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Musiktheater
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Salome

Musikdrama in einem Aufzug
Libretto vom Komponisten
nach der gleichnamigen Dichtung von Oscar Wilde
Musik von Richard Strauss

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 35 (keine Pause)

Premiere im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters am 11. Oktober 2012

Logo: Oldenburgisches Staatstheater

Oldenburgisches Staatstheater
(Homepage)

Salome und Jochanaan im Kampf für eine bessere Welt

Von Thomas Tillmann / Fotos von Andreas J. Etter


Das Oldenburgische Staatstheater hat keine Angst vor den ganz großen Stücken des Repertoires, ich erinnere mich gut an die Walküre vor zwei Jahren, die ebenfalls nicht zu den schlechtesten Aufführungen gehörte, die ich erlebt habe. Natürlich könnte man kritisch hinterfragen, ob Strauss' Salome das richtige Stück für das kleine Haus ist, wenn man für seine Realisierung vier Gäste braucht, aber letztlich muss das nicht die Sorge des Publikums und des Rezensenten sein.

Vergrößerung Jochanaan (Derrick Ballard) versucht die erregte Salome (Allison Oakes) von der Richtigkeit seiner Ideen zu überzeugen.

K. D. Schmidts Sicht auf das Stück ist sehr klar und durchaus stringent: Zwar legt Herodes noch vor Einsetzen der Musik seine Hand auf Salomes Busen, aber im Folgenden steht nicht so sehr das private Drama um Missbrauch und degenerierte Charaktere einer vergangenen Zeit im Vordergrund, sondern man sieht in erster Linie ein politisches Drama, das sich so oder ähnlich auch in unserer Zeit ereignen könnte. Die Handlung vollzieht sich in einem geschlossenen Raum (genauer gesagt in einem durch politische Wirren und Krieg verrotteten, immer wieder geflickten Palast, den Maren Greinke entworfen hat und der der letzte Rückzugsort geworden ist für Herodes und sein marodes System), aber vor den Augen der versammelten Öffentlichkeit - in den diversen Nischen und auf den vielen unterschiedlich hohen Podesten sieht und hört jeder alles. In ihr ist Jochanaan, "der unbewusst mahnende, aber ignorierte Part der Gesellschaft", der erst durch Salomes Aufmerksamkeit "erweckt" wird und die Kapuze seiner wollweißen Strickjacke zurückschlägt, um seine Tiraden loszulassen (aber beinahe den ganzen Abend unhörbar vor sich hin redet).

Vergrößerung

Salome (Allison Oakes) ist fasziniert von Jochanaan (Derrick Ballard) und hört mehr und mehr auf seine Worte; Herodes (Albert Bonnema) und Herodias (Saskia Klumpp) sind machtlos.

Interessant fand ich Schmidts Lösung für den Schleiertanz, sonst "Kulminationspunkt des Voyeurismus", bei dem sich „das geifernde Bild der Gesellschaft“ zeigt. Salome erkennt in dieser Inszenierung "ihre (Manipulations-)Macht" - erklärt Produktionsdramaturg Lars Gebhardt im Programmheft nachvollziehbar - und bringt ihre Mitspieler nach und nach und im wahrsten Sinne des Wortes zum Tanzen, ohne dass sie es selber tut - ein sehr suggestiver, wenn auch nicht sofort einleuchtender Einfall. Während des Schlussgesangs realisiert die Prinzessin, "dass ihre Forderung auch ein politischer Akt war, der in seiner Konsequenz und Abgründigkeit die Gesellschaft sprengt". Hier spricht keine Kindfrau mit einem abgeschlagenen Kopf, sondern hier liest eine junge, ernsthafte, nachdenkende Frau ihren Eltern ordentlich die Leviten und distanziert sich von deren verlogenen "Werten". Das alles überzeugt insgesamt, und so ist man bereit zu akzeptieren, dass nicht jedes gesungene Wort 1:1 zum Bühnengeschehen passen will. In der Tat erscheinen Salome und Jochanaan in Strauss' rauschhafter Musik am Ende ja "quasi vereint", und so zieht Jochanaan, der natürlich nicht tot ist, ihr feste Schuhe an, hilft ihr in die gesteppte Outdoorjacke und wartet mit seinem Rucksack, bis sie ihre Strafpredigt zu Ende gesungen hat. Ob die beiden der finalen Apokalypse entkommen (das Zusammenbrechen des Palastes überfordert die Haustechnik leider total, da schmunzelt man eher als dass man betroffen wäre), lässt Schmidt offen, aber immerhin scheint die Hoffnung auf eine bessere Welt, auf einen Neuanfang möglich, und so verhallt Herodes' "Man töte dieses Weib!" als letzter, kläglicher Versuch, eine nicht mehr vorhandene, überholte, perverse Ordnung wieder herzustellen.

Vergrößerung Herodes (Albert Bonnema) und Herodias (Saskia Klumpp) haben jegliche Autorität verloren, Salome (Allison Oakes) setzt ihren Willen konsequent durch.

