


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jörg Halubek

Inszenierung
Dominique Mentha

Bühne
Justyna Jaszczuk

Kostüme
Sabine Böing

Licht
Brigitta Hüttmann

Dramaturgie
Dr. Ursula Benzing

 

 

Staatsorchester Kassel

Statisterie des
Staatstheaters Kassel



Solisten

Clistene, König von Elis
Marc-Olivier Oetterli

Aristea, seine Tochter
Ulrike Schneider

Alcandro, sein Berater
Tomasz Wija

Argene, auch Schäferin Licori
Belinda Williams

Licida, Thronfolger von Kreta
Christiane Bassek

Megacle, sein Freund
Spiel und Rezitative
Maren Engelhardt
Arien
Franziska Gottwald

Aminta, sein Vertrauter
LinLin Fan



 


Weitere
Informationen

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Staatstheater Kassel
(Homepage)



Da capo al Fine

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