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Cavalleria rusticana

Melodramma in einem Akt
Libretto von Giovanni Targioni-Tozzetti und Guido Menasci
Musik von Pietro Mascagni

Pagliacci

Dramma in zwei Akten
Musik und Libretto von Ruggero Leoncavallo

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 17. November 2012
(rezensierte Aufführung: 25.11.2012)



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Eifersucht in Argentinien

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Dass ein Opernsänger während seiner aktiven Zeit auf der Bühne auch als Regisseur tätig sein kann, ist mittlerweile keine Seltenheit mehr. Bei den Pfingstfestspielen in Baden-Baden stellte beispielsweise Rolando Villazón mit seiner Inszenierung von Donizettis L'elisir d'amore unter Beweis, dass eine Personalunion von Hauptpartie und Regie einer Produktion nicht zum Nachteil gereichen muss (siehe auch unsere Rezension). Nachdem José Cura bereits 2009 in Liège die Umbauphase des Théâtre Royal als Samson in Saint-Saëns' Samson et Dalila mit großem Erfolg eingeleitet und ein Jahr später in Karlsruhe neben der Hauptpartie auch die Regie übernommen hatte, durfte seine neue Produktion der mittlerweile nahezu zu einer Einheit verschmolzenen Klassiker Cavalleria rusticana und Pagliacci zwar nicht den Wiedereinzug in das neu renovierte Opernhaus feiern, legte aber erneut Zeugnis vom hohen künstlerischen Niveau in Liège ab. Die Begeisterung über Curas Gesang und seine Inszenierung rissen das Publikum der rezensierten Nachmittagsvorstellung am Sonntag regelrecht von den Sitzen.

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Der Caminito in Buenos Aires als Ort der Handlung für die beiden Opern

Dabei ist es nicht außergewöhnlich, dass zwischen den zwei Opern, die sich erst mit den Jahren zu einer Art Diptychon entwickelt haben, von Seiten der Regie eine Verbindung hergestellt wird. So lässt Cura nicht nur beide Teile im gleichen Bühnenbild spielen und die Schauspieltruppe folglich auf dem gleichen Platz auftreten, auf dem vor der Pause die tödliche Auseinandersetzung zwischen Turiddu und Alfio begann, sondern baut auch einen Großteil der Protagonisten in beiden Teilen ein. Neddas Liebhaber Silvio arbeitet als Kellner in Mamma Lucias Taverne und ist für diese wie ein zweiter Sohn, so dass Mamma Lucia am Ende nicht nur ihren richtigen Sohn Turiddu verloren hat, sondern auch noch den Tod Silvios zu beklagen hat. Gerade deshalb legt Cura ihr die letzten Worte Canios "La commedia è finita" in den Mund. Auch Alfio und Lola treten als stumme Rollen im zweiten Teil des Abends auf und vermitteln dem Publikum Lolas bemitleidenswertes Schicksal nach Turiddus Tod. Das Volk missbilligt zwar, dass Alfio seine Frau misshandelt, ist aber nicht in der Lage oder bereit, ihm Einhalt zu gebieten, so dass man fast die bittere Erkenntnis haben könnte, dass Nedda im gemeinsamen Tod mit ihrem Geliebten Silvio ein gnädigeres Ende als Lola findet.

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Santuzza (Marie Kalinine) fleht Turiddu (José Cura) an, bei ihr zu bleiben, doch er hat nur noch Augen für Lola.

Eine besondere Bedeutung kommt in der Inszenierung auch den beiden Komponisten der Werke zu. Pietro Mascagni befindet sich fast die ganze Zeit als Beobachter auf der Bühne und scheint, das Geschehen als Inspiration für die von ihm komponierte Oper zu betrachten. Ein Bandoneon-Spieler leitet von dem ersten Stück zum zweiten über und spielt während der Pause die ganze Zeit argentinischen Tango, bevor dann Leoncavallo auftritt und den Prolog zu seiner Oper selbst singt, ein witziger Regie-Einfall, da Tonio ja normalerweise in diesem Prolog darauf hinweist, für den Librettisten und Komponisten zu sprechen. Wenn Cura in seiner Inszenierung also die beiden Komponisten auftreten lässt, ist es nur folgerichtig, Leoncavallo diesen Prolog in den Mund zu legen. Während Leoncavallo mit diesen Worten eigentlich seinen Kollegen Mascagni über den tragischen Ausgang des ersten Teils hinwegtrösten will, muss er im Verlauf des zweiten Teils erkennen, dass die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit verschwimmen und auch er genauso machtlos wie Mascagni ist, dem tragischen Geschehen Einhalt zu gebieten.

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Canios (José Cura) Truppe lädt das Volk (Chor) zum Schauspiel ein (auf dem Balkon oben links: Alfio (Elia Fabbian) und Lola (Alexise Yerna), im Publikum: Nedda (Sofia Soloviy), an den Laternen links: Tonio (Marco Danieli) und rechts: Beppe (Enrico Casari)).

