Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Il barbiere di Siviglia 

Komische Oper in zwei Akten    
Libretto von Cesare Sterbini nach dem Schauspiel Le Barbier de Séville
ou la précaution inutile von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais
Musik von Gioacchino Rossini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln  

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 8. 9. 2012

              
Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Hintersinnig, spritzig, unterhaltsam       


Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jochen Quast

Mit der Aaron Stiehl-Inszenierung von Rossinis Barbiere ist dem neuen Intendanten des Theater Münster Ulrich Peters ein zündender Einstieg in die Spielzeit 2012 gelungen.

"Figaro qua, Figaro là, Figaro su, Figaro giù…." Auf dem Höhepunkt seiner Arie sollte die plappernde, musikalisch berauschende Selbstverliebtheit des Haar-"Künstlers" Figaro eigentlich ein Ende finden. Denn seine Kunden sind zunehmend verärgert: Da wird plötzlich - sozusagen als besondere Persönlichkeit des öffentlichen Lebens - ein Hund hereingetragen, lässt sich widerstandslos das Fell "bearbeiten" und in einen Kurzhaar-Vierbeiner verwandeln. Da muss eine Kundin anstelle ihrer eigentlichen Lockenpracht mit unspektakulär glattem, einfachen Stufenschnitt Vorlieb nehmen. Münsters Premierenpublikum lachte und tobte vor Begeisterung.

Bild zum Vergrößern

Lisa Wedekind und Youn-Seong Shim

Und das ist nur ein Beispiel für die überschäumende Spielfreude und den entlarvenden Witz, mit dem Regisseur Aaron Stiehl die musikalische Situationskomik der Rossini-Oper in Szene setzt. Stiehl verlegt die 1816 in Rom uraufgeführte komische Oper in eine geldgierige, von Oberflächlich- und Äußerlichkeiten sprühende, biedere Gesellschaft: Die schlichte, graue Hausfassade der 1.Szene entpuppt sich als Schönheits- und Gruselkabinett des Dr. Bartolo. Er, der als alter Junggeselle um sein junges, attraktives Mündel Rosina wirbt und sie vor der Welt und ihren männlichen Verlockungen fernzuhalten versucht, nutzt selbst jede Gelegenheit für ein erotisches Abenteuer. Don Basilio, Bartolos ahnungslos und wunderbar schmierig wirkender, mit Asthmaspray ausgestatteter Helfershelfer, zeigt in der Verleumdungsarie "La calunnia è uno venticello" die gesellschaftlichen Vorzüge der Ränke- und Gerüchteschmiede auf, während Rosina, Bartolos raffinierte, mit Servierschürzchen und hochhackigen Pumps bekleidete Assistentin mit boshaft kommentierenden Gesten dem sozio-kulturellen Gesellschaftsbild die Krone aufsetzt. Kostüme und Langhaarfrisuren spiegeln Glamour und Biederkeit der 1970er Jahre. Der schrillste von Allen ist Figaro mit Rüschenhemd und poppig pinkfarbenem Anzug.

Bild zum Vergrößern

Youn-Seong Shim, Plamen Hidjov, Juan Fernando Gutiérrez

Mit pädagogischem Geschick baut Stiehl seine kritische Gesellschaftssatire auf. Im Sprechzimmer des Dr. Bartolo hängen Nachbildungen des Lampenhimmels des münsterschen Theaters. Und vor Beginn des 1. und 2. Aktes gibt's Publikumsbelustigung: Berta, die Haushälterin Bartolos, plaudert zum Pausenende aus dem "Nähkästchen". Süßigkeiten werden zu Beginn der Oper in den Orchestergraben und ins Parkett geworfenen. Und Fiorillo, der Diener Almavivas, holt Orchestermusiker aus dem Graben, die sich beamtenmäßig umständlich und langsam an den in der ersten Reihe sitzenden Zuschauern vorbeidrängeln und wunderbar zur anschließenden, gräflichen Kavatine auf der Bühne aufspielen. Die folgende Szene nutzt Stiehl folgerichtig, um lärmende Lohnforderungen - nicht Dankbarkeit wie es der italienische Text vermuten lassen könnte - anzudeuten. Bühnen- und Kostümbildner Fritz Eggert setzt Drehbühne und Seitenprospekt ein, um den Zuschauer immer wieder mit nahtlos aneinandergereihten neuen Räumlichkeiten und Apparaturen des Schönheits- und Gruselkabinetts zu überraschen. Witzig, spritzig werden hier Fortschrittsgläubigkeit sowie vermeintlich technische Unfehlbarkeit aufs Korn genommen.

Zugleich verwandelt Stiehl die Komik der Takt akzentuierten und automatisierten Rossini-Musik in mechanische Bewegungsmuster. Während zunächst, an den entsprechenden statischen Stellen der Musik, hier und da Einzelne beginnen, sich als selbstentfremdet und fremdbestimmt wahrzunehmen, ungewollte Hand- oder Kopfbewegungen ihres Körpers zu bemerken und auszuführen, entwickeln sich die ratternden Finali zu wunderbar grotesken, in Zeitlupe ausgeführten Maschinen-Choreographien.

Bild zum Vergrößern

Juan Fernando Gutiérrez und Statisterie

Das Theater Münster präsentiert sich zu Beginn der neuen Intendanz mit einem ungewöhnlich spielfreudigen, auch in den kleinen Rollen passend ausgewählten Sängerensemble, das mit transparenten, musikalisch gestalteten Ensembles glänzt. Hinzu kommt ein ebenso homogen und transparent spielendes, die Rossini-Musik effektvoll steigerndes Orchester unter der Leitung Fabrizio Venturas. Bass-Bariton Lukas Schmid ist ein wunderbar dunkel gefärbter, sonorer Don Basilio mit weich angesetzten Spitzentönen, Youn-Seong Shim ein mit kräftigem, klangvollem Timbre ausgestatteter Tenor, der mit lyrisch geschwungenen Belcanto-Verzierungen oder jubelnden Koloraturen seine Angebetete zu verführen weiß. Wohlklingend und gewandt, mit weltmännischen Gesten meistert Bariton Juan Fernando Gutiérres die ausgedehnten, unterschiedlichen Gesangspassagen der Prachtarie des Figaro. Plamen Hidjov überzeugt als spielfreudiger Bartolo, der mit schnell plapperndem Buffo-Ton auftrumpft und alte Hits seiner Jugend mit ungelenker Stimme darzustellen weiß. Ebenso spielfreudig gestaltet Lisa Wedekind die Rolle der liebreizenden, gewitzten Rosina, bezaubert mal mit weichem Mezzosopran und schönem Schmelz, mal mit klangvollen Verzierungen, Koloraturen und Läufen das Publikum.
Langanhaltender Applaus und Bravi waren die Belohung für einen großartigen Opernabend.

FAZIT

Eine sängerisch gut besetzte, von Aaron Stiehl hintersinnig und spielerisch inszenierte Aufführung


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam


Musikalische Leitung
*Fabrizio Ventura /
Hendrik Vestmann
 
Inszenierung
Aaron Stiehl

Bühne und Kostüme
Friedrich Eggert

Chor
Inna Batyuk

Dramaturgie
Jens Ponath   



Herren des Opern- und Extrachores

Statisterie

Sinfonieorchester Münster

Solisten

Graf Almaviva
Youn-Seong Shim

Figaro
Juan Fernando Gutiérres

Bartolo
Plamen Hidjov

Rosina
Lisa Wedekind

Don Basilio
Lukas Schmid

Fiorillo
Fritz Steinbacher

Berta
Stefanie Smits

Offizier
Frank Göbel

Notar
Thomas Holnienkemper



Weitere Informationen

erhalten Sie vom
Theater Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -