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Fatinitza

Operette in drei Akten
Text von Friedrich Zell und Richard Genée, Textfassung von Lydia Steier, Felix Seyfarth und Carsten Jenß
Musik von Franz von Suppé

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Staatstheaters Mainz am 2. November 2012
(rezensierte Aufführung: 09.11.2012)




Staatstheater Mainz
(Homepage)

Die Allmacht der Medien

Von Thomas Molke / Fotos von Martina Pipprich

Während sich mittlerweile zahlreich Bühnen zur Aufgabe gemacht haben, neben dem Standardrepertoire auch vergessene Opern wiederzuentdecken, beschränkt man sich am Staatstheater Mainz  dabei nicht nur auf die Gattung der Oper. So war in der letzten Spielzeit beispielsweise Franz Lehárs selten gespielte Operette Eva zu erleben (siehe auch unsere Rezension). In dieser Saison hat man sich einem Komponisten gewidmet, von dem man heutzutage fast nur noch das ebenfalls selten aufgeführte Werk Boccaccio und die Ouvertüre zur leichten Kavallerie kennt: Franz von Suppé, der als gebürtiger Italiener mit dem Namen Francesco Suppe seinen damaligen Ruhm in Wien auch noch dadurch aufzubessern versuchte, indem er das Gerücht in die Welt setzte, ein Neffe Donizettis zu sein. In der Tat unterscheidet sich seine Musik vor allem in den Ensembles stark von den Operetten seines Zeitgenossen Johann Strauß und geht eher auf Donizetti zurück. Vielleicht bezeichnet auch deshalb der musikalische Leiter der Produktion, Florian Csizmadia, das Werk als eine "komische Oper".

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General Kantschukoff (Hans-Otto Weiß, links), Lydia (Vida Mikneviciute), "Fatinitza" (Patricia Roach) und Julian von Golz (Thorsten Büttner, rechts) im russischen Lager

Fatinitza ist ein turbulentes Verwirrspiel, das im Kaiserreich riesige Erfolge feierte, bis es nach dem Ersten Weltkrieg von den Spielplänen verschwand. Die Handlung spielt zur Zeit des Krim-Krieges zwischen den russischen und osmanischen Truppen. Leutnant Wladimir Samoiloff, der im Lager der Russen Kriegsdienst leistet, hat sich vor dem Krieg häufig als Frau verkleidet und unter dem Namen "Fatinitza" bei frustrierten Gattinnen hoher Generäle eingenistet, um diesen Damen die einsamen Nächte zu versüßen. Allerdings hat sich auch der unverheiratete General Kantschukoff unsterblich in diese Fatinitza verliebt. Just dieser General ist der Vorgesetzte der russischen Truppe und zu allem Überfluss auch noch der Onkel Lydias, von der Wladimir seit der ersten Begegnung verzaubert ist. Erneut schlüpft Wladimir in die Rolle Fatinitzas, wird aber mit Lydia von türkischen Soldaten entführt und in den Harem des Izzet Pascha gebracht. Als dieser von den Russen eingenommen wird, gelingt Wladimir - Fatinitza die Flucht. Kantschukoff setzt alles daran, Fatinitza wiederzufinden. Wladimir gibt sich als Bruder Fatinitzas aus und verspricht dem General die Hand seiner Schwester, wenn er im Gegenzug Lydia ehelichen darf. Kantschukoff willigt ein, doch die angeblich wiedergefundene Fatinitza entpuppt sich als verschleierter Izzet Pascha, während dem General versichert wird, dass die begehrte Geliebte an gebrochenem Herzen gestorben sei und er sie nun erst im Jenseits wiedersehen werde.

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Sergeant Steipann (Jürgen Rust) mit seinem Huhn Olga

Die Strippen in diesem aberwitzigen Verwirrspiel zieht Julian von Golz, ein deutscher Journalist, der zur Berichterstattung an die Front geschickt worden ist. Lydia Steier lässt ihn mit einem Fernsehteam auftreten, das sich während der Ouvertüre bei dem fahrenden Händler Wuika einnistet und so ins russische Lager gelangt. Über eine große Leinwand werden dann Berichterstattungen von ihm präsentiert, wobei in Mainz der Nachrichtensender als kleiner Gag "ZEF" genannt wird. Der Nachrichten-Ticker, über den während des zweiten Aktes Jux-Meldungen laufen, ist zwar von den Texten witzig, lenkt aber von der eigentlichen Handlung auf der Bühne ab, da man nicht alles gleichzeitig verfolgen kann. Bei den Anspielungen auf die moderne Medienlandschaft geht Steier ferner auf aktuelle Kuppel-Shows ein und präsentiert die von Golz in die Wege geleitete Vermählung zwischen Lydia und Wladimir als großes Event à la "Traumhochzeit". Auch der klassische Bildschirmschoner in Form einer nächtlichen Palmenlandschaft darf dabei natürlich nicht fehlen. Die politischen Anspielungen, die Steier, Seyfarth und Jenß in die Texte der Arien eingefügt haben, wirken allerdings schon nicht mehr ganz so aktuell.

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Izzet Pascha (Alexander Spemann, Mitte vorne) beim Heim-Training in seinem Harem (dahinter von links nach rechts: Besika (Aviva Piniane), Lydia (Vida Mikneviciute), Nursidah (Danaila Dimitrova), Mustapha (Florian Gierlichs) und Diona (Ewa Wargin))

Die Musik im Harem des Izzet Pascha klingt wesentlich weniger exotisch, als man es aus den gängigen Türken-Opern des 18. und 19. Jahrhunderts kennt. Vielleicht lässt Steier den Türken deshalb in schwarzem Trainingsanzug mit hessischem Akzent auftreten, was ihn eher in der westeuropäischen Kultur ansiedelt. Dass sein Sklave Mustapha recht weibliche Züge in Stimme und Bewegung trägt, mag noch nachvollziehbar sein, da ein Harem ja häufig von Eunuchen bewacht wurde. Warum allerdings General Kantschukoff ebenfalls zwei Diener mit eindeutigen homoerotischen Tendenzen zur Seite gespielt werden, deren Lack- und Leder-Outfit mit Kantschukoffs ständigem Verlangen nach der Knute auf irgendwelche Sado-Maso-Spielchen hindeutet, ist dann aber vielleicht doch ein bisschen platt. Will Steirer dem General homosexuelle Neigungen unterstellen, weil er sich mit Fatinitza in einen als Frau verkleideten Mann verliebt hat? Muss Wladimir in der Verkleidung als Fatinitza deshalb übertrieben behaarte Beine haben und ein übertriebenes Brusttoupet tragen? Wenn dann Lydia in Fatinitza den geliebten Wladimir an dem übertrieben großen Geschlechtsteil unter seinem Kleid erkennt und Wladimir zunächst das Anschwellen dieses Geschlechtsteils durch ein Kissen bedeckt, in das er augenscheinlich während des Liebesduettes dann auch noch ejakuliert, ist das doch arg übertrieben.

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Happy End mit Traumhochzeit (in der Mitte von links: Lydia (Vida Mikneviciute), Wladimir (Patricia Roach), Julian von Golz (Thorsten Büttner), Mustapha (Florian Gierlichs) und Kantschukoff (Hans-Otto Weiß) mit dem Chor und der Statisterie)

Musikalisch weist das Werk zahlreiche schmissige Melodien auf, die bedauern lassen, dass einzelne Arien oder Ensembles nicht häufiger auf deutschen Bühnen zu hören sind. Florian Csizmadia lässt mit dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz aus dem Orchestergraben sowohl flotte Marsch-Rhythmen als auch operettenhafte Walzerseligkeit mit viel Verve erklingen. Der von Sebastian Hernandez-Laverny homogen einstudierte Chor überzeugt nicht nur durch große Spielfreude sondern auch solistisch in kleineren Partien. Hans-Otto Weiß lässt als Kantschukoff seinen markanten sonoren Bass verströmen und meistert seine Partie darstellerisch gut, selbst wenn man sich für ihn eine etwas andere Personenregie gewünscht hätte. Warum Jürgen Rust als Sergeant Steipann die ganze Zeit mit einem Huhn namens Olga über die Bühne laufen muss, ist ebenfalls nicht ganz schlüssig. Natürlich soll die Figur nicht ganz ernst genommen werden, aber komisch wirkt sie dadurch auch nicht. Stimmlich meistert Rust die Partie gut. Gleiches gilt für Thorsten Büttner als Julian von Golz und Alexander Spemann als Izzet Pascha, die ebenfalls mit recht zweifelhaften Regieeinfällen zu kämpfen haben, ob Spemann nun auf dem Heimtrainer sitzen und mit hessischem Akzent "babbeln" muss oder Büttner angehalten ist, sein Gegenüber häufig mit irgendwelcher Kampfsport-Akrobatik zu verwirren.

Vida Mikneviciute stattet die Partie der Lydia mit warmem Sopran aus. Mit ihr zeigt sich Steier in der Personenregie noch relativ gnädig, wenn sie sie auf Russisch fluchend über die Bühne laufen lässt oder sie als launisches, verzogenes Mädchen präsentiert, das sich einerseits von Schmuck und Kleidung angezogen fühlt, andererseits die Zuneigung zu Wladimir auf recht direkte Art zum Ausdruck bringt. Patricia Roach, die als Sängerin den Mann Wladimir spielen muss, der sich als Frau Fatinitza verkleidet, trifft es da wesentlich schlechter an. Hier wäre es nicht nötig gewesen, Roach als Fatinitza derart unattraktiv darzustellen. Stimmlich kann sie allerdings mit einem großartigen, warmen Mezzo punkten. So gibt es am Ende großen Applaus für die Sänger und das Orchester, wobei die Inszenierung vielen Besuchern in der zweiten Vorstellung vielleicht doch zu viel Klamauk enthält, so dass die Begeisterung trotz einiger Lacher während einzelner Szenen am Ende doch eher zurückhaltend ist.


FAZIT

Musikalisch überzeugt die Produktion auf ganzer Linie und lässt den Eindruck erwecken, dass Suppé ein wenig zu Unrecht vernachlässigt wird. Szenisch übertreibt Lydia Steier an einigen Stellen, so dass die Komik des Stückes bisweilen in platten Klamauk abdriftet.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Csizmadia

Inszenierung
Lydia Steier

Bühne
Katharina Schlipf

Kostüme
Ursula Kudrna

Licht
Stefan Bauer

Video
Christoph Schödel

Chor
Sebastian Hernandez-Laverny

Dramaturgie
Carsten Jenß





Chor und Statisterie des
Staatstheaters Mainz

Philharmonisches Staatsorchester Mainz


Solisten

General Timofey Kantschukoff
Ks. Hans-Otto Weiß

Lydia Uschakoff
Vida Mikneviciute

Izzet Pascha
Alexander Spemann

Osipp
Reiner Weimerich

Wache / Iwan
Patrick Hörner

Fedor
Agustín Sánchez Arellano

Steipann, Sergeant
Ks. Jürgen Rust

Wladimir Samoiloff alias "Fatinitza"
Patricia Roach

Julian von Golz
Thorsten Büttner

Hassan
Ion Dimieru

Nursidah
Danaila Dimitrova

Zuleika
Katja Ladentin

Diona
Ewa Wargin

Besika
Aviva Piniane

Wuika
Hans-Helge Gerlik

Mustapha
Florian Gierlichs

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Mainz
(Homepage)



Da capo al Fine

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