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Musiktheater
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Macbeth 

Tanztheater von Hans Henning Paar
Musik von Julia Wolfe, Arvo Pärt, Iannis Xenakis, Philip Glass und Osvaldo Golijov
Uraufführung


Aufführungsdauer: ca. 1 h 25' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 13.10. 2012

              
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Theater Münster
(Homepage)
Grandioser Einstand mit packendem Handlungsballett       


Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski

Noch bevor der neue künstlerische Leiter Hans Henning Paar dem Publikum in Münster sein neu aufgestelltes TanzTheaterMünster in einer Inszenierung vorstellen konnte, waren schon dunkle Wolken über dem Theater Münster aufgezogen. Sparauflagen für die kommenden Spielzeiten brachten eine mögliche Spartenschließung des Tanztheaters ins Gespräch, obwohl der neue Intendant Dr. Ulrich Peters die Compagnie mit Beginn der Spielzeit von neun auf zwölf Tänzerinnen und Tänzer erweitert hatte. Doch Paar lässt sich von solchen Diskussionen - zunächst noch nicht - demotivieren. Erstens habe er einen Fünf-Jahres-Vertrag, den die Stadt einhalten müsse, und zweitens die Rückendeckung des Intendanten, mit dem er ja gemeinsam vom Gärtnerplatztheater in München nach Münster gewechselt ist und der stets den besonderen Stellenwert der Tanztheatersparte betont habe. Drittens, und das ist viel entscheidender, wolle er mit seiner Arbeit das Publikum so begeistern, wie es ihm mit seinen Handlungsballetten bereits am Gärtnerplatztheater gelungen ist (siehe auch unsere Rezension zu Das Schloss aus der Spielzeit 2010 / 2011), und damit vielleicht auch die Politiker von der Notwendigkeit des Tanztheaters in Münster überzeugen. Mit seiner ersten Produktion dürfte er diesem Ziel bereits einen Schritt näher gekommen sein.

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Die drei Hexen (Anna Caviezel, Sandra Guénin und Vladimir de Freitas) warten auf Macbeth.

Nach Romeo und Julia und Ein Sommernachtstraum widmet sich Paar nun zum dritten Mal für seine Choreographie einer Vorlage Shakespeares. Dass die Wahl dabei auf Macbeth fiel, mag zum einen mit der aktuellen politischen Situation in Syrien und einigen afrikanischen Staaten zusammenhängen, in denen die erschreckenden Bilder von Diktatoren, die ihr Volk knechten und täglich mit neuen Gräueltaten moralische Grenzen überschreiten, aufzeigen, dass das Drama, in dem sich ein eigentlich tapferer Edelmann zu einem blutrünstigen Tyrannen entwickelt, nichts von seiner Aktualität und Brisanz eingebüßt hat. Zum anderen dürfte der Bekanntheitsgrad der literarischen Vorlage das Publikum neugierig machen, wie dieser Stoff in einem Tanzabend umgesetzt wird. Paar folgt in seiner Inszenierung mit entsprechenden Kürzungen relativ genau dem Handlungsablauf bei Shakespeare und hat von zeitgenössischen Komponisten Musik ausgewählt, die den Grundton der einzelnen Bilder genau treffen. So kennzeichnen die perkussiven Klänge von Iannis Xenakis "Psappha" ebenso gut wie Julia Wolfes unheimlich flirrende Musik aus "Cruel Sister" und "Fuel", die die diversen Mordszenen untermalt, die Atmosphäre des Stückes.

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Lady Macbeth (Ako Nakanome) überredet ihren Mann (Cornelius Mickel) zum Königsmord.

Anna Siegrot verwendet für ihr Bühnenbild zahlreiche lange Holzstangen, die aus dem Schnürboden in einem Halbrund herabgelassen werden und mehrere Funktionen erfüllen. Zum einen wird durch das Aneinanderschlagen dieser Stangen eine weitere Klangebene erzeugt, wenn die Tänzer durch diese Stangen auf- oder abgehen. Zum anderen lassen sich diese Stangen in eine Art beweglichen Wald verwandeln, der durch das Vorrücken der Soldaten letztendlich zu Macbeths Sturz führt. Auf weitere Bühnenelemente wird verzichtet. So wird beispielsweise das Bett, in dem König Duncan ermordet wird, vom Ensemble dargestellt, das nach dem Tod des Königs allmählich auseinanderfällt und als Chor die Missetat Macbeths herausschreit. Hinter den Holzstangen befindet sich wahlweise ein schwarzer oder weißer halbrunder Bühnenprospekt, wobei letzterer bei entsprechender Beleuchtung zu beeindruckenden Schattenspielen genutzt wird. Die Tänzerinnen und Tänzer stattet Siegrot in Schwarz aus, wobei die kurzen schwarzen Röcke der Männer wohl dem Ort der Handlung, Schottland, geschuldet sind. Lady Macbeth hebt sich in ihrem langen schwarzen Kleid deutlich von den anderen Figuren ab.

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Die Mörder (María Bayarri Pérez, links und Marcelo Moraes, rechts) verfolgen Banquo (Tommaso Balbo, Mitte).