Mit Blick auf das Bühnenbild hat sich Cura von seiner argentinischen Heimat inspirieren lassen und die Handlung in den Caminito verlegt, eine Fußgängerzone im Stadtteil La Boca in Buenos Aires. Dieser farbige Straßenzug, der auch italienisches Viertel genannt wird, fängt in seiner Volkstümlichkeit eine Atmosphäre ein, die einerseits die Handlung der beiden Opern in die heutige Zeit verlegt, andererseits die Stücke aber auch in ihrer Ursprünglichkeit belässt und einen Hauch alter Tradition atmet. Auf der rechten Bühnenseite sieht man ein Fresko aus dem Parque Lezama in Buenos Aires, das eine bunte Zirkusgruppe zeigt, die nicht nur in der Kostümierung an Canios Schauspieltruppe erinnert, sondern sich auch auf dem Vorhang befindet, der von Beppe und Tonio für die folgende Darbietung zwischen zwei Laternen aufgehängt wird. Im Hintergrund befindet sich eine Kirche, die bei Öffnung der Tore ein riesiges weißes Kreuz offenbart, um vor allem im ersten Teil einen religiösen Bezug herzustellen. Großes Lob gebührt auch der Lichtregie von Olivier Wéry, der das langsame Auf- und Untergehen der Sonne mit seinen unterschiedlichen Lichtstimmungen hervorragend einfängt. Die Kostüme von Fernand Ruiz sind ebenfalls liebevoll gestaltet.

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Aus Spiel wird Ernst: Canio / Pagliaccio (José Cura) will es wissen: Wer ist Neddas / Colombinas (Sofia Soloviy) Liebhaber?

Auch die musikalische Umsetzung lässt keine Wünsche offen. Da ist zunächst Paolo Arrivabeni zu nennen, der sich am Pult des Orchesters der Opéra Royal de Wallonie als wahrer Meister des Verismo entpuppt. So zaubert er mit dem Orchester großartige dramatische Bögen, die das Publikum den Atem anhalten lassen. Dem Chor unter der Leitung von Marcel Seminara gelingen ebenfalls große Momente. Alexise Yerna überzeugt vor allem darstellerisch als Lola, wenn sie von der lebenslustigen Frau der Cavalleria, die ihren Mann betrügt, zu der geschundenen und unterdrückten Ehefrau im zweiten Teil des Abends mutiert. Elia Fabbian gibt mit kräftigem Bariton einen grobschlächtigen Alfio, dessen Gewaltbereitschaft im Gegensatz zu dem schneeweißen Anzug steht, den er nach dem Tod Turiddus trägt. Mady Urbain stattet Mamma Lucia mit großem Mezzo aus und bewegt als gebrochene Frau nach dem Tod ihres Sohnes. Marco Danieli mimt einen absolut unsympathischen Tonio, wobei er stimmlich nicht voll überzeugen kann, so dass man froh ist, dass der Prolog von Philippe Rouillon als Leoncavallo mit markigem Bariton präsentiert wird. Enrico Casari und Gabriele Nani gefallen als Beppe und Silvio mit lyrischem Tenor.

Großartig sind auch die beiden weiblichen Hauptpartien besetzt. Marie Kalinine überzeugt als Santuzza mit dramatischem Sopran und zeichnet ein glaubhaftes Bild einer verbitterten Frau, deren Zurückweisung in Hass umschlägt, der letztendlich die Katastrophe heraufbeschwört. Warum Kalinine jedoch zum Schlussapplaus als hochgradig Schwangere auftreten muss, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich hat man nicht den Eindruck, dass nach dem ersten Teil so viel Zeit vergangen ist, dass Santuzza nun kurz vor der Entbindung stehen dürfte. Sofia Soloviy begeistert als Nedda mit warmem Sopran und intensivem Spiel. Und dann ist natürlich noch José Cura zu nennen, der nicht nur für die Regie und das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, sondern auch noch die beiden Partien Turiddu und Canio übernommen hat und damit unter Beweis stellen kann, dass er nicht nur ein guter Regisseur, sondern auch ein hervorragender Verismo-Interpret ist. Mit scheinbarer Leichtigkeit hält er die Töne, singt nahezu ohne bemerkbare Anstrengung die hohen Passagen wunderbar klangschön aus, so dass auch das berühmte "Vesti la giubba" in einer Qualität erklingt, wie man es von zahlreichen CD-Einspielungen gewohnt ist. So gibt es am Ende für alle Beteiligten großen Applaus, der bei Curas Auftritt nahezu in einen Orkan übergeht.

FAZIT

José Cura verzaubert das Publikum stimmlich und mit einer Inszenierung, die keinerlei Wünsche offen lässt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Arrivabeni

Inszenierung und Bühne
José Cura

Kostüme
Fernand Ruiz

Licht
Olivier Wéry

Chorleitung
Marcel Seminara


Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Cavalleria rusticana

Turiddu
José Cura

Santuzza
Marie Kalinine

Alfio
Elia Fabbian

Lola
Alexise Yerna

Mamma Lucia
Mady Urbain

Mascagni
Christian Waldner

Pagliacci

Nedda / Colombina
Sofia Soloviy

Canio / Pagliaccio
José Cura

Leoncavallo
Philippe Rouillon

Tonio / Taddeo
Marco Danieli

Beppe / Arlecchino
Enrico Casari

Silvio
Gabriele Nani

Primo contadino
Alexei Gorbatchev

Secondo contadino
Carmelo de Giosa

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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