Mit Allison Oakes hatte man einen wirklich interessanten Gast engagiert - die Britin wird bei den nächsten Bayreuther Festspielen in der Neuinszenierung des Ring der Nibelungen als Gutrune und Gerhilde debütieren. Ihr schlanker, enorm durchdringender, mitunter auch einige Schärfe aufweisender, vor allem aber immens höhenstarker Sopran (sie hätte vermutlich auch keine Probleme damit gehabt, wenn Strauss die Spitzentöne noch eine Terz höher notiert hätte!) lässt die lyrische Vergangenheit noch deutlich erkennen, und es ist sicher sinnvoll, dass sie demnächst mit der Tosca in Münster auch ihr italienisches Repertoire weiter pflegt und nicht nur mit Partien wie Senta oder eben Salome zu früh zu oft zu schwere Rollen singt (neben den genannten hat sie auch bereits Elsa und Chrysothemis interpretiert, Angebote für Isolde und Turandot werden sicher bald eingehen). Die gefährliche und gefürchtete Titelpartie stand sie ohne hörbare Probleme auf erstaunlichem Niveau und mit nie nachlassender Kraft durch, auch wenn man sich in den Klang der Stimme nicht wirklich verliebte.

Ein weiterer Pluspunkt der Aufführung war zweifellos Albert Bonnema mit reifer, aber völlig intakter Stimme (noch 2011 hat er in Bielefeld den Canio gesungen, ich erinnere mich aber auch an einen skandalösen Enée an der Rheinoper im Jahre 2005) und nie nachlassender Spielfreude, die sich freilich keineswegs in enervierender Überzeichnung erging, sondern eher als vielschichtige Charakterstudie eines degenerierten, letztlich hilflosen und bemitleidenswerten Herrschers ohne echte Macht angelegt war. Und wie viel Spaß hatte der Niederländer an dem herrlichen Wilde-Text! Ein Totalausfall war dagegen Saskia Klumpp, die sich in ihrem opulenten Operettenkostüm von Anfang nicht wohl zu fühlen schien, im Laufe des Abends weder darstellerisch noch vokal auch nur ansatzweise den Charakter der Herodias aufzufächern verstand und vor allem in der tiefen Lage mitunter schlicht nicht zu hören war und bei den Spitzentönen über die Ohren strapazierendes Schreien nicht hinauskam. In der Vergangenheit ist sie freilich auch eher als Konzertsängerin hervorgetreten, so dass man sich doch fragt, warum die Oldenburger Intendanz sich nicht einfach für einen anderen, charismatischeren Gast entschieden hat.

Vergrößerung

Salome (Allison Oakes) und der Kopf des Jochanaan

Derrick Ballard war mir bereits als exzellenter Wotan aufgefallen, und auch als Jochanaan imponierte er mit mächtigen Entladungen, die sich vielleicht ein wenig zu selten mit ja durchaus möglichem Piano abwechselten, erster Aussprache und großem Charisma. Daniel Ohlmann hatte als Narraboth mit nicht unerheblicher und auch durchaus nachvollziehbarer Premierennervosität und einer schlechten Perücke zu kämpfen, seinem Singen fehlte es auch an dem nötigen Glanz. Undine Mentzel überzeugte als berührender Page nicht nur auf Grund ihrer überaus präzisen Diktion vollauf, daran konnte der furchtbare Kittel nichts ändern, der stellvertretend für viele weitere schäbige, unvorteilhafte und schlecht sitzende Alltagskostüme von Britta Leonhardt erwähnt werden soll. Unter den Interpreten der kleineren Partien gab es ehrlich gesagt mehr Schatten als Licht, auch hier kommt das rührige Haus an Grenzen. Auszunehmen ist da allerdings Michael Pegher, der als erster Jude einen hervorragenden Eindruck hinterließ.

Roger Epple ist eine ordentliche, wenn auch nicht sensationelle Wiedergabe der komplexen Partitur zu bescheinigen, die vollmundig und kontrolliert war, aber man hat Strauss' Oper natürlich schon analytischer, aggressiver, „moderner“ und mit mehr persönlicher Handschrift und damit auch packender und weniger harmlos gehört.



FAZIT

Das war eine bemerkenswerte, verstörende, in musikalischer Hinsicht in mancherlei Hinsicht hervorragende, in szenischer Hinsicht weitgehend nachvollziehbare und gut umgesetzte Produktion, der man viele Zuschauerinnen und Zuschauer wünscht!

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Roger Epple

Inszenierung
K.D. Schmidt

Bühne
Maren Greinke

Kostüme
Britta Leonhardt

Licht
Alex Fleischer

Video
Valerie Vogt

Dramaturgie
Lars Gebhardt



Statisterie des
Oldenburgischen
Staatstheaters

Oldenburgisches
Staatsorchester


Solisten



Herodes
Albert Bonnema

Herodias
Saskia Klumpp

Salome
Allison Oakes

Jochanaan
Derrick Ballard

Narraboth
Daniel Ohlmann

Ein Page
der Herodias
Undine Mentzel

Erster Jude
Michael Pegher

Zweiter Jude
Mykola Pavlenko

Dritter Jude
Sandro Monti

Vierter Jude
Ihor Salo

Fünfter Jude
Alwin Kölblinger

Erster Nazarener
Benjamin LeClair

Zweiter Nazarener
Andreas Lütje

Erster Soldat
Philipp Zehnoff

Zweiter Soldat
Leonard Katarzynski

Ein Kappadozier
Spiel: Toshihiko Matsui
Gesang: Henry Kiichli

Ein Sklave
Daniela Köhler


Weitere
Informationen

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Oldenburgischen
Staatstheater

(Homepage)




Da capo al Fine

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