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Musiktheater
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Stradella

Oper in drei Akten
Libretto von Emile Deschamps und Emilien Pacini
Musik von César Franck in einer Orchestrierung von Luc van Hove

In französischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Palazzetto Bru Zane

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 21. September 2012



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Bühnenzauber im wiedereröffneten Opernhaus

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Nach drei Spielzeiten ist es endlich soweit. Das Théâtre Royal eröffnet nach umfangreichen Umbaumaßnahmen seine Pforten und empfängt die Zuschauer wieder im Herzen der Altstadt, nachdem ein riesiges Zelt am Rande der Stadt, der Palais Opéra, drei Spielzeiten als räumlich durchaus akzeptable Aushilfsspielstätte fungiert hat, in der nur die Akustik bisweilen zu wünschen übrig ließ. Dabei erkennt man das Théâtre Royal von außen beinahe gar nicht wieder. Zum einen erstrahlt die neoklassische Fassade durch einen hellen Anstrich in neuem Glanz, zum anderen ragt in der Mitte des Gebäudes ein riesiger moderner rechteckiger Aufbau empor, der erahnen lässt, dass der Schnürboden ausgebaut worden ist. Auch der Zuschauerraum ist insgesamt um 100 Plätze aufgestockt worden. Nur in der Pause sehnt man sich vielleicht nach dem weitläufigen Foyer und dem umfangreicheren kulinarischen Angebot im Palais Opéra zurück.

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Der Herzog (Philippe Rouillon, links) und Spadoni (Werner van Mechelen, 2. von links) lassen Léonore (Isabelle Kabatu mit Mitgliedern des Herrenchors) entführen.

Zur Wiedereröffnung sollte es natürlich etwas ganz Besonderes geben, und deswegen hat man sich entschieden, mit César Franck einen "Sohn" der Stadt auszuwählen, der zu den bedeutendsten Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Klavier- und Orgelmusik gilt. Francks vier Opern hingegen sind völlig unbekannt. Zu seinem Jugendwerk Stradella, das er als Schüler des Pariser Konservatoriums um 1841 auf eine Vorlage der 1837 in Paris uraufgeführten gleichnamigen Oper von Louis Niedermeyer komponierte, wobei Franck sich auf Niedermeyers zweite dreiaktige Fassung aus dem Jahr von 1840 bezog, existiert allerdings nur ein Klavierauszug mit Gesangsstimmen. Deswegen wurde der zeitgenössische belgische Komponist Luc van Hove, der unter anderem 2008 für die Vlaamse Opera La Strada, eine Oper nach dem gleichnamigen Film von Federico Fellini komponierte, engagiert, um eine Orchestrierung des vorliegenden Klavierauszugs vorzunehmen. Dabei bemühte sich van Hove, der ursprünglichen Komposition möglichst nahe zu kommen und sich von sämtlichen späteren musikalischen Einflüssen zu lösen. Herausgekommen ist dabei ein Werk, das musikalisch den Duft der romantischen Oper des 19. Jahrhunderts atmet und das die Opéra Royal de Wallonie zu Recht bei der Wiedereröffnung als Welturaufführung anpreisen kann.

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Stradella (Marc Laho, Mitte) befreit Léonore (Isabelle Kabatu) aus dem Palast des Herzogs (Philippe Rouillon, rechts).

Die Handlung geht zurück auf Alessandro Stradella, der als Sänger und Komponist des Hochbarocks in Italien mit seinen zahlreichen amourösen Abenteuern zu einem Mythos des Lebemanns stilisiert wurde, so dass er zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Kunst, der Musik, der Literatur und auf den Bühnen eine regelrechte "Stradellamanie" auslöste. Francks Version spielt in Venedig und handelt von Stradellas Liebe zu Léonore, einer schönen Waise, die der Herzog von Pesaro entführen lässt, um sie zu erobern. Allerdings engagiert der Herzog Stradella in der Hoffnung, mit dessen Gesang die Abweisung der jungen Frau in Liebe umzuwandeln. Stradella hingegen gelingt mit Léonore die Flucht aus dem Palast. Daraufhin beschließt der Herzog, Stradella ermorden zu lassen. Nachdem die beiden gedungenen Mörder Pietro und Michael zunächst den Preis für das Attentat in die Höhe getrieben haben, erkennen sie beim Gesang Stradellas, dass sie diesen Auftrag nicht ausführen können. Aber nicht nur sie werden von Stradellas Liedern gerührt. Auch der Herzog kann sich wie das restliche Volk dem Zauber von Stradellas Gesang nicht entziehen und gibt dem Paar seinen Segen.

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Pietro (Xavier Rouillon, links) und Michael (Giovanni Iovino, 2. von links) lauern Stradella (Marc Laho, rechts) auf (im Hintergrund: Chor).

Beim Bühnenbild von Vincent Lemaire kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass im renovierten Haus alles gezeigt werden soll, worauf man in den drei Spielzeiten im Zelt aufgrund der eingeschränkten Bühnenmöglichkeiten verzichten musste. Die neue Höhe des Schnürbodens wird eindrucksvoll durch eine riesige schwarze Spiegelscheibe demonstriert, die herabgelassen wird und so gekippt wird, dass sie den Bühnenboden reflektiert und auf diese Weise eindrucksvolle Dopplungen entstehen. Des Weiteren ist die ganze Bühne geflutet, so dass die Sänger teilweise durch kniehohes Wasser waten. Einzelne Stege können dabei herauf- und herabgelassen werden. Die Beleuchtung von Nicolas Olivier tut ihr Übriges, um in prächtigen Farbschattierungen mit dem Flimmern des Wassers grandiose Bilder zu erzeugen, die mit einem strahlenden Vollmond eine schimmernde nächtliche Atmosphäre hervorrufen können. Ein herabgelassener Prospekt symbolisiert in unterschiedlichen Farben mit weißen Kumuluswolken den Himmel. Schon allein für diese Bilder und die herrliche Musik lohnt sich ein Besuch dieser Produktion, auch wenn sich Jaco van Dormael in seiner Inszenierung einige Freiheiten nimmt, die mit dem Libretto nicht im Einklang stehen.

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Apotheose unter Wasser: Léonores (Fatou Traoré) und Stradellas (Statist) Double

Da der historische Stradella, nachdem er wegen seiner Eskapaden aus Venedig fliehen musste, einem Attentat zum Opfer gefallen sein soll, entscheidet sich van Dormael gegen ein vermeintliches Happy End und lässt die beiden gedungenen Mörder Pietro und Michael ihren Auftrag ausführen. Léonore stirbt in der Inszenierung vor Aufregung, weil sie den geplanten Mord vereiteln will, und es kommt zu einer Wiedervereinigung im Jenseits, der auch der Herzog seinen Segen gibt. Der Chor, der die Liebe der beiden preist, tritt als Trauerchor auf. Dazu sieht man in einer leuchtenden weißen Scheibe unter Wasser, die durch den riesigen Spiegel reflektiert wird, wie Léonores und Stradellas Double zueinander finden. Das ist optisch alles wunderschön, passt aber weder zum gesungenen Text noch zur Musik, da Stradella und Léonore auch nach ihrem von der Regie inszenierten Bühnentod aus dem Off zu hören sind. Genauso unklar bleibt, wieso am Ende ein riesiger Clownfisch in den Zuschauerraum fliegt. Da hat man den Bühnenzauber im neuen Haus vielleicht ein bisschen übertrieben.

Auch van Dormaels Personenregie ist nicht immer nachvollziehbar. Während der Ouvertüre watet eine nackte Frau durch das Wasser, öffnet einen Koffer und lässt durch zwei Stangen riesige Seifenblasen entstehen, die dann wie Illusionen platzen. Für das Spiel der Solisten und des Chors stellt das Wasser auf der Bühne bisweilen ein enormes Hindernis dar. Besonders die Fluchtszene aus dem Palast des Herzogs verpufft, weil szenisch eigentlich gar nicht klar wird, wieso Léonore und Stradella jetzt eigentlich entkommen sollen. Und was sollen bitte die riesigen schwarzen Ballons, die am Mantel des Herzogs befestigt sind und über seinem Kopf schweben? Genauso unklar bleibt der Mann im Mond, der in barocker Optik in den Vollmond auf dem Prospekt projiziert wird und den Text des Chors mitsingt. Léonore hingegen im zweiten Akt wie in einer Art goldenem Käfig zu präsentieren, und sie vom Chor, der hinter riesigen Flügelfenstern steht, begutachten zu lassen, ist szenisch genauso gut umgesetzt wie der überdimensionale Schatten eines Gesichtes, der auf der Rückwand Léonore und Stradella in der gleichen Szene zu beobachten scheint und ihr zukünftiges Glück in Frage stellt.

Während man sich über die wiedergewonnene Akustik des Hauses freut, die nicht mehr durch Straßengeräusche oder irgendein Gebläse gestört wird, lässt die musikalische Seite einige Wünsche offen. Marc Laho wirkt in der Titelpartie stellenweise ein bisschen überfordert. Zwar gelingen ihm in den anspruchsvollen Arien lyrische Bögen, in den Höhen und am Ende der großen Arie des dritten Aktes geht ihm aber die Luft aus, so dass er noch größere Reserven bräuchte, um glaubhaft umzusetzen, was die Stimme Stradellas beim Zuhörer bewirken soll. Isabelle Kabatu verfügt als Léonore über einen kraftvollen Sopran, der stellenweise zu dramatisch klingt und mit übertriebenem Vibrato die Jugendlichkeit der Partie vermissen lässt. Eindrucksvoll gestaltet sie ihre Arie im dritten Akt kurz vor ihrem Tod, wenn sie beschließt, die Mörder aufzuhalten, indem sie durch die geschickte Lichtregie scheinbar im Wasser verschwindet und dann ihr Double unter der leuchtenden Scheibe wieder auftaucht. Der Chor, der Stradella im ersten Akt als Schüler begleitet, klingt extrem schwach, so dass es nicht glaubhaft wirkt, dass ein so großer Sänger wie Stradella diese Schüler wirklich ausbilden würde. Die Rolle des Beppo hätte besser mit einem Mezzo besetzt werden sollen - die Rolle war bereits bei Franck als Hosenrolle angelegt -, da Patrick Mignon mit den Höhen überfordert ist.

Keine Abstriche sind bei Werner van Mechelen als Spadoni und Philippe Rouillon als Le Duc zu machen, die die beiden Partien mit markantem, kräftigem Bass ausstatten. Auch Xavier Rouillon als Pietro und Giovanni Iovino als Michael gefallen mit schönen Stimmen und komödiantischem Spiel, wobei van Dormael ihnen darstellerisch einiges abverlangt, wenn er sie permanent im kniehohen Wasser schwimmen lässt. Der von Marcel Seminara homogen einstudierte Chor weiß ebenfalls stimmlich und darstellerisch zu punkten. Paolo Arrivabeni lässt mit der Orchester der Opéra Royal de Wallonie aus dem Orchestergraben deutlich werden, wie froh man ist, wieder im Stammhaus spielen zu dürfen, so dass auch die lyrischen leisen Momente wieder ohne störende Zwischengeräusche ausgekostet werden können. Am Ende gibt es verdienten Applaus für die Sänger und das Orchester und - mit Ausnahme von vereinzelten Buhrufen - großen Zuspruch für die Inszenierung, die in der Schönheit der Bilder fasziniert, auch wenn sie der Aussage des Stückes nicht in allen Punkten gerecht wird.


FAZIT

César Francks Opernschaffen hat musikalisch eine Wiederentdeckung verdient. Vielleicht sollte man bei einem völlig unbekannten Stück aber inhaltlich doch bei der Vorlage bleiben und das Ende nicht abändern.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Arrivabeni

Inszenierung
Jaco van Dormael

Bühne
Vincent Lemaire

Kostüme
Olivier Beriot

Licht
Nicolas Olivier

Chorleitung
Marcel Seminara

Choreographie
Flavia Mangani

Dramaturgie
Daniel Deffense


Chor und Statisterie der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Stradella
Marc Laho

Léonore
Isabelle Kabatu

Spadoni
Werner van Mechelen

Le Duc
Philippe Rouillon

Pietro
Xavier Rouillon

Un Officier
Roger Joakim

Michael
Giovanni Iovino

Beppo
Patrick Mignon

Double de Léonore
Fatou Traoré


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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