Besondere Bedeutung haben in Paars Inszenierung die Hexen, die im Programmheft auch als Schicksalsschwestern bezeichnet werden. Mit ihren langen braun gelockten Haaren und den weiten Röcken haben sie in ihrer Bewegungssprache etwas Archaisches und wirken wie von einer höheren Macht gesteuert. Paar lässt sie zu den perkussiven Klängen von Xenakis in der jeweiligen Muttersprache der Tänzer Prophezeiungen ausstoßen und stöhnen, so dass sie einerseits animalisch, andererseits aber auch sehr naturverbunden wirken. Eindrucksvoll gelingt der Beginn des Abends, wenn sie sich langsam aus einem grünen Nebelschwaden, der über der Bühne liegt, herauslösen und in ekstatische Bewegungen verfallen. Anna Caviezel, Sandra Guénin und Vladimir de Freitas überzeugen dabei durch expressiven Ausdruck. Auch die Prophezeiung in der vierten Szene wird bewegend umgesetzt, wenn sie Tommaso Balbo als Banquo zum künftigen Ahnherrn zahlreicher Könige erheben und Cornelius Mickel als Macbeth die Herrschaft vorhersagen. In dieser Szene gelingt den Tänzern ohne Worte eine Bildersprache, die jeder nachvollziehen kann.

Cornelius Mickel stellt den Wandel vom angesehenen schottischen Edelmann zum wahnsinnigen Mörder absolut glaubhaft dar. Fühlt er sich von den Weissagungen der Hexen bis jetzt nur geschmeichelt, ist es Ako Nakanome, die ihm als Lady Macbeth zu Arvo Pärts "Pari intervallo" die unrechtmäßige Aneignung der Königskrone einflüstert. Nakanome klebt dabei regelrecht mit ihrem Mund an seinem Ohr, so dass er sich seinem eventuellen Zweifel nicht mehr entziehen kann und zu Julia Wolfes "Cruel Sister" den König in seinem Bett regelrecht abschlachtet. Paar findet an dieser Stelle recht drastische Bilder, die das Gefühl erwecken, dass Macbeth beim Königsmord eine gewisse orgiastische Freude empfindet. Auch die beiden Mörder, die zu Julia Wolfes "Fuel" den ehemaligen Freund Banquo beseitigen und später auch noch Lady Macduff und ihre Kinder grausam abschlachten, werden von Marcelo Moraes und María Bayarri Pérez bedrohlich und herzlos dargestellt.

Ein weiterer Höhepunkt gelingt Paar in der Inszenierung der Wahnvorstellung des Königs Macbeth. Zu Arvo Pärts "Collage sur B-A-C-H" führen Lady Macbeth und ihr Mann das Ensemble als Gesellschaft zu einem höfischen Tanz an, wobei Mickel aber immer wieder aus den konventionellen Bewegungen ausbricht, weil Balbo plötzlich als Geist Banquos vor ihm steht. Noch ist es Nakanome, die als Lady die Situation für ihren Mann retten kann. Doch auch ihr wird die Schuld zu einer unerträglichen Last. Kraftlos tritt sie hinter die Holzstangen und bricht vor dem weißen Prospekt leblos zusammen. Es folgt das Ende. Das Ensemble führt die beweglichen Holzstangen zur Mitte und kreist damit Mickel ein, bis er keinen Ausweg mehr hat. Adam Dembczynski, der als Duncan von Macbeth ermordet worden ist, schlüpft nun in die Rolle des Macduff und nimmt Rache für den Mord an seiner Familie. Der Vorhang fällt ziemlich abrupt.

Das Sinfonieorchester unter der Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg findet einen guten Zugang zu den zeitgenössischen Kompositionen und steht mit der Handlung auf der Bühne in absolutem Einklang. Die zwölf Tänzerinnen und Tänzer beweisen, dass sie sowohl als Ensemble als auch als Solisten große Ausdruckskraft besitzen. So gibt es am Ende frenetischen und nicht enden wollenden Beifall für einen Tanzabend, wie man ihn in der Art in Münster wohl schon lange nicht mehr erlebt hat.

FAZIT

Hans Henning Paar gelingt mit seinem Ensemble ein hervorragender Einstand, der die Politiker der Stadt hoffentlich zur Besinnung bringt und von einer drohenden Spartenschließung Abstand nehmen lässt.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Thorsten Schmid-Kapfenburg
 
Choreographie und Inszenierung
Hans Henning Paar

Bühne und Kostüme
Anna Siegrot

Dramaturgie
Esther von der Fuhr   



 

Sinfonieorchester Münster

Solovioline
*Mihai Ionescu /
Maia Shamugia

Solisten

*Besetzung der Premiere

Hexen / Schicksalsschwestern
*Anna Caviezel /
María Bayarri Pérez
*Sandra Guénin /
Priscilla Fiuza
*Vladimir de Freitas /
Erik Constantin

Macbeth
*Cornelius Mickel /
Marcelo Moraes

Lady Macbeth
*Ako Nakanome /
Anna Caviezel

Banquo
*Tommaso Balbo /
Vladimir de Freitas

Duncan / Macduff
*Adam Dembczynski /
Cornelius Mickel

Malcolm
*Erik Constantin /
Adam Dembczynski

Mörder / Hunde
*Marcelo Moraes /
Tommaso Balbo
*María Bayarri Pérez /
Sandra Guénin

Lady Macduff
*Sandra Guénin /
Ako Nakanome

Macduffs Kinder
Kana Mabuchi
Priscilla Fiuza

Schlacht / Gesellschaft / Wald
Ensemble


Weitere Informationen

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Theater Münster
(Homepage)



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