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La fanciulla del West
(Das Mädchen aus dem goldenen Westen)


Oper in drei Aufzügen
Text von Guelfo Civinini und Carlo Zangarini
(nach dem Schauspiel The Girl of the Golden West von David Belasco)
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit französischen, flämischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (zwei Pausen)

Koproduktion der Opéra Royal de Wallonie
mit dem Teatro Massimo in Palermo und der San Francisco Opera
Premiere im Theatre Royal de Liège am 22. Februar 2013

Rezensierte Aufführung: 2. März 2013



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Indispositionspech

Von Thomas Tillmann / Fotos von der Opéra Royal de Wallonie


Vergrößerung Minnie (Deborah Voigt) im Kreise ihrer Jungs.

Es hätte so schön werden können: Ich liebe die Lütticher Oper (die seit einigen Jahren nun auch in neuem Glanz erstrahlt), ich liebe Puccinis La Fanciulla del West, und die Besetzung, die man aufgeboten hatte, war ja zumindest auf dem Papier auch eine illustre: Deborah Voigt hat die Titelrolle in Chicago, San Francisco und New York gesungen, mit großem Erfolg dem Vernehmen nach, obwohl sich bei mir das ganz große Glück schon beim Anschauen der diversen Videoclips nicht einstellte. Ähnliches gilt für Carl Tanner, der gleichermaßen eine bemerkenswerte internationale Karriere macht und namentlich als Dick Johnson etwa an der Met engagiert war. Beide Stars ließen sich nun in der besuchten Sonntagsnachmittagsvorstellung als indisponiert ansagen - ein jahreszeitlich bedingter grippaler Infekt hatte die Runde im gesamten Ensemble gemacht. Was macht man da als Rezensent, der ja nur diese eine Vorstellung zu sehen bekommt? Wie sind das Zutiefsingen der Starsopranistin bei den Spitzentönen oder ihr Vermeiden an den heiklen Stellen zu werten, wie die Probleme also, die sich auch bei den diversen Dokumenten mindestens ansatzweise bemerken lassen und die damit vielleicht doch grundsätzlicherer Natur sind? Nach der Leistung dieses Nachmittags jedenfalls scheint mir der Titel „preeminent dramatic soprano“, mit dem man auf der Homepage von Frau Voigt begrüßt wird, nicht gerechtfertigt, ich habe in der Puccini-Rolle auch nicht "the greatest living interpreter of the dramatic heroines of Wagner and Richard Strauss" gehört (so urteilte Musical America), sondern eine besonders im Forte nicht besonders große (und das in einem doch recht kleinen Haus wie dem Théâtre Royal, wie funktioniert das etwa im Ring-Zyklus an der Met im April?), nicht besonders farbige Stimme, die keinen unbeträchtlichen Wobble aufweist, die nicht frei von unschönen Schärfen ist und die insgesamt ein wenig verbraucht wirkt und die im zarten Piano der intimeren Momente wie etwa der Bibelszene noch am angenehmsten klingt. Auch darstellerisch kam die Amerikanerin über sehr Pauschales nicht hinaus, und auch auf die Gefahr hin, als uncharmant gescholten zu werden, muss ich hinzufügen, dass diese Minnie sich mit dem ersten Kuss wirklich keine Sekunde mehr Zeit hätte lassen dürfen.

Vergrößerung

Minnie (Deborah Voigt) hat sich Hals über Kopf in Herrn Johnson aus Sacramento (Carl Tanner) verliebt.

Carl Tanner brauchte eine Menge Kraft für seine Spitzentöne, und leider ist er auch weit davon entfernt, ein spielfreudiger, überzeugender Darsteller zu sein - viel mehr lässt sich angesichts der dargestellten Umstände leider nicht sagen. Die im Netz verfügbaren Mitschnitte lassen einen robusten, dunkelgetönten, aber nicht besonders differenziert eingesetzten Tenor erkennen, den man in der besprochenen Vorstellung nur in sehr reduzierter Qualität zu hören bekam. Schwer zu beurteilen ist auch, inwieweit Gianluigi Gelmetti auf die beiden beeinträchtigten Protagonisten Rücksicht nahm: So duftig und fein austariert, so atmosphärisch und dicht das Spiel des hervorragend vorbereiteten und erstklassig, aber eben auch sehr kontrolliert und mitunter auch etwas gedämpft musizierenden Orchesters auch war, an der einen oder anderen Stelle hätte man sich doch etwas mehr "Peng" gewünscht, und so kam in dieser Vorstellung auch im Graben nicht die ganze große Fanciulla-Stimmung auf.

Vergrößerung Sheriff Jack Rance (Carlos Almaguer) ist sicher, dass Minnie (Deborah Voigt) den angeschossenen Ramerrez (Carl Tanner, oben auf dem Bett) versteckt.

Kraftstrotzend, aber nicht polternd präsentierte sich Carlos Almaguer mit gesundem, klangvollem Bariton als Jack Rance, der vokal aber auch einige sehr sensible Momente beizusteuern wusste. Vielleicht hätte er wie das Paar auch noch mehr Unterstützung von Regisseur Lorenzo Mariani gebraucht, der sich zwar durchaus klug und überzeugend zum Werk geäußert und die Geschichte von Individuen, die ihre Heimat verlassen, um anderswo ein besseres Leben zu beginnen, als sehr modern bezeichnet hat, aber eben doch über eine sehr zahme, traditionelle, die Klischees bedienende und etwas altmodisch anmutende Inszenierung nicht hinauskam. Zu Beginn sieht man einige Minenarbeiter in luftigen Höhen aufgehängt an einer Felsenwand (Bühnenbild: Maurizio Balò), die Polka entsteht sozusagen vor den Augen der Zuschauer und wird von den Kneipengästen selber zum "Real home for the boys" aufgehübscht, die sich in traditionellen Kostümen von Gabriel Berry immer wieder in schönen Tableaus aufstellen, um wie die Protagonisten in akustisch günstigen Positionen mit direktem Blick ins Publikum und auf den musikalischen Leiter agieren und singen zu können. Und wenn sich am Ende des ersten Aktes die Felswand teilt und die seufzende Minnie in gelbes Licht getaucht wirkt, dann wird das der eine oder andere nicht zu Unrecht als reichlich kitschig empfinden. Nicht sehr gelungen fand ich auch, dass Minnies Behausung sehr offen in der Bühnenmitte platziert war und alle Personen gleichermaßen zwischen den Schrankkoffern auftauchten, und auch das echte Pferd, auf dem die Protagonistin im dritten Akt sitzt, empfand ich als überflüssig. Kein schlechter Einfall war es indes, dass Jack Rance im Schlussbild nach dem in der Bühnenmitte für Dick Johnson installierten Strick respektive der Schlinge greift, von solchen Ideen hätte man sich mehr gewünscht.

Vergrößerung

Minnie (Deborah Voigt) pokert mit Rance (Carlos Almaguer) um das Leben ihres Geliebten.

In den kleineren Rollen taten sich vor allem Roger Joakim als berührender Sonora und Luciano Montanaro als präsenter Ashby hervor, und auch die seit so vielen Jahren in allen möglichen Rollen in Liège präsente Alexise Yerna machte alles aus der kurzen Partie der Wowkle, während ich angenehmer klingende Tenöre als den von Willem van der Heyden als Nick gehört habe. Ein großes Kompliment verdienen dagegen nicht nur die vielen Solisten des von Marcel Seminara betreuten Chores, sondern das gesamte Kollektiv.



FAZIT

Eine alles in allem ordentliche Fanciulla gab es da in Liège zu sehen und zu hören, aber eben keine herausragende. Immerhin, das Publikum hatte die Chance, diese verkannte Puccini-Oper nach über dreißig Jahren wieder einmal zu erleben. Und vielleicht waren die Stars ja in den anderen Vorstellungen auch wirklich deutlich besser als an diesem Nachmittag.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gianluigi Gelmetti

Inszenierung
Lorenzo Mariani

Bühne
Maurizio Balò

Kostüme
Gabriel Berry

Chor
Marcel Seminara

Licht
Christian Pinaud

Chor und Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten


Minnie
Deborah Voigt

Ramerrez (Dick Johnson)
Carl Tanner

Jack Rance
Carlos Almaguer

Nick
Willem van der Heyden

Ashby
Luciano Montanara

Sonora
Roger Joakim

Sid
Pierre Gathier

Bello
Patrick Delcour

Wowkle
Alexise Yerna

José Castro
Jacques Calatayud

Billy Jackrabbit
Chris de Moor

Trin
Lilo Farrauto

Harry
Xavier Petithan

Joe
Jacques Daise

Happy
Alexei Gorbatchev

Larkens
Patrick Pircak

Jake Wallace
Marc Tissons

Ein Postbote
Stefano de Rosa

Ein Bariton
Benoit Delvaux



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)



Da capo al Fine